MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

Montag, 8. Februar 2016

HEIMATPLAN. Brutalismus und die Architektur der Nachkriegsmoderne in der Galerie GRÖLLE pass:projects, Wuppertal





Eine Ausstellung über die Sicht zeitgenössischer Künstler auf die Architektur der Nachkriegsmoderne - zusammengestellt von Julia Zinnbauer.

23.01.2016 - 13.03 2016


Matias Bechtold (Berlin)
Chris Dreier (Berlin)
Bert Didillon (Köln)
Gary Farrelly (Dublin/ Brüssel)
Lothar Götz (London)
Alekos Hofstetter & Florian Göpfert (Tannhäuser Tor, Berlin)
Pablo de Lillo (Oviedo/Gijon)
Julia Zinnbauer (Düsseldorf)


Galerie GRÖLLE pass:projects
Friedrich-Ebert-Straße 143e
D-42117 Wuppertal
fon +49 (0)1732611115
www.passprojects.com
WED - FRI 4 - 7 PM / SAT 11 - 3 PM
Schwebebahn: Haltestelle Pestalozzistraße



Links: Zeichnungen von Lothar Götz, rechts die Arbeit "KM 1" von Matias Bechtold
























 


Architekten haben eine ganz bestimmte Sicht auf die Architektur der Nachkriegsmoderne. Kunsthistoriker haben wiederum einen anderen Blick auf die Gebäude dieser Epoche. Und das Feuilleton hat neben den reinen Fakten zumindest eine Meinung dazu, von totaler Ablehnung zu einer beinahe schon romantisierenden Begeisterung. Wie aber sehen Künstler die Architektur dieser Zeit? Wie gehen sie mit den Formen, den Materialien und vor allem den Ideen um, die hinter den Flughäfen, Bungalows, Swimmingpools, Verwaltungsgebäuden und Satellitenstädten aus Glas, Beton, Aluminium und Stahl stehen? Auf diese Frage geht die Ausstellung „Heimatplan“ ein, die zurzeit in der Galerie GRÖLLE pass:projects in Wuppertal zu sehen ist.
 
Die Idee zur Ausstellung
Der Ausgangspunk des Projekts „Heimatplan“ liegt im Besuch des Galeristen Jürgen Grölle der Ausstellung über den Architekten Paul Schneider von Esleben, die das Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW im August letzten Jahres in Düsseldorf organisiert hat. Durch die Lektüre meines Blogs und durch mein ständiges Hinweisen auf die eine oder andere Betonkirche aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war Jürgen Grölle durchaus mit dem Thema vertraut. Die Auseinandersetzung mit dem kunstsinnigen Architekten Schneider von Esleben und der Verbindung, die durch dessen Architektur zwischen den Städten Düsseldorf und seiner Heimatstadt Wuppertal besteht, hat den Galeristen schließlich so von der Thematik eingenommen gemacht, dass er beschloss, mit mir zusammen eine Ausstellung über die Sicht zeitgenössischer Künstler auf die Architektur der Nachkriegsmoderne zu konzipieren.


Dienstag, 2. Februar 2016

HEIMATPLAN. Die Eröffnung unserer Ausstellung in der Galerie GRÖLLE pass:projects in Wuppertal




Von links: Jürgen Grölle, Alekos Hofstetter, Chris Dreier, Julia Zinnbauer, Gary Farrelly, Florian Göpfert vor Fotografien von Chris Dreier (Foto: U. Zinnbauer)

Ein umfassender Bericht über unsere Ausstellung "Heimatplan" (Link), die seit dem 23. Januar in der Galerie GRÖLLE pass:projects (Link) in Wuppertal zu sehen ist, folgt hier in Kürze. Hier erst einmal einige Momentaufnahmen der Eröffnung. Es war spektakulär, es war voll und es war überwältigend. Einen Dank an alle, die mit uns die Architektur der Nachkriegsmoderne und die Kunst gefeiert haben!








Sonntag, 31. Januar 2016

Paul Schneider von Esleben - Das Erbe der Nachkriegsmoderne. Die Ausstellungseröffnung in der Stadtsparkasse Wuppertal




Die sehnsüchtig erwartete Fortsetzung der Ausstellung „Paul Schneider von Esleben – Das Erbe der Nachkriegsmoderne“ des M:AI (Link), die im August letzen Jahres ihren Ausgangspunkt in Düsseldorf hatte (Link), wird nun in Wuppertal fortgesetzt. Nachdem sie zunächst in Düsseldorf im Mannesmann Hochhaus gastiert hatte, ist die aufwändig gestaltete Ausstellung seit dem 20. Januar im Foyer der Stadtsparkasse Wuppertal zu sehen. Wie das Mannesmann Hochhaus stammt auch das Gebäude der Stadtsparkasse Wuppertal von Paul Schneider von Esleben.

