MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

Mittwoch, 28. März 2012

Pierre Koenig: Case Study House # 22, Los Angeles 1960


In manchen Häusern leben wir in unserer Phantasie schon seit vielen Jahren, stellen dort unseren Tisch auf und flüchten uns dorthin, wenn uns unsere eigene Realität zu profan erscheint.

Eines dieser Häuser, das wohl vielen von uns ein imaginärer Zweitwohnsitz ist, ist Pierre Koenigs Case Study House # 22 in den Hügeln Hollywoods, das er in den 50erjahren für das junge Ehepaar Stahl entwarf. Daß das Haus wirklich existiert, konnte ich nie so ganz glauben, auch nicht, wenn ich Shulmans Fotografien betrachtete. Shulman ist schließlich dafür bekannt, Gebäude, die von sich aus schon einem hohen Ideal entsprechen, durch eine geschickte Inszenierung noch idealer darzustellen. Ein hellblauer Pool, ein Glaskasten und eine Betonplatte, die hoch oben über Los Angeles schweben.

Um so surrealer ist es, wenn man den Gebäuden, in denen man gedanklich schon so viel Zeit verbracht hat, dann in Wirklichkeit begegnet, ihre Umgebung sieht, den Weg dorthin entlang läuft, die Luft dort einatmet, sich mit den Leuten unterhält, die in dem Haus leben und einen ein Gefühl der Vertrautheit und gleichzeitiger Überraschung befällt.

Betrachte ich nun zwei Jahre nach meiner Kalifornienreise meine eigenen Fotos des Stahl-Hauses, so will ich wieder nicht so recht glauben, daß ich tatsächlich dort war. Zu unglaublich ist die ganze Geschichte, und dennoch stand ich an einem Sonntagnachmittag im Oktober tatsächlich in dem scheinbar schwebenden Wohnzimmer aus Glas. Durch eine ganz merkwürdige Verkettung von Zufällen war ich dort hingeraten, aber auch dank der sprichwörtlichen amerikanischen Gastfreundschaft und der Tatsache, daß es wohl immer noch ungewöhnlich ist, in Amerika zu Fuß unterwegs zu sein, zudem in Hollywood. Zweimal machte ich mich auf den Weg zu Haus # 22, einmal direkt zu Beginn meiner Reise, wobei ich die Nachbarn der Stahls kennen lernte, und ein zweites Mal kurz vor meine Rückkehr nach Deutschland. Wieder war ich den Hollywood Boulevard entlang gelaufen und an Frank Lloyd Wrights Storer House vorbei die gewundenen Sträßchen den Hügel hinauf marschiert. Wieder empfingen die Nachbarn mich sehr freundlich und dann ergab es sich, daß Familie Stahl tatsächlich zu Hause war und uns zu sich hereinbaten. Carlotta Stahl, die damals zusammen mit ihrem Mann den Entwurf des Hauses bei Pierre Koenig in Auftrag gegeben hatte, saß mit ihrem Sohn Mark und dessen Lebensgefährtin im offenen gäsernen Wohnzimmer und schaute über die Stadt, die unter uns lag und bis zum Ozean reichte.


Ich weiß nicht, wie ich die Atmosphäre beschreiben soll, die dort herrschte, ich kann nur sagen, daß all das helle warme Licht, der hellblaue riesige Himmel um uns, die flirrenden Reflexe im Pool, die filigrane Konstruktion des Hauses und die Tatsache, daß die gesamte Rückseite des Gebäudes aus Glas besteht, die riesige glitzernde Stadt am Fuß des Berges, der Pazifik in der Ferne, daß all das wie ein gebautes Ideal wirkte, wie die perfekte Umsetzung einer Utopie. Zudem Frau Stahl kennen zu lernen, die damals zusammen mit ihrem Mann Buck und Piere Koenig an der Planung des Hauses und der Vorbereitung des als schwer bebaubar geltenden Geländes beteiligt war, war ein unvergeßliches Erlebnis, und ich dachte nur, so sieht man also aus, wenn man ein langes Leben in in einer derart perfekten Umgebung verbracht hat.

Mittlerweile wohnt Familie Stahl nicht mehr in ihrem Haus in den Hügeln, allerdings ist es immernoch im Besitz der Familie und wird für Fotoshootings und Filmaufnahmen vermietet. In unregelmäßigen Abständen jedoch besucht Frau Stahl ihr Case Study House und es war ein riesiges Glück, sie dort getroffen zu haben.

