MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

Sonntag, 28. Juli 2013

Wer sich fragt, was eigentlich aus der Moderne geworden ist, ...

...der sollte zur Zeit nicht unbedingt nach Krefeld fahren. Dort wird sie gerade großflächig abgeklopft und weggeschmissen. Über den drohenden Abriss der Eiermann-Fassade habe ich bereits berichtet (Link). Nun war ich eben noch einmal vor Ort und kann sagen, dass die dem Siedenweberhaus zugewandte Gebäudeseite mittlerweile komplett zerstört ist.

In Potsdam dagegen, am anderen Ende der Republik, geht es richtig voran, wie ich heute erfahren habe. Das funkelnagelneue Stadtschloss ist beinahe fertig (Link) und gibt der Stadt, in der echte Schlösser schließlich Mangelware sind, endlich das richtige Las-Vegas-Flair. Wer mir dieses verdrehte Verhältnis zwischen Fortschritt und Rückschritt erklären kann, darf sich gerne bei mir melden. Leben wir bald wieder in Höhlen?
 

Mittwoch, 24. Juli 2013

Gottfried Böhm: Rathaus Bensberg, 1963 bis 1969



Geheime Forschungsstationen auf den vereisten Gipfeln der Alpen, die nur mit dem Helikopter zu erreichen sind, eine Villa aus gewölbtem Beton, in dessen Pool man das Gefühl hat, dass der Beckenrand nahtlos mit dem gebirgigen Horizont jenseits der dürren kalifornischen Wüste abschließt, ein polypenartiges Meeresschloss aus Stahl, das man bei Bedarf im Ozean versenken kann - all das sind Architekturen, die man üblicherweise mit James-Bond-Filmen verbindet. Gemein ist diesen Bauten neben ihrer exponierten Lage immer, dass sich etwas absolut Neues, technisch wirkendes mit dem Urigen, Alten, Authentischen verbindet, mit dem Meer, dem Wüstenkarst, dem ewigen Eis und Schnee, den gewaltigen Feslmassiven. Das Erhabene ist deutlich zu spüren. Das sind die High-End-Phantasien eines Ken Adams denkt man, des Bond-Filmarchitekten, in dessen Elternhaus schon Mies van der Rohe ein- und ausgegangen ist und der Wert darauf legt, zuerst Flugzeuge fliegen und dann Autofahren gelernt zu haben; oder eines John Lautners, dessen Phantasie sowieso außerhalb jeglicher Maßstäbe liegt und der seine Wirkungsstätte zudem in sagenumwobenen Städten wie Los Angeles und Palms Springs hatte. Ganz soweit  muss man allerdings gar nicht fahren, um sich mit Bauten dieser Zeit zu beschäftigen, die ganz ähnliche Assoziationen wecken.

Nachkriegsmoderne, Beton, Gottfried Böhm

Die Stadt Bensberg, die heute zu Bergisch Gladbach gehört und auf einem Plateau oberhalb der Kölner Bucht liegt, sollte in den Sechzigerjahren ein neues Rathaus bekommen. Bereits seit dem Mittelalter existierte dort eine Burg, von der aus man das gesamte Rheinland im Blick hatte und weit über den Kölner Dom hinausschauen konnte. Man entschied sich für einen Entwurf Gottfried Böhms, der die Überreste der Burg ergänzen sollte. Erhalten war zu dieser Zeit noch der Bergfried aus dem 12. Jahrhundert, eine den Innenhof umgebende Ringmauer aus dem 13. Jahrhundert und ein weiterer, kleinerer Turm. Böhm brachte das typische Bild einer Burg auf die Spitze, abstrahierte das Charakteristische der noch vorhandenen Elemente und entwarf eine mächtige Anlage aus trutzigen Mauern und einem phantastisch modellierten Treppenhausturm. Der Blick in die Landschaft wird zudem durch einen eleganten Rhythmus aus Fensterbändern garantiert.

