Für
die Schriften und Ideen Oscar Wildes begeistere ich mich schon seit
meiner Jugend. Allerdings wäre der irische Dichter nie der
glamouröse, schlagfertige Schöngeist und Dandy geworden, als der er
heute bekannt ist, hätte er nicht ein nicht weniger spektakuläres
Vorbild gehabt – seine Mutter Jane. Ihr habe ich meine Arbeit
„Francesca Speranza“ gewidmet, ein skulpturhaftes Kleid aus
schweren Seilen.

Die
als Jane Frances Elgee im irischen Wexford geborene Dichterin war mit
ihrem selbstbewussten künstlerischen Auftreten in der Mitte des 19.
Jahrhunderts eine Ausnahmeerscheinung und inszenierte sich als
Nachfahrin Dante Aligieris und als irische Nationaldichterin. Nach
ihrer Hochzeit mit William Wilde firmierte sie unter dem Namen Jane
Francesca Lady Wilde und legte sich den Beinamen „Speranza“ zu.
Mit ihren Schriften und ihrer Selbstinszenierung hatte sie einen
großen Einfluss auf das Werk ihres Sohnes, trat allerdings zunehmend
hinter dessen Arbeiten in den Hintergrund. Ich betrachte Jane Wilde
als eine frühe Performancekünstlerin, die zu Unrecht vergessen
wurde.
Im
Jahr 2019 habe ich an einem Künstleraustausch zwischen Wuppertal und
Wexford teilgenommen (STEADY SMILE MOVE in der Camera 8 und Here/There), der im September 2021 mit einer
Ausstellung in der Stadtsparkasse Wuppertal und der Galerie Grölle
passprojects fortsgesetzt wurde (Link). Meine Idee zu dem Kleid für
Jane Wilde basiert auf meinen Besuchen in ihrer Heimatstadt sowie
meiner jahrzehtelangen Begeisterung für Oscar Wilde.

Das
Kostüm besteht aus 100 Metern Seil, die ich dunkelgrau gefärbt, in
Schlingen und Knoten gelegt und mit Draht verbunden habe. Auf diese
Weise entstand eine transparente, skulpturale, rauhe Konstruktion,
die auf dem Gemälde „Sidonia von Bork“ des Präraffaelitischen
Malers Edward Burne-Jones basiert. Jane Wilde hatte den Schauerroman
von Wilhelm Meinhold aus dem Jahr 1847, den das Gemälde illustriert,
aus dem Deutschen ins Englische übersetzt und damit großen Erfolg
gehabt. Die Geschichte handelt von einer für ihre Zeit sehr
emanzipierten, mutigen Frau, die wie Jane Wilde für ihre
Überzeugungen kämpfte und schließlich scheiterte. Aus diesem Grund
habe ich die Zartheit Burne-Jones' Gemälde in eine brachiale Form
umgesetzt.
Vom
20. 11. 2021 bis zum 22. 01. 2022 ist „Francesca Speranza“ in der
Galerie Grölle passprojects in Wuppertal zu sehen, als Teil der
Gruppenausstellung <<N>>, in der zeitgenössische
textile Kunst gezeigt wird (Link).