Dienstag, 27. März 2012

Wolfgang Döring: U-Bahnhof Oberbilk/Philipshalle, Düsseldorf 2002


Seit man in Düsseldorf vor Jahren begonnen hat, einen neuen U-Bahntunnel quer durch die Stadt zu bohren, ist die Glitzermetropole nicht unbedingt schöner geworden und zusammen mit der Baugrube des Kö-Bogens verleihen die U-Bahn-Bauarbeiten der Innenstadt einen recht rauhen Nachkriegs-Look. Die einen sehen die Angelegenheit mit Humor (Link), die anderen wollen zumindest Friedrich Tamms’ Tausendfüßler erhalten (Link), einige mussten aufgrund der Dauerbaustellen schon ihre Geschäfte schließen und niemand will die neue U-Bahnline so recht haben. 


Daß man sich in Düsseldorf jedoch tatsächlich darauf versteht, ausgesprochen schöne U-Bahnhöfe zu bauen, das beweisen die drei unterirdischen Haltestellen Handelszentrum/Moskauer Platz, Oberbilker Markt und Oberbilk/Philipshalle, die im Jahr 2002 eröffnet wurden. Letztere verlor kürzlich ihre Bezeichnung, da die namengebende Halle ihren Besitzer gewechselt hat und nun Mitsubishi Electric Halle heißt. Die oberirdischen Schilder wurden bereits abgebaut und ich bange dem Tag entgegen, an dem die Schilder im unterirdischen Bereich gewaltsam aus ihren Fugen gerissen werden. Denn steht man dort am Bahnsteig, vertieft man sich automatisch in die Gestaltung des Raums, in die bis ins Detail aufeinander abgestimmten Proportionen der einzelnen Elemente, und auch die Typografie der Schilder ist perfekt in das harmonische System der Längs- und Querstreifen eingepasst.

Steigt man an der "ehemaligen Philippshalle" aus, wie man das Gebäude mittlerweile nennt, da niemand die holprige Verbindung aus Japanisch, Englisch und Deutsch der "Mitsubishi Electric Halle" über die Lippen bringen will, so ist man von der riesigen Höhe des unterirdischen Raums überrascht, vom hellen glänzenden Weiß der mit Neoparies verkleideten Wände, einem mit Glas beschichteten Kunststein, und von der Eleganz, mit der der graue Granit des Bodens, der Edelstahl von Rolltreppen, Türen und Bänken, das Schwarz der Decke und des Kiesbetts eine Einheit bilden, akzentuert von einigen schlanken, leuchtend roten Informationssäulen und den bereits erwähnten Schildern.


Sonntag, 25. März 2012

Bitumen, Altöl und Kerosin: Comme des Garçons und der Duft des Industriezeitalters


Als ich anfing, mich für die Funktionalität und Schönheit von Industriearchitektur zu begeistern, beschäftigte ich mich zunehmend auch mit Arbeitskleidung. Die Schwarz-Weiß-Kaue war beispielsweise ein wichtiges Thema, in der die Bergarbeiter ihre saubere Kleidung in Körben unter der Decke aufgehängt verwahren um dann in ihrer Arbeitsmontur in die Grube einzufahren. Jahrelang dem Kohlestaub ausgesetzt und immer wieder ausgekocht und geflickt, erreicht schließlich jedes ehemals weiße Wams und jede Hose eine ganz individuelle Färbung.
Bergarbeiter-Anzug: Scissorella, Foto: M. Lutter
Comme des Garçons 2
Ich fuhr mit der Bahn das ganze Ruhrgebiet ab und nachdem ich mich bis dahin vor allem mit der Mode bis etwa 1900 beschäftigt hatte, fesselten mich nun Filme wie „Der Zug“ (John Frankenheimer, 1964) und „Knotenpunkt Bhowani“ (George Cukor, 1956). In letzterem manifestiert eine von Ava Gardner dargestellte, attraktive Halbinderin ihre Zerrissenheit zwischen Tradition und Moderne, indem sie sich uns einerseits in opulenten Saris, andererseits aber auch in straffen 40erjahres-Zugbegleiter-Uniformen in Gefahr begibt.
Zeltplanen-Kostüm: Scissorella, Foto: M. Zimmermann
Clärenore Stinnes Reise mit dem Automobil um die Welt im Jahr 1927 faszinierte mich (Link), U-Boote und Flugzeuge sowieso und bei frischgeteerten Straßen fuhr ich immer etwas langsamer, um in den vollen Genuß der Teerdämpfe zu kommen. Genau so wollte ich auch riechen, aber wie sollte man das anstellen? Eine Mischung aus Teer und Kerosin schwebte mir vor, aus frischem Beton und diesem alten, matt klumpigen Maschinenöl, das besoders gut riecht, wenn die Sonne darauf scheint.

