Bevor Mitte Januar das neue Modejahr mit der Fashion Week Berlin eingeläutet wird, möchte ich noch einen Bericht lancieren, der, obwohl er mir sehr am Herzen liegt, aus unerklärlichen Gründen bisher unveröffentlicht blieb.
Im August letzten Jahres sollte, wie man es aus der Vogue erfuhr (Link), in Bonn Bad Godesberg eine Ausstellung stattfinden, die auf ganz besondere Weise den Flair des Ortes mit der Geschichte der Bundesrepublik und dem ganz großen internationalen Modegeschehen der Fünfzigerjahre verband. Dazu muß man vielleicht vorausschicken, dass Bad Godesberg als Stadtteil der ehemaligen Bundeshauptstadt und mit seinen Gründerzeitvillen heute immer noch den Charme eines in die Jahre gekommenen Badekurorts ausstrahlt. Der Besucher wird, nachdem er den Jugendstilbahnhof verlassen hat, direkt von einem modernen Touristen-Informations-Pavillon begrüßt, der genau so auch im Los Angeles Silverlake der Fünfzigerjahre stehen könnte. Durch den weitläufigen Kurpark gelangt man, vorbei an der Stadthalle mit ihrem geschweiften Vordach und der angeschlossen Tanz- und Ausflugsterrasse und dem Rondell für die Chacha-Kapelle, zu der Redoute, einem Ballhaus, das noch aus kurfürstlicher Zeit stammt. Man spürt förmlich den Geist der damals noch jungen Bundeshauptstadt, den Aufschwung nach dem Krieg und die Nähe zu Neubauten wie dem Kanzlerbungalow von Sep Ruf und den modernen Verwaltungsgebäuden in Bonn.
So ungewöhnlich es war, daß ein französischer Modeschöpfer so kurze Zeit nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland eine Modenschau zeigte, so ungewöhnlich war die Entstehungs- geschichte der gesamten Dior- Ausstellung. Jacqueline Francois-Poncet, die Frau des späteren fran- zösischen Botschafters von Berlin, lebte damals in Bad Godesberg und unterhielt gute Bezie- hungen zur Firma Dior. Sie leitete den Besuch Diors in die Wege, der nicht nur durch seine Modenschau die Völkerverständigung nach dem Krieg förderte, sondern auch einer der ersten französischen Unternehmer war, der in Deutschland produzieren ließ. Die Fotografien, die der damals dreiundzwanzigjährige Heinz Engels von der Schau machte, landeten schließlich im Bonner Stadtarchiv und gerieten mit der Zeit in Vergessenheit. Selbst im Hause Dior besaß man keinerlei Bilder der Reise an den Rhein.
Sabine Krell (Mitte) in Dior, Heinz Engels |
Sabine Krell jedoch, die im Bonner Stadtarchiv für die fotografische Samm- lung zuständig ist und die Dior-Ausstellung schließ- lich ins Leben gerufen hat, machte im letzten Jahr die entscheidende Entdeckung. Bei einem Berlinbesuch las sie in einem Dior-Buch, das in einem Museumsshop auslag, daß Dior im Jahr 1952 seine Kollektion in Bad Godesberg gezeigt hatte. Wieder zurück in Bonn machte sie sich direkt auf die Suche nach den Fotografien und fand sie tatsächlich in den Tiefen des Stadtarchivs. Sie machte den Pressefotograf Heinz Engels ausfindig und recherchierte bei Dior in Paris. Die zahllosen Fotografien, die Heinz Engels 1952 von der glamourösen Dior-Gala aufgenommen hatte, erstrahlten schließlich im Haus an der Redoute erstmals in ihrer Gesamtheit und Frau Krell war bei der Rede, die sie zur Einführung hielt, deutlich ihre Begeisterung anzumerken. Die Opulenz der gezeigten Modelle fügte sich nahtlos in die Räume voller Stuck und Kristallüster und Frau Krell, die dem Anlaß entsprechend Dior trug, betonte, daß Christian Dior zunächst Architekt werden wollte. Auch beim Innenleben seiner Kleiderentwürfe legte er somit Wert auf eine absolute technische Präzision und Tragfähigkeit.
So schloss sich der Kreis zwischen Mode, Architektur, Atmosphäre, Phantasie und Technik. Stark nach Dior duftend und glamourberauscht wandelte ich nach der Vernissage in der Abenddämmerung durch den Kurpark, bewunderte noch ein wenig den Charme der Stadthalle und hörte beinahe die klimpernden Gläser rauschender Ballnächte.