Wie bei Böhms Wallfahrtskirche in Neviges handelt es sich auch in Bensberg um eine begehbare, ganz  aus Sichtbeton gegossen Skulptur, die optisch und auch haptisch erlebt werden muss. Am imposantesten ist natürlich der Aufstieg in den markanten Treppenhaus- turm, dessen Fensterband einen ungebrochenen Blick in die Ferne bietet. Darüber hinaus fallen dem Besucher unzählige weitere Details ins Auge, die Ausbuchtungen und Winkel der rauhen Wände und Decken, die Glühbirnen, die in die Decken eingelassen sind, die Sitzmöglichkeiten, die dem Grundriss des Gebäudes folgen, die großen Erdgeschossfenster zum Innenhof, die rahmenlos auf den Beton stoßen und immer wieder die zahllosen Variationen von Aus-, Durch- und Einblicken. Das ringförmige Arrangement des Ensembles taucht in den Anlagen Böhms immer wieder auf, oft gruppieren sich die einzelnen Gebäude um einen Platz mit einer Kirche wie im Fall des Seniorenheims in Düsseldorf Garath oder bei Böhms Kinderheim in Bergisch Gladbach Refrath. Im Hof der Bensberger Burg steht eine alte Kastanie, die das Bild schließlich vervollständigt.

 

Anhängen möchte ich meiner Ausführung noch, dass ich am Abend meines Besuchs in Bensberg noch einmal zu Böhms Rathaus zurück- gekehrt bin. Sie Sonne war bereits unter- gegangen und ein warmer Wind wehte über den dunkler werdenden Burg- hof. Ich saß auf einem von der Augustsonne aufgewärmten Beton- block zu Füßen des nun düster auffragenden und so noch märchenhafter wirkenden Treppenhausturms. In dieser merkwürdig warm-dämmerigen Atmosphäre geriet ich zunehmend in eine gewisse Trance. Es war genau so, wie man es Böhm damals für seinen Entwurf für Neviges vorausgesagt hatte: ich befand mich in einem idealen Paralleluniversum. Und plötzlich wurde mir eines überdeutlich klar: nie zuvor hatte sich so eindeutig die Verbindung zwischen Sprache, Schrift, Architektur und Bildhauerei manifestiert wie hier. Die einzelnen Segmente der Fensterbänder bildeten in ihren unterschiedlichen Längen einen Rhythmus, der beinahe wie ein Gedicht zu lesen war und einer inneren Logik folgte. Ähnliches habe ich danach nur bei Carl Orffs „Prometheus“ erlebt, in dem stundenlang altgriechische Ferse rezitiert werden und man bis zum Schluss so gebannt ist, dass man meint, jedes Wort verstehen zu können. 

Gerry Weber: Spanish Nights in der Ulmer Höh'


Die Fashion Night des Hauses Gerry Weber ist mittlerweile ein fester Bestandteil der düsseldorfer Modewoche und fand nun bereits zu dritten Mal im Innenhof des ehemaligen Gefängnisses Ulmer Höh’ statt. Dort hatte man weiße Zelte, Liegestühle und Fackeln aufgestellt, auch das phantastische Sommerwetter entsprach dem Motto „Spanish Nights“, und so entfaltete sich innerhalb der roten Backsteinmauern ein echtes balearisches Flair.

Mittwoch, 17. Juli 2013

Gottfried Böhm: Maria, Königin des Friedens; Velbert Neviges 1968




 

Gottfried Böhm möchte nicht über seine Werke sprechen. Das liest man zumindest in Veronika Darius’ Schrift über Böhms Bauten aus den Sechzigerjahren, erschienen im Beton-Verlag, Düsseldorf 1988. Betrachtet man, oder eher: erlebt man die Gebäude Böhms direkt vor Ort, dann erübrigen sich zunächst tatsächlich alle möglichen Fragen zu Beweggründen und Motiven des Architekten. Stattdessen setzt unmittelbar ein Gefühl des Überwältigtseins ein, zusammen mit dem dringenden Bedürfnis, sich ganz in den Sog dieser bis ins letzte Detail plastisch durchformten Welten zu begeben und komplett darin einzutauchen. Das Phantastische ist Gottfried Böhms Metier, das Großartige, Spektakuläre, Geheimnisvolle, wobei es beinahe zur Nebensache wird, ob es sich nun um eine Kirche, ein Verwaltungsgebäude oder um ein Kinderheim handelt. 