Samstag, 17. März 2012

Matté Trucco: FIAT Lingotto, Turin 1916-23


Nachdem ich hier immer von der modernen Stadt bzw. der Stadt der Zukunft spreche, darf nach Tunnels (Link), Autobahnen (Link), Hochstraßen (Link), Wolkenkratzern und Dachterrassen eines nicht fehlen, und das ist die Teststrecke auf dem Dach.

In turiner Stadtteil Lingotto begann man im Jahr 1916 mit dem Bau einer neuen Produktionsanlage der Fabbrica Italiana Automobili Torino (FIAT) nach den Entwürfen des Architekten Matté Trucco. Was lag dabei näher, als die dort hergestellten Fahrzeuge direkt vor Ort zu testen? Mehrere Rampen ermöglichen es, mit dem Automobil direkt auf das Dach des Gebäudes zu fahren, in dem sich in etwa 30 m Höhe eine 1,2 km lange Teststrcke befindet. Von 1923 - 83 residierte Firma in den Gebäuden. Mit der Schließung des Werks begann der Niedergang des gesamten Viertels und nach anhaltendem Protest der Bevölkerung führte man die Anlage einer neuen Bestimmung zu. Von Renzo Piano stammt ein grün-gläserner Dachaufbau, der die Pinacoteca Giovanni e Marella Agnelli beherbergt, zudem verlagerte man die Fakultät für Ingenieurwesen der Universität von Turin in die Gebäude und eröffnete neben einem Hotel auch ein Einkaufszentrum.

Mittwoch, 14. März 2012

Paul Schwebes: Philipsgebäude, Berlin



Was ist eigentlich zur Zeit los? Warum wird mutwillig alles kaputt gemacht? Natürlich geht es beim Abriß und Umbau von Bauten der Moderne um wirtschaftliche Interessen, das ist mir schon klar, aber ist es nicht möglich, diese Gebäude mit etwas mehr Feingefühl zu betrachten? Ist es denn wirklich preisgünstiger, ein Hochhaus mit einier riesigen neusen Fassade und neuen Innereien zu versehen, als die bestehende Ausstattung aufzuarbeiten, weiter zu nutzen und mit einem subtilen Marketingkonzept an Interessenten zu veräußern, die am Ende der Meinung sind, nun etwas ganz Besonderes, Einzigartiges zu besitzen? Warum kann man diese Bauten der Nachkriegsmoderne, nicht als das sehen, was sie sind? Warum werden an sachlich konstruierte Verwaltungsgebäude Lochblechfassaden mit Blumenmustern angebracht? Las Vegas ist nicht der Maßstab, lasst Euch das nicht einreden. Las Vegas ist eben Las Vegas, da gehören ständiger Umbau und Kulissenarchitektur zum Bild der Stadt. Insofern ist die Glitzermetropole in jedem Fall sehenswert, aber dort herrschen andere Kriterien, als in jeder anderen Stadt, geschweige denn als in Berlin oder Düsseldorf. Dennoch strebt man diesem Ideal des sich ständig und immer schneller wandelnden Outfits in deutschen Groß- und Kleinstädten immer mehr nach.

Montag, 12. März 2012

2nd Steet Tunnel, Downtown Los Angeles, 1924


Typische Stadt-Szenarien, die man für den urbanen Look eines amerikanischen Films einfach braucht, findet man in Downtown Los Angeles auf einigen wenigen Quadratkilometern rund um den Bunker Hill konzentriert. Für Kriminalfilme unabdingbare Backsteingebäude mit Feuertreppen bietet die Gegend en masse und es verwundert nicht, dort immer wieder Kamerateams anzutreffen. Das Bradbury Building aus dem 19. Jahrhundert, das man aus dem „Bladerunner“ kennt, befindet genauso sich in diesem Stadtteil wie das hoch aufragende, weiße Art Déco Gebäude der Townhall (1928), das in „The Adventures of Superman“ erscheint, in „War of the Worlds“ (1953) und unzähligen weiteren TV- und Filmproduktionen.

Als ich im Oktober 2009 zu Fuß durch Downtown schlenderte, war ich überrascht, daß sich sogar DER ultimative Tunnel dort befindet, dessen grün schillernde Fliesen den Rahmen für unendlich viele Verfolgungsjagden und Auto-Werbespots bieten, u.a. für „The Driver“ (1978), für den „Terminator“ (1984, Link) und am elegantesten natürlich für die Szene in „Gattaca“ (1997), in der Vincent und Irene im Elektromobil in eine Kontaktlinsen-Kontrolle geraten.