Nur wenige Tage vor der Ausstellungseröffnung war das gesamte Gebäudeensemble, das aus dem markant über der Stadt aufragenden Verwaltungsturm, einem Kundenzentrum und einem Parkhaus besteht, unter Denkmalschutz gestellt worden. Am Eröffnungsabend war die Stimmung dementsprechend umso euphorischer.

Nachdem die Leiterin des M:AI, Frau Dr. Ursula Kleefisch-Jobst, über das Leben und Werk des Düsseldorfer Architekten gesprochen hatte, hielt Historiker Michael  Okroy einen umfassenden Vortrag über die Entwicklung Wuppertals zur autogerechten Stadt und ging dabei auch auf die aktuellen Geschehnisse rund um den Döppersberg ein. Eine Fahrt hinauf in das gläserne Penthouse des futuristischen Gebäudes und der Blick über die nächtliche, im Tal funkelnde Stadt war darüber hinaus einer der Höhepunkte des Eröffnungsabends.

Bis zum 24. Februar 2016 kann die Ausstellung in der Stadtsparkasse Wuppertal am Islandufer noch besichtigt werden.

Dienstag, 19. Januar 2016

HEIMATPLAN. Eine Ausstellung über die Sicht zeitgenössischer Künstler auf die Architektur der Nachkriegsmoderne in der Galerie GRÖLLE pass: projects Wuppertal

Foto: Chris Dreier























Galerie Grölle pass:projects präsentiert

>> HEIMATPLAN <<

Eine Ausstellung über die Sicht zeitgenössischer Künstler auf die Architektur der Nachkriegsmoderne - zusammengestellt von Julia Zinnbauer.

Herzliche Einladung zur Ausstellungseröffnung am Samstag, dem 23.01.2016 um 19:00 Uhr


Mit Arbeiten von

Matias Bechtold (Berlin)
Chris Dreier (Berlin)
Bert Didillon (Köln)
Gary Farrelly (Dublin/ Brüssel)
Lothar Götz (London)
Alekos Hofstetter & Florian Göpfert (Tannhäuser Tor, Berlin)
Pablo de Lillo (Oviedo/Gijon)
Julia Zinnbauer (Düsseldorf)


Galerie GRÖLLE pass:projects
Friedrich-Ebert-Straße 143e
D-42117 Wuppertal
fon +49 (0)1732611115
www.passprojects.com
WED - FRI 4 - 7 PM / SAT 11 - 3 PM
Schwebebahn: Haltestelle Pestalozzistraße


Heimatplan

Der schmale elegante Turm der Stadtsparkasse Wuppertal überragt in seiner ungewöhnlich technischen, futuristisch wirkenden Form die gesamte Stadt und hebt sich deutlich von den Gründerzeitgebäuden der Industriemetropole ab. Beinahe von der ganzen Stadt aus ist das raumkapselartige Penthouse des Gebäudes zu sehen, von den waldigen Hängen des Bergischen Landes aus, von der Autobahn, die die Stadt an Düsseldorf und Köln anschließt und natürlich auch von der Schwebebahn aus, die am Fuße des markanten Turms vorbei rauscht und ein nicht weniger visionäres Wahrzeichen Wuppertals darstellt. Die Ausstellung „Heimatplan“, die am 23. Januar in der Galerie GRÖLLE pass:projects eröffnet wird, zeigt den Blick zeitgenössischer Künstler auf die Architektur der Nachkriegsmoderne (Link).

Die Architektur der Nachkriegsmoderne
Überall in Europa entstanden in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg Gebäude aus einem ganz ähnlichen Geist heraus wie der Turm der Stadtsparkasse. Die Architekten, die die zerstörten Städte wieder aufbauten, ganze Viertel und Zentren neu anlegten und eine neue Infrastruktur planten, verfolgten dabei ganz bestimmte Ideale. Es ging ihnen um das Umsetzen demokratischer Ziele, um menschenwürdiges Wohnen, um Transparenz und Eleganz und vor allem um einen optimistischen Glauben an die Zukunft. Neu entwickelte Materialien und Techniken aus der Luft- und Raumfahrt ermöglichten zudem innovative Gebäudeformen und nicht selten eine sehr skulpturale Herangehensweise.Die Architektur der Nachkriegsmoderne reicht in ihrer Bandbreite von streng funktionalen Modulbauten, Rasterfassaden und vermeintlich spröder Zweckarchitektur über futuristisch wirkende Space-Age-Konstruktionen bis hin zur rauen Opulenz brutalistischer Betonbauten.