Den gesamten letzten Sommer über hatte ich immer wieder das Glück, mich mit diversen Bauten Böhms im Rheinland beschäftigen zu können und bin dabei auf typische Muster in seiner Vorgehensweise gestoßen. Es sind ähnliche Motive die er immer wieder variiert und auch die Materialien wieder- holen sich. Es ist faszinierend zu sehen, wie es Gottfried Böhm gelungen ist, über Jahrzehnte hinweg im gesamten Rheinland öffentliche Gebäude zu plazieren, die durch den  Einsatz immer wieder auftauchender Elemente, Materialien und ganzer Bauteile deutlich als Werke Böhms zu erkennen sind und immer den Aspekt des Phantas- tischen transportieren. Bei Veronika Darius liest man sogar, dass Böhm seinen Entwurf für die Wallfahrtskirche „Maria, Königin des Friedens“ in Velbert Neviges überarbeiten musste, nachdem man ihm vorgeworfen hatte, mit dem Gebäude ein Paralleluniversum schaffen zu wollen. Gerade diese Eigenschaft der Gebäude Böhms, mit ihrem Anspruch an das Gesamtkunstwerk den Besucher in eine perfekt durchgestaltete Welt zu führen, ist typisch für sein Werk und findet sich bis heute in zahllosen weiteren Entwürfen.

Die Wallfahrtskirche „Maria, Königin des Friedens“ in Velbert Neviges, die im Jahr 1968 geweiht wurde, ist wohl Böhms bekanntestes Werk. Neviges selbst ist ein hübscher kleiner Ort mit alten Fachwerkhäusern und einer Barockkirche. Nähert man sich Böhms Wallfahrtskirche, so sieht man zunächst immer wieder deren merkwürdig zerklüftetes riesiges Betondach wie ein Gebirge über den schwarzen Balken und weißen Flächen der heimelig wirkenden alten Häusern des Örtchens aufragen. Schließlich gelangt man an den Fuß des sogenannten Pilgerweges, der sich, flankiert von einem langgezogenen zweistöckigen Gebäude mit zahllosen runden Erkern auf der linken und der mächtigen Wand einer betonierten Böschung auf der rechten Seite, unter Platanen hindurch bis zum Eingang des riesigen Betonzelts erstreckt. Böhm inszeniert den Aufgang der Pilgerscharen zur Kirche wie eine Prozession und schafft eine Atmosphäre, die den Besucher schrittweise auf das Unglaubliche vorbereitet, das ihn im Inneren erwarten soll. 
 

Mittwoch, 10. Juli 2013

Düsseldorf: Diner en blanc an der Rheinuferpromenade



Scissorella in Scissorella: Das Diner en blanc bot die optimale Gelegenheit, die Bergarbeiterjacke zu reaktivieren, die ich vor einigen Jahren entworfen habe, hier in Kombination mit meiner Lindyhop-Matrosenhose, die ebenfalls von mir stammt.

Das sieht ja aus wie an der Côte d’Azur, meinte eine Dame zu mir, während ich an der Brüstung der Rheinuferpromenade auf meine Picknickgäste wartete. Und tatsächlich fühlte man sich angesichts der langen, festlich gedeckten Tafel, an der hunderte, ganz in weiß gekleidete Leute saßen und den Sommer feierten, in eine Art Märchenreich versetzt.


Am letzten Samstag fand in Düsseldorf zum dritten Mal das Diner en blanc statt, ein Fest, dessen Konzept deutlich über das eines Picknicks hinausgeht. Alle Teilnehmer des Dines erscheinen traditionell in weiß gekleidet, und auch die mitgebrachten Tische, die zu einer langen Tafel zusammengestellt werden, hält man ganz in weiß, inclusive Porzellan und Kerzen. An warmen Sommerabenden trifft man sich zu einer phantastischen Inszenierung und nimmt unter freiem Himmel sein mitgebrachtes Drei-Gänge-Menü ein. Der spannende Aspekt beim Diner en blanc besteht in der Wahl des Orts. Erst kurz vor Beginn der Feier wird über soziale Netzwerke bekannt gegeben, wo genau man sich zum Dinieren trifft, was der so wie so schon verzauberten Atmosphäre einen Hauch des Abenteuers gibt.


Sonntag, 7. Juli 2013

Tomás Saraceno: in orbit

Fotos von Wilfried Meyer

In seiner Auseinandersetzung mit der idealen Architektur verfolgt Tomás Saraceno die Idee der fliegenden Stadt. Neben seinen Skulpturen gelang es Saraceno in den letzten Jahren immer wieder, seine Vorstellung einer gesamten idealen Stadt in die Realität umzusetzen, wie z. B. in Berlin mit der Installation „Cloud Cities“ im Jahr 2011 (Link). 

Mit seinen Installationen, die aus aufblasbaren Sphären, Netzen und spiegelnden Oberflächen bestehen und ausgesprochen futuristisch wirken, bezieht sich Saraceno sowohl auf die Vorgehensweisen von Spinnen aus auch auf die Ideen Richard Buckminster Fullers. So wie es Spinnen gelingt, an ein bereits bestehendes Netz eine zweite ebene anzuknüpfen, so spannt Saraceno für seine Arbeit „in orbit, die die seit dem 21. Juni im K21 zu erleben ist, über dem zwanzig Meter hohen Atrium des ehemaligen Ständehauses in mehreren Ebenen filigrane Stahlnetze auf, zwischen denen sich die Besucher bewegen können. Die Interaktion der Besucher mit seinen Konstruktionen ist Saraceno immer ein Anliegen. Gerade bei „in orbit“ ist es faszinierend zu sehen, wie die in weiße Overalls gekleideten Besucher die Netze und Sphären in Schwingung versetzen und sich nach einem vorsichtigen Herantasten an den Abgrund zunehmend sicherer im Luftraum unter der riesigen Glaskuppel des  Ständehauses bewegen. Und das ist das eigentlich Beeindruckende an Saracenos Arbeit: die Euphorie lässt einen sämtliche Ängste vergessen und man fliegt förmlich in großen weichen Schritten durch die Luft. Man fühlt sich „in orbit“.



Dienstag, 2. Juli 2013

Running the race: NEU BAUHAUS und SCISSORELLA beim B2RUN

Fotos von Jörg Reich

Wilfried Korfmacher und Dustin Stupp im neongelben NEU BAUHAUS Look am Start, Scissorella im SCISSORELLA-Korsett
Sport und gutes Design sind zwei untrennbare Begriffe, beinhaltet doch der Sport selbst schon einen Gestaltungswillen bezüglich des Körpers. Für das Design von Sportkleidung besteht zudem im Idealfall der Anspruch, Eleganz und Geschwindigkeit mit Funktionalität zu verbinden. Von Stella McCartneys Entwürfen für adidas über die schneidigen Schwimm-Outfits der Firma Jantzen aus den Dreißigerjahren kann man zurückgehen bis zu den Olympioniken des antiken Griechenlands, deren Turnkleidung offensichtlich kein Fettpölsterchen kaschierte.


Sport ist, und davon möchte ich nicht abweichen, auch die Grundlage für den vollen Architekturgenuss, da so- wohl ein gewisses Körper- gefühl als auch die eigene Beweglichkeit notwendig ist, ein Verhältnis zum Raum und dessen Proportionen herzustellen, das über den rein visuellen Eindruck hinausgeht. LeCorbusier sah beispielsweise für die Bade- zimmer seiner Wohnanlagen genügend Platz vor, um Fitnessgeräte aufzustellen, sowie weitläufige Grün- flächenflächen zwischen den Gebäuden um sich ganz dem Licht, Luft und Sonne-Ideal zu widmen.