Die „recollection in tranquillity“ meiner Erlebnisse beginnt nun, nach einer Woche voller unglaublichster Sinneswahrnehmungen, Euphorie und einer sich zunehmend verwischenden Grenze zwischen Realität und Phantasie. Es war Fashion Week in Berlin, und ich habe bis zur letzten Sekunde teilgenommen an dem Taumel aus Farben, Formen, Selbstdarstellung, Opulenz und ständiger Überraschungen. Gestern Abend bin ich nach Düsseldorf zurückgekehrt und nun beginne ich, wieder am heimischen Schreibtisch sitzend, mit der Nachberichterstattung. Am Ende der Reise wurde sogar noch ein Leben gerettet, aber der Reihe nach.
Bei Fahrtantritt war ich sehr zerknirscht, mein Fahrrad nicht mitnehmen zu können, was bei einem echten Berlin-Aufenthalt eigentlich unabdingbar ist. Tatsächlich aber war Deutschland über die gesamte Breite hinweg, von Westen nach Osten, eingeschneit. Ganz lege artis fuhr ich sehr mondän etwa neun Stunden lang mit dem Regionalexpress und war froh um jede Minute, die ich noch an meinem Kleid nähen konnte. Abwechselnd nähte ich also meinen transparenten Traum in hellgrau, dunkelgrau und mittelgrau und las in Niklas Maaks „Fahrtenbuch“ dessen Schilderung eines Beton-Bungalows mit Atombunker und Pool. Draußen schneite es unverwandt und als ich in Berlin ankam, staunte ich nicht schlecht über mein temporäres Logement im sozialistischen Zuckerbäckerstil. Am Ende der mächtigen Allee ragte der Fernsehturm in den eisigen Himmel und eine abenteuerliche Woche lag vor mir.