Die heutige Sicht auf die Nachkriegsmoderne
Viele Gebäude dieser Epoche verschwinden heute beinahe unbemerkt aus dem Stadtbild, oftmals ohne Widerspruch der Bevölkerung. Andere werden im Rahmen des Bauens im Bestand bis zur Unkenntlichkeit modifiziert. Dabei geht gerade das, was das Charakteristische dieser Bauten ausmacht, verloren: die eleganten Proportionen, die aus dem Zusammenspiel von Linien und Flächen entstehen, die subtilen Details der Gestaltung, die sich beispielsweise in der Verbindung von Oberflächen und Fugen zeigen, bis hin zu den ganz typischen Materialien und Farben dieser Zeit. Einige wenige Gebäude, wie das der Stadtsparkasse Wuppertal, werden in ihrer Besonderheit geschätzt und unter Denkmalschutz gestellt. Oftmals jedoch sind sie großer Unkenntnis und Ignoranz ausgesetzt.

Wir leben in einer Zeit, in der man infolge einer riesigen Bilderflut wohlwollend auf alle möglichen Stile und Epochen zurückblickt. In den Bereichen Mode, Film und Architektur spielt der Retrogedanke seit Jahren eine große Rolle. Wie kann es jedoch sein, dass ausgerechnet die Architektur der Nachkriegsmoderne derart in Gefahr ist? Was ist aus den Utopien dieser Zeit geworden und wer glaubt heute noch an sie? Worin liegt die Schönheit der Gebäude, die in diesem Zusammenhang entstanden sind?

Heimatplan. Eine Ausstellung in der Galerie GRÖLLE pass:projects
Die Künstler der Ausstellung „Heimatplan“ stellen genau diese Fragen. So unterschiedlich sie sich in ihrem jeweiligen Medium mit den Formen und Idealen der Nachkriegszeit auseinandersetzen, so haben sie dennoch eine große Gemeinsamkeit. Allesamt sind sie geprägt von der Begeisterung für die architektonische Bildsprache der Nachkriegsmoderne. Sie betrachten die verschiedenen Gebäude dieser Epoche in ihrem kunst- und kulturgeschichtlichen Zusammenhang, stellen Bezüge zu städtebaulichen und gesellschaftlichen Fragen her, sehen aber auch das Phantastische in der Architektur dieser Jahre und die Verbindung zu Science-Fiction-Filmen, Sputnik-Schock und Mondlandung. 

„Heimatplan“ stellt die Bedeutung der Nachkriegsarchitektur in unserer heutigen Zeit heraus und lässt die ganz besondere Schönheit dieser Gebäude sichtbar werden.

Ausgangspunkt der Ausstellung ist der 100. Geburtstag des Architekten Paul Schneider von Esleben im Jahr 2015 und sein Entwurf für die Stadtsparkasse Wuppertal. Wie die einzelnen Künstler des Projekts „Heimatplan“ ihre Identifikation mit dem Geist der Moderne jeweils umsetzen, ist ab dem 23. Januar 2016 in der Galerie GRÖLLE pass:projects in Wuppertal zu sehen.

Zu weiteren Informationen geht es hier entlang: www.groelle.de, darüber hinaus kündigt auch das M:AI die Ausstellung "Heimatplan" in einem opulenten Artikel auf seiner Seite an (Link).

Ab dem 20. 01. 2016 ist zudem der zweite Teil der Ausstellung "Paul Schneider von Esleben - Das Erbe der Nachkriegsmoderne" des M:AI in der Stadtsparkasse Wuppertal zu sehen (Link).

Im April 2016 findet dann unter dem Titel  „Neue Heimat“ eine weitere Ausstellung zum Thema Nachkriegsmoderne in der Galerie weißer elefant in Berlin statt, die im  Zusammenhang mit dem Projekt „Heimatplan“ entsteht.

Montag, 18. Januar 2016

Paul Schneider von Esleben - Das Erbe der Nachkriegsmoderne. Teil 2 der Ausstellung des M:AI in der Stadtsparkasse Wuppertal




Immer vor Ort. Nie am selben.“ So lautet der Wahlspruch des M:AI (Link), des Museums für Architektur und Ingenieurkunst NRW. Zum Konzept des Museums gehört es, dass die Ausstellung des M:AI immer in außergewöhnlichen Gebäude stattfinden, die thematisch mit dem jeweiligen Projekt in Verbindung stehen. Die Ausstellung des M:AI über Paul Schneider von Esleben anlässlich des 100. Geburtstags des Architekten erstreckte sich im August letzten Jahres über die gesamte Heimatstadt des Düsseldorfers hinweg (Link). So erfuhr man nicht nur in Schneider von Eslebens Mannesmann Hochhaus über dessen Leben und Werk, sondern auch in der Architektenkammer NRW und in der Rochuskirche.

In Wuppertal findet nun der zweite Teil der Ausstellung statt, natürlich in einem weiteren spektakulären Gebäude Paul Schneider von Eslebens, dem weithin sichtbaren Ensemble der Stadtsparkasse Wuppertal am Islandufer.

