* Das Zelt, verlockt es Dich?
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Scissorella in Scissorella: mein aktueller Entwurf |
Das Zelt, in dem die großen Modenschauen stattfinden, wird zweimal jährlich zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule aufgestellt und schafft einen ganz speziellen, beinahe virtuellen Raum. Einfach so, ohne Teleportation oder Transzendenz, gelangt man über den Eingang des Zelts in eine andere Realität, die nichts mehr mit dem tatsächlich nur einige Meter entfernt stattfindenden Leben zu tun hat. Wer hier hereinkommt ist schön, oder zumindest wichtig. Auch wer nur eine Einladung zu einer einzigen Show hat, kann dennoch den ganzen Tag lang mit seinem sorgfältig ausgewählten Outfit den Zeltraum durchmessen und die Bedeutsamkeit des Geschehens, die Brisanz, in sich aufnehmen und noch wochenlang davon zehren.
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Mit dem viel zitierten Bruce Darnell |
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Mit Rochachana-Designer Markus Merkel (Link) |
Wie in einem 3D-Fellini-Film breitet sich das Szenario vor dem staunenden Flaneur aus, umgibt ihn und trägt ihn fort auf einer Woge von Individualismus, Anmut, Glanz, grellen Farben, Federn, Kunstpelz, Nieten, Strass, Goodiebags, Handtaschen, Wintermänteln, Ersatzschuhen, die schnell unauffällig gewechselt werden, Fotoapparaten, Stativen, TV-Moderatoren. In der Mitte der ringförmigen Laufstrecke verweilen die Bloggerinnen auf Sitzgruppen. Eifrig tippen sie Gesehenes in ihre Laptops um es in die Welt außerhalb des Zeltes zu schicken, in die Kinderzimmer der Daheimgebliebenen, die sich sehnsuchtsvoll über Ablenkung von den Schulaufgaben freuen. Die Schönen, die Dicken und die Nackten - sie sind alle da und amüsieren sich am Sektstand. Nur eine ist am ersten Tag der Woche zu nackt um eingelassen zu werden. Tags darauf, mit einem adäquaten Federkleid ist sie erfolgreicher.
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Rolf Scheider zu treffen freut mich jedes Mal! |
Fasziniert wandele ich ebenfalls mehrere Tage lang in verschiedensten Outfits durch die Manege und freue mich, dass ich nicht nur von außen beobachte, sondern Leute treffe und wiedertreffe, die ich schon lange kenne und sich langsam diese unglaubliche Klassenfahrt-Atmosphäre breit macht. Man schaut sich zwar ernsthaft Mode an, in den großen Pausen wird jedoch gelacht und gekichert wie eh und jeh.
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Nach den Schauen ist es wichtig, den Raum über den Laufsteg zu verlassen, inmitten eines Gedränges aus Prominenten und Fotografen. |
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Jetset mit Pan Am |
Das Bild ändert sich ständig, die Besetzung wechselt andauernd. Da ist das nun angezogene Nacktmodel, einige Nachwuchsschauspieler, Modelagenten, eine bärtige Dame mit blauem Lidschatten auf hohen Absätzen, die sich als allseits bewunderter Modedesigner entpuppt, der TV-Makler mit seinem Sommermädchen 2011, Boys und It-Boys aus Düsseldorf und Berlin, Stylisten, Stewardessen – bei den Stewardessen muss ich kurz innehalten. Am zweiten Tag der Fashion Week mache ich in der Menge zwei ausgesprochen attraktive Flugbegleiterinnen aus, die zu einem Sonnenuntergangs-Cocktail in der Pan-Am-Lounge in West-Berlin einladen um auf diese Weise für die außergwöhnliche Event-Location über den Dächern der Stadt zu werben. Die gesamte Fashion Week wirkt, als läge ihr ein Drehbuch zugrunde, und so werden wir die Damen vom Flight-Service natürlich wieder treffen.
Auch die anderen Protagonisten begegnen mir immer
wieder, manchmal am ganz anderen Ende der Stadt. Im Drehbuch stehen
ständig neue Überraschungen, auch solche, die die strenge
Architektur-Leserschaft interessieren wird, genauso wie die Riege der
Tierfreunde. Es ist für jeden etwas dabei und es lohnt sich, den Bericht
bis zum Ende mitzuverfolgen. Das Buffet ist eröffnet.
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Micaela Schäfer im Winterkleid |