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Samstag, 26. Januar 2019

Der Bungalow als Symbol der Freiheit - Teil 3 meiner Serie über Paul Schneider Eslebens Haus Riedel in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf


Julia Zinnbauer, Westdeutsche Zeitung Düsseldorf, Paul Schneider-Esleben


Heute in der Wochenendausgabe der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf: Teil drei meiner Serie über den ersten Flachdach-Bungalow von Paul Schneider-Esleben aus dem Jahr 1951

(...) "Von der Parkstraße aus sieht man kaum etwas von dem schmalen langen Haus, das sich in die Tiefe des Grundstücks in Gruiten erstreckt. Umgekehrt sieht man vom Haus aus auch nicht direkt auf die Straße, kein Fenster öffnet sich dort hin. Diese Abgeschlossenenheit zur Straße hin wunderte die Ur-Gruitenener Anfang der 1950er Jahre und eigentlich fehlte ja auch noch das Dach. Die typischen Bergischen Häuser der Region hatte alle ein spitzes Steildach. Das Haus auf der Parkstraße galt im Dorf als so ungewöhnlich wie seine Bewohner. Familie Riedel, die ja aus der Kunst- und Modemetropole Düsseldorf hierher ins ländliche Umland gezogen waren, betrachtete man eine ganze Weile als Exoten und ihren modernen Bungalow bedachte man mit Ausdrücken wie „Möbellager“ und „Gletscherspalte“. Klar, kantig, kristallin und cool war das Haus durchaus. Vor allem aber, und das war das Revolutionäre, vor allem aber hatte es ein flaches Dach.

Als Paul Schneider-Elseben im Jahr 1951 Riedels Bungalow entwarf, war ein Flachdach auf einem deutschen Wohnhaus sowohl eine symbolträchtige Aussage als auch eine technische und rechtliche Herausforderung. Für sich selbst hatte der Architekt noch ein Haus mit Spitzdach geplant und tatsächlich war das Gebäude in Gruiten sein erster Entwurf eines modernen Flachdach-Bungalows. Mehr als zehn Jahre später beabsichtigte Ludwig Erhard mit der Architektur Kanzlerbungalows u.a. auch, das gute Verhältnis seines Landes zur den Vereinigten Staaten von Amerika zu demonstrieren. Über die politische Dimension hinaus galt Amerika als das Land der Freiheit und des Individualismus und in keiner anderen Gebäudeform manifestierten sich diese Begriffe so perfekt wie im Bungalow.

Im Gruiten des Jahres 1951 war Schneider-Esleben mit seiner Idee eines Flachdach-Bungalows seiner Zeit jedoch weit voraus. Dass er mit sienen zukunftsweisenden Überlegungen Erfolg hatte, das hatte er kurz zuvor mit seinem Entwurf der Hanielgarage bewiesen, die einzig aus einem filigranen Betongerippe, einer Glasfassade und zwei an Drahtseilen aufgehängten, elegant geneigten Rampen besteht. Um die Mitarbeiter des Bauamtes Haan-Gruiten zu überzeugen, musste sich Schneider-Esleben jedoch etwas anderes einfallen lassen als ihnen eine große Vision von Zukunft, Fortschritt und kalifornischer Lässigkeit zu präsentieren. Ganz pragmatisch argumentierte der Architekt, er würde zuerst einmal eine Massivdecke planen, als Basis für ein weiteres Stockwerk, das erst später aufgesetzt würde. Auf diese Decke wollte er ein vorläufiges, flachgeneigtes Satteldach auflegen. Zu dieser Maßnahme sähe er sich gezwungen, da es sich bei den Auftraggebern um eine junge Familie mit beschränktem Budget handelte. Beim Bauamt reichte er einen Plan ein, auf dem das Steildach mit einer gestrichelten Linie eingezeichnet war. Unter der Bedingung, dass das Steildach zu einem späteren Zeitpunkt aufgesetzt werde, erteilte man ihm schließlich die Baugenehmigung. Tatsächlich ragen auf Riedels Grundstück bis heute einzig die hohen alten Bäume in den Himmel. Das gestrichelt eingezeichnete Steildach wurde nie gebaut. (...)

Julia Zinnbauer, Westdeutsche Zeitung Düsseldorf, Paul Schneider-Esleben