Nach dem Entwurf für das Mannesmann Hochhaus in den Fünfzigerjahren avancierte Schneider von Esleben bald zum Hochhausexperten. In den Sechzigerjahren entwarf er für Düsseldorf zunächst das Commerzbank Hochhaus (1961 – 63) und das ARAG-Gebäude (1963 – 67) und wandte sich dabei zunehmend dem Einsatz von Beton zu. Zwischen 1969 und 1973 entstand dann das dreiteilige Gebäude der Stadtsparkasse Wuppertal , das nun gerade kürzlich, rechtzeitig zu der Eröffnung der Ausstellung, unter Denkmalschutz gestellt wurde.

Dabei berief man sich auf die innovative Konstruktion des Verwaltungsturms bzw. des gesamten Ensembles, auf die typologisch neuartige Kombination aus Kunden- und Verwaltungszentrum und auf die Bedeutung des markanten Turms für die gesamte Stadtsilhouette. Das Besondere an dem 75 Meter hohen Verwaltungsturm liegt darin, dass in einem ersten Schritt zunächst ein Betonkern gegossen wurde, in dem sich die Treppen- und Aufzugsschächte befinden, und dann in einem weiteren Arbeitsschritt die einzelnen Etagen von ober nach untern an diesen Kern angehängt wurden. Auf diese Weise schuf Schneider von Esleben neunzehn Etagen, die allesamt keine tragenden Säulen oder Pfeiler benötigen und deren Flächen somit frei einteilbar sind. Diese Form der Hängekonstruktion, die sich auch in Egon Eiermanns Olivetti-Häusern in Frankfurt und in den Gebäuden des Rathauses in Marl wiederfindet, geht auf die Erfindung zweier Wuppertaler Architekten zurück, auf die Brüder Bodo und Heinz Rasch, wobei letzterer bis zu seinem Tod in einem Haus am Döppersberg wohnte, nicht weit vom Islandufer entfernt.

Flankiert wird der Verwaltungsturm auf der einen Seite von einer Parkgarage mit auffälligen Spindeltreppen und auf der anderen Seite von einem Flachbau, der nach dem gleichen Hängeprinzip konstruiert wurde und das Kundenzentrum enthält. Ganz im Sinne des zukunftsweisenden Gebäudearrangements, das sich deutlich vom gesamten Stadtbild Wuppertals abhebt, beauftragte Paul Schneider von Esleben zudem den Krefelder Künstler Adolf Luther mit dem Entwurf einer Plastik. Über die gesamte Rückwand des Kundenzentrums hinweg erstreckt sich somit ein (ehemals) kinetisches Objekt, das aus Adolf Luthers typischen Glaslinsen besteht. In Form von insgesamt vierundvierzig Stelen drehten sich Luthers riesige reflektierende Glasobjekte ursprünglich um ihre eigene Achse und verbreiteten ein schillerndes Licht in der Schalterhalle. Die Dynamik ist generell ein wichtiges Thema im Werk Paul Schneider von Eslebens. Wie beim Gebäude für die Commerzbank Düsseldorf verfügte auch das des Stadtsparkasse Wuppertal einen Drive-in-Schalter für ganz eilige Kunden.


Dienstag, 5. Januar 2016

Literatur und Architektur - Teil 2: Max Frisch - Das Letzibad in Zürich (1942 - 49)



Im Werk des Schweizer Schriftstellers Max Frisch ist die Frage nach der eigenen Identität eines der zentralen Themen. In "Homo faber", Frischs bekanntestem Roman (1957), geht es darum, wie das gesamte sorgsam konstruierte Weltbild eines Ingenieurs in wenigen Wochen auseinanderfällt. Durch eine schicksalhafte Verkettung von Ereignissen und Begegnungen stellt die Titelfigur Walter Faber sein bisheriges Leben in Frage und ist gezwungen, sich selbst ganz neu zu definieren. Bereits einige Jahre zuvor hatte Max Frisch in "Stiller" beschrieben, wie der Protagonist hartnäckig behauptet, eine ganz andere Person zu sein, obwohl ihn sein gesamtes Umfeld als den Stiller identifizieren kann, den es seit Jahren kennt. In "Mein Name sei Gantenbein" aus dem Jahr 1964 erfindet sich die Hauptperson schließlich immer wieder neue Identitäten, die er der Reihe nach anprobiert "wie Kleider". Das Material, mit dem Max Frisch all diese verschiedenen Persönlichkeiten erschafft, ist eine Sprache die zwischen sachlich-nüchtern und plastisch-opulent jede Nuance abdeckt. 

Mit dem ehemaligen Bademeister des Letzibades und jetzigen Leiter des dortigen Kunstvereins, Pierre Geering, auf der Betontreppe von Max Frischs Pavillon (Foto: Jürgen Grölle)
















Max Frisch als Architekt
Max Frisch selbst konnte sich über eine lange Zeit hinweg hinweg nicht entscheiden, ob er sich als Schriftsteller oder als Architekt definieren sollte. Als im Jahr 1949 in Zürich das Letzibad eröffnet wurde, das nach seinen Entwürfen gebaut worden war, hatte er bereits verschiedene Versionen seiner selbst ausprobiert. Enttäuscht von seinem abgebrochenen Germanistikstudium, hatte er sein Geld zunächst als Journalist verdient und war dann dem Vorbild seines Vaters gefolgt, um Architektur zu studieren. Im Jahr 1943 gewann er schließlich im Alter von zweiunddreißig Jahren den Wettbewerb für den Entwurf des Letzibades. Während der kriegsbedingt langen Bauzeit der Badeanlage folgte Max Frisch jedoch schon wieder seiner Doppelexistenz und schrieb mehrere Theaterstücke. Er erlebte somit gleichzeitig den Bau seines Bades und die Aufführung seiner Stücke in Zürich. Mit dem Fahrrad fuhr er zwischen Theater und Strandbad hin und her (Link) und war beeindruckt von der Umsetzung seine Ideen sowohl durch Schauspieler als auch durch Bauarbeiter. Im Verhältnis  zwischen dem Schreiben und dem Entwerfen von Gebäuden sah er nicht so sehr eine Spannung zwischen Theorie und Praxis, sondern war eher fasziniert von den verschiedenen Arten reflektierten Tuns. Insgesamt verfolgte er diese Form von Doppelexistenz über zwanzig Jahre hinweg.

Mittwoch, 9. Dezember 2015

Literatur und Architektur - Teil 1: Gabriele d'Annunzio und Giancarlo Maroni am Gardasee - Riva del Garda, la Città dell'Elettricità







 

Das Städtchen Riva del Garda habe ich zum ersten Mal vom Wasser aus gesehen. Tagelang waren wir mit dem Segelboot über den Gardasee gerauscht, hin und her, immer diagonal zum Wind, bis hin zu der Felsnase, die bei Limone in den See ragt, und wieder zurück, hin und her und hin und her, weit unterhalb der steil über dem glitzernden Wasser aufragenden, mattgrauen Felsmassen. Dann blieb der Mittagswind, die Ora, eines Tages aus. Wir fuhren immer langsamer und die Tage des exzessiven Durch-die-Gischt-Schießens waren zunächst einmal vorbei.







Vom Boot aus ist mir beim Segeln immer ein mächtiges gelbes Gebäude aufgefallen, dessen massive Form die viel filigraner wirkenden Häuser Rivas weit überrragte. Es erinnerte mich an die großen alten Elektrizitätswerke, die ich aus dem Ruhrgebiet kannte, wie beispielsweise das Köppchenwerk am Hengsteysee (Link). Wir lenkten unseren Flying Dutchman in den Hafen von Riva, wo schlanke Segelboote zwischen eleganter Dreißigerjahresarchitektur auf dem klaren Wasser wippten. Ganz vorne, an der Einfahrt des kleinen Hafens, grüßte ein schmaler, schlanker Art-Déco-Sprungturm auf den See hinaus. Alles schien filigran, flirrend, hell und mondän. Eine Mischung aus "Zauberberg" und "Nur die Sonne war Zeuge". 
 

Mittwoch, 11. November 2015

Mit dem Flying Dutchman im Goldenen Schnitt über den Gardasee


Verschiedene Daseins- und Ausdrucksformen allzu streng voneinander zu trennen, sie in Kategorien einzuteilen und sie am Ende in eine wertende Reihenfolge zu bringen, finde ich oft ein wenig unaufregend. Dagegen bin ich um so begeisterter, wenn sich auf einmal ganz viele verschiedene Elemente miteinander verbinden und einzelne Kunstformen wie Literatur, Architektur, alle Arten von Bildern, Mode, Bildhauerei, Choreographie, aber auch das Leben selbst, das Anekdotische, Menschliche, die Landschaft, die Bewegung und die Geschwindigkeit plötzlich ein überwältigendes Ganzes bilden, ein Gesamtkunstwerk. Nach Oscar Wilde ist das Leben selbst das größte Kunstwerk, das es zu gestalten gilt, die ganz große Inszenierung.



Vor kurzem habe ich genau so einen Zusammenschluss vieler verschiedener und allesamt vollkommener Einzelelemente erlebt, ein dreidimensionales, perfektes Bild, durch das ich mich in Pfeilgeschwindigkeit hindurchbewegt habe, im glitzernd reflektierten Licht des Sommers. Ich bin in einem Segelboot über den Gardasee gefahren, in einem weißen Flying Dutchman aus Carbon.

In aufeinanderfolgenden Worten kann man die Situation beinahe gar nicht beschreiben. Stattdessen bedarf es einer absoluten Gleichzeitigkeit, einer Überlagerung der Worte, Bilder und Eindrücke, etwas wie die Gischt selbst, durch die man hindurch schießt, die einem ins Gesicht klatscht und einem in der majestätischen Gebirgslandschaft die Perfektion des Augenblicks vergegenwärtigt – das sich auf den Moment verdichtete Leben.

Dienstag, 10. November 2015

www.SCISSORELLA.de wird sieben!




Zum siebten Geburtstag meines Blogs habe ich es endlich geschafft. Ich sitze mit einem Milchkaffee und einem MacBook in einem berliner Café und korrespondiere mit der Weltöffentlichkeit. Draußen wartet der taubenblaue Kunsttransporter auf mich. Oder ist das nur die stets beschworene Internet-Illusion und das zünftige Kartoffel-Omelett am vorderen Bildrand ist nur geliehen? Auf jeden Fall wünsche ich meinem Blog und all seinen treuen und fachkundigen Lesern alles Gute und verspreche, dass es hier bunt und glamourös weitergeht. 

Auf die Zukunft und auf die Vergangenheit! 

Fotos: J. Grölle

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Apollo in meinem Atelier. Heinz Mack im Museum Küppersmühle in Duisburg

Heinz Mack in seiner eigens für die Ausstellung angefertigten Arbeit "Raum für Apollo".


Heinz Mack kämpft für das Schöne und bleibt dabei unbeirrt von Moden, Zeitströmungen und den Entwicklungen des Kunstmarkts. In seinem Bestreben, dem Elend der Welt etwas Schönes entgegen zu stellen, präsentiert er seit dem 21. Oktober im Museum Küppersmühle (Link) in Duisburg bisher ungezeigte Skulpturen, Gemälde und kinetische Lichtobjekte unter dem Titel „Apollo in meinem Atelier“.

Das Schöne ist nicht tot, es ist nur scheintot
Im Katalog zur Ausstellung erläutert Mack sein Verhältnis zur Schönheit in dem Aufsatz „Das Schöne ist nicht tot, es ist nur scheintot“ aus dem Jahr 1994 und bedauert dabei, dass der Begriff des Schönen in der zeitgenössischen Kunst keine Rolle mehr spielt. Für Mack selbst sind das Schöne und die Kunst zwei untrennbare Begriffe und er beschreibt in seinem Text, wie sich die Sicht auf das Schöne seit den griechischen Philosophen entwickelt hat, bis hin zur heutigen Bilderflut. Er zitiert Heraklit, Aristoteles und Plato in ihrem Streben nach Harmonie und einer Einheit von Inhalt und Form. Er geht auf Schiller ein und auf dessen Überlegung, dass es die Kunst ermöglicht, die Materie zu überwinden und den Menschen so aus deren kausalen Zwängen zu befreien und wie durch diese Entstofflichung die Schönheit zum Vorschein kommt. Heute dagegen sei in der Kunst alles erlaubt, verbindliche Werte existierten nicht mehr und anstatt einer Antwort auf die Frage, was Kunst denn nun ist, herrsche nur ein Überangebot an Kunst, eine inflationäre Kulturindustrie. Alles dürfe heute zitierbar und deformierbar sein, alles sei austausch- und kombinierbar. In diesem „hemmungslosen Bildterror“ so Mack, sei der Künstler dazu gezwungen, eine so eigene Bildsprache zu entwickeln, dass oftmals keinerlei Verbindung mehr zum bekannten Natur- und Menschenbild zu erkennen sei.

Heinz Mack kämpft für das Schöne
Bei der Pressekonferenz anlässlich der Ausstellungseröffnung im Museum Küppersmühle gab sich Heinz Mack kämpferisch wie immer. Er ärgerte sich darüber, dass das Schöne in der Kunstwelt heute ein Tabu ist, vor allem bei Intellektuellen. Für ihn selbst sei das Schöne eine Möglichkeit, dem Elend der Welt etwas entgegen zu stellen und er versprach, seine Möglichkeiten dahingehend bis an seine Grenzen auszuschöpfen. Das, was er im Katalog philosophisch fundiert ausgearbeitet hatte, schleuderte er seinen Zuhörern nun so energisch wie bildhaft entgegen. Das Schöne existiert doch, meinte er, das könne man nicht verneinen. Seine Tochter z.B. sei doch wirklich schön, da habe es schließlich überhaupt keinen Sinn, das Gegenteil zu behaupen. Spätestens bei der Ausstellungseröffnung am gleichen Abend, zu der Mack mit Tochter erschien, konnte man sich davon überzeugen.


Apollo in meinem Atelier
Heinz Mack, der sich seit seiner Zeit als Gründungsmitglied der Gruppe ZERO auf unterschiedlichste Weise mit dem Phänomen Licht auseinandersetzt, sieht im griechischen Gott Apollo den idealen Verbündeten. Homer beschreibt Apollo als den Gott der Künste und des Lichts, er ist der Glänzende, Strahlende, Leuchtende und so widmet ihm Mack im Rahmen seiner Ausstellung auch eine begehbare Arbeit, den vielfarbigen „Raum für Apollo“. Die neun glitzernden, das Licht brechenden Rotoren, die in der Küppersmühle zu sehen sind, würden Apollo vermutlich ebenso begeistern, wie die zahllosen Skulpturen und Gemälde Macks. Tatsächlich hatte Mack seit 1963 der Leinwand den Rücken gekehrt und stattdessen über Jahrzehnte hinweg mit Plexiglas, spiegelnden Flächen, Marmor, Metall, Feuer und dem Licht selbst in all seinen Erscheinungsformen experimentiert, war in die Wüste gereist, um seine Arbeiten der grellen Sonne auszusetzen und in die Arktis, bis er schließlich ab dem Jahr 1991 wieder malte: Chromatische Konstellationen.




Das geheimnisvolle Leuchten
Das Besondere an der Ausstellung im Museum Küppersmühle liegt darin, dass Apollo die dort gezeigten Arbeiten durch seine Atelierbesuchen bei Heinz Mack zwar bereits kennen mag, sie für die Öffentlichkeit allerdings bisher noch nie zu sehen waren, und das nach dreihundert Einzelausstellungen des Künstlers.  Das geheimnisvollste und schönste Objekt der Ausstellung ist vielleicht das Lichtprisma, dessen Sterne und Neonbögen immer wieder aufleuchten und verschwinden. Und im Geheimnisvollen liegt laut Mack schließlich ebenfalls etwas, was in der Kunst erhalten werden muss.



Freitag, 16. Oktober 2015

Der gekaufte Traum - Helga Reidemeisters Filme über das Märkische Viertel



Die großen Hochhaussiedlungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg überall in Europa an den Stadträndern entstanden, wurden von Anfang an scharf kritisiert. Die junge Filmemacherin Helga Reidemeister machte sich ab den späten 60erjahren ein ganz eigenes Bild vom Leben an der Peripherie, stand über Jahre hinweg in engem Kontakt zu den Bewohnern des Märkischen Viertels und drehte schließlich mehrere Dokumentarfilme über die Großwohnsiedlung im Nordwesten Berlins. Die Fotos, die Helga Reidemeister in diesem Zusammenhang aufnahm, sowie auch einige ihrer Filme aus dieser Zeit, sind noch bis zum 18. Oktober in vor Ort im Märkischen Viertel zu sehen, in der Viertelbox (Link).

Die Großwohnsiedlung am Stadtrand
Das Märkische Viertel, das in den 60er- und 70erjahren im Nord-Westen Berlins nach Plänen von Christian Müller und Georg Heinrichs angelegt wurde (Link), musste von Anfang an mit seinem Image kämpfen. Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte in Berlin ein großer Mangel an Wohnraum und sowohl in der Innenstadt als auch in dem ursprünglich sumpfigen Gebiet bei Reinickendorf, wo die neue Hochhaussiedlung entstehen sollte, lebte man in Baracken und Notunterkünften. Um der Wohnungsnot Herr zu werden, wurden schließlich sogar Gebäude abgerissen, die die Bombardements und Kriegswirren überstanden hatten, zugunsten von riesigen, neu gebauten Wohnanlagen, wie beispielsweise das Kottbusser Tor in Kreuzberg. Diese Abrisse ganzer Areale in Verbindung mit der Umsiedlung von Leuten aus ihrem gewohnten Umfeld in zunächst gleichförmig und steril wirkende Wohnblocks, die sich im schlimmsten Fall weit außerhalb der Stadt befanden, sorgten damals für Kritik und Protest. Zusätzlich zu der Entfernung der neuen Wohngebiete wie dem Märkischen Viertel, Marzahn oder der Gropiusstadt zu den lebendigen, gewachsenen Zentren Berlins, kam die anfängliche Kargheit, die die neuen Gebäude umgab. Die geplanten Grünflächen mussten schließlich erst noch zu einem harmonischen Gesamtbild zusammenwachsen und das Bild von Kindern, die auf kargem Beton spielten, prägte sich im kollektiven Gedächtnis ein. Bis heute spricht man Satelliten- und Trabantenstädten ihre Wohnlichkeit ab und kritisiert die mangelnde Lebensqualität in den Hochhaussiedlungen an den Rändern großer Städte. 


Donnerstag, 15. Oktober 2015

Interbau 1957: Paul Schneider von Esleben im Hansaviertel, Berlin



Der 100. Geburtstag des Architekten Paul Schneider von Esleben und die damit einhergehenden Ausstellungen in Düsseldorf (Link) liegen nun schon einige Wochen zurück. Die Schneider-Esleben-Begeisterung, der auf dieser Seite mittlerweile schon seit vielen Jahren Raum gegeben wird (Link), reißt hier natürlich auch weiterhin nicht ab. So lag es bei meinem letzten Besuch in Berlin nahe, auch dort ein Gebäude des Düsseldorfer Architekten zu besuchen, und zwar ein vierstöckges Wohnhaus im eleganten Hansaviertel.

Mitte der Fünfzigerjahre waren Architekten aus der ganzen Welt zusammengetreten, um im Westen Berlins die neue Bebauung des Hansaviertels zu planen. Unter den Teilnehmern des "Interbau" (Link) genannten Projekts befand sich damals neben Oscar Niemeyer, Le Corbusier, Paul Baumgarten, Egon Eiermann (Link) und Walter Gropius auch Paul Schneider von Esleben, dessen Beitrag ganz im Westen des Viertels umgesetzt werden sollte, zwischen der Altonaer Straße und der S-Bahn-Linie. Dort bildet es den Abschluss einer Reihe von vier parallel zueinander stehenden, diagonal zur S-Bahn-Linie ausgerichteten Zeilenbauten.

Paul Schneider von Eslebens vierstöckiges Gebäude besteht aus einer Basis von elf nebeneinander im Abstand von fünfeinhalb Metern aufgestellten tragenden Wänden, sogenannten Schotten, die nicht durchbrochen werden durften. Die auf diese Weise entstandenen zehn identischen Gebäudeabschnitte teilte der Architekt in jeweils zwei übereinanderliegende, zweistöckige Wohnungen ein. Dabei ordnete er die Schlafzimmer der übereinander gestapelten Wohnungen in den beiden mittleren Geschoßen des Hauses an, um dort eine besonders ruhige Zone zu schaffen. Die Lage des Zeilenbaus in der Nähe der S-Bahn-Linie verlangte es zudem, die Wirtschaftsräume und die außenliegenden Treppenaufgänge auf der Nordseite anzuordnen, sodass die Schlaf- und Wohnzimmer zum ruhigeren Süden und zur Sonne ausgerichtet sind.

Mittwoch, 9. September 2015

Scissorella berichtet im PSE-Magazin darüber, wie man mit Architektur und Mode Welten erschaffen kann

Paul Schneider von Esleben - Das Erbe der Nachkriegsmoderne. Eine Ausstellung des Museums für Architektur und Ingenierkunst NRW in Düsseldorf 

 




























Für die Ausstellung „Paul Schneider von Esleben - Das Erbe der Nachkriegsmoderne“ (Link), die anlässlich des 100. Geburtstags des Architekten im Düsseldorfer Mannesmannhochhaus und in der Architektenkammer eröffnet wurde, entwickelte das Team des Museums für Architektur- und Ingenieurkunst ein eigenes Magazin (Link). Zwischen zahllosen Texten und Fotos, die den Architekten und sein Werk in allen Facetten darstellen, befindet sich auch ein Bericht über meinen Blog und mein Verhältnis zur Mode, zur Kunst und zur Architektur. Im Zusammenhang der Architekturgeschichte und des Jetsets der Nachkriegsmoderne so schön präsentiert zu werden, freut mich natürlich sehr!

Neben dem Film ist die Architektur das ideales Medium, um die alltägliche Realität zu verlassen und sich für eine bestimmte Zeit in eine ganz andere Welt zu begeben. In einem anspruchsvoll geplanten Gebäude beziehen sich die einzelnen Elemente aufeinander, bis hin zum kleinsten Detail. Somit erfüllt gute Architektur im Idealfall den Anspruch an ein Gesamtkunstwerk. Vergleichbar ist es beim Film, wo der gebaute Raum zusätzlich in einem Verhältnis zur Bewegung der Figuren und der Kamera, zum Rhythmus der Schnitte und der Sprache und nicht zuletzt zu den Materialien, Formen und Proportionen der Kostüme steht. Aus diesem Grund war und ist es mir oft nicht möglich, Architektur getrennt von anderen Kunstformen zu betrachten, sondern als berauschendes, überwältigendes Gesamtarrangement aus Material, Form, Licht, Bewegung, technischen Details, skurrilen Anekdoten, interessanten Personen etc.

Foto: Michael Zimmermann
Als ich anfing, Kleider zu entwerfen und zu nähen, schwang dabei oft der Gedanke mit, dass man sich durch ein Kleidungsstück in seiner Phantasie an einen Ort versetzten kann, den man in der Realität nicht erreichen kann. Ein Kleid anstatt eines Hauses.Mit der Zeit wurden mir dann Gestaltungs- und Konstruktionsprinzipien der Architektur klar, die wiederum in meine Kleiderentwürfe einflossen.

Ich entwickelte einen Blick für die verschiedenen Stilepochen in der Architektur, ein Gespür für das Bildhauerische, das