Sonntag, 11. März 2012

William Pereira: Transamerica Pyramid, San Francisco, 1969 - 72


Das Spannungsfeld zwischen Architektur, Filmarchitektur und Architektur, die als Filmarchitektur verwendet wird, zeigt sich im Werk des amerikanischen Arcitekten William Pereira (1909 - 85) in besonderem Maße. Seine futuristischen Entwürfe der 60er- und 70erjahre wirken wie Realität gewordene Szenarien aus Science Fiction Filme und tatsächlich war Pereira zu Beginn seiner Karriere im Hollywood der Vierzigerjahre als Filmarchitekt aktiv.

Architektur, Nachkriegsmoderne, San Francisco, Kalifornien

Pereira selbst war ein begeisterter Science Fiction Fan und so verwundert es nicht, daß er beim Bau des sogenannten Theme-Buildings beteiligt war, das die Reisenden am Flughafen von Los Angeles begrüßt (Link) oder daß die von Pereira entworfenen Gebäude der University of California, Irvine, im Jahr 1972 als Filmkulisse für „Conquest of the Planet of the Apes“ dienten. Pereiras spektakulärestes Gebäudes ist wohl das der Geisel Libary aus dem Jahr 1970, das er für die University of California, San Diego, entwarf. Der Stahlbeton, Pereiras bevorzugtes Material, scheint hier jeglicher Gravitation entzogen zu sein und auf einer einzigen Säule arrangiert türmen sich die ineinander verschachtelten Stockwerke in den Himmel. Auf der Seite der UC San Diego kann man sich sogar den Originalbericht über den Bau des Bibliothek mit allen technischen Details durchlesen (Link).

Donnerstag, 8. März 2012

Aus den Archiven: Buntes und Vermischtes

Der Winter liegt in seinen letzten Zügen und wehrt sich mit grauem Licht stur gegen seine baldige Abschiebung. Meine Liste an zu fotografierenden Gebäuden wird immer länger und ich warte sehnsüchtig auf das Licht der Frühlingssonne. Um bis dahin aber nicht die Saure-Gurken-Zeit regieren zu lassen und Euch mit Outfit-Posts bei Laune zu halten, will ich nicht über Muffins berichten, über best buys, new ins, me likies und wanna haves, oder gar über Gurkengerichte im Wandel der Zeit. Lieber steige ich hinab ins Archiv und liefere Euch ein paar architektonische Hotspots und Highlights. (Wobei eine Abhandlung über Oscar Wildes Gurken-Sandwiches vermutlich garnicht so verkehrt wäre.) Oder möchte jemand wissen, wie ich in meinem alten Anorak zum Aldi gehumpelt bin und mir einen Sack Kartoffeln gekauft habe? Dann sendet bitte eine Nachricht mit dem Betreff „Best buy/Outfit post“ an die Redaktion.


Manchmal beneide ich die meist weiblichen Blogger schon ein wenig um die Arglosigkeit, mit der sie ihre kulinarischen Errungenschaften thematisieren. Anstatt eines Gurken-Sandwiches gibt es hier also ausnahmsweise einmal ein von der Chefredaktion geschmiertes Quarkbrot zu bestaunen, aber auch nur, weil sich der Vergleich mit Matti Suuronens Futuro (mit original orangefarbener Innenausstattung) förmlich aufdrängt (Link).

LUPO Charity Mode Event im Stadtmuseum Düsseldorf

Von Eric Alexander habe ich mal wieder spektakuläres Bildmaterial zugeschickt bekommen, und zwar waren wir kürzlich im düsseldorfer Stadtmuseum auf einer Charity Gala, die Erics langjähriger Freund und Friseur LUPO zugunsten der Aidshilfe ins Leben gerufen hatte. Dabei wurde das Publikum mit unzähligen Modenschauen und Musikeinlagen überrascht, zudem präsentierte LUPO zusammen mit seinem Team aktuelle Frisurentrends an seinen Models, denen er live on stage die Haare verzauberte. Bei den Schauen begegneten uns u.a. die aktuellen Entwürfe von Rayan Odyll, über den wir bereits hier berichtet haben (Link), und auch Outfits von Senso Unico waren mit von der Partie. Den Senso-Unico-Machern bin ich bereits im Herbst auf der ART.FAIR begegnet und war von ihrer wilden Verarbeitung recycelter Materialien an alten Industrienähmaschinen sofort begeistert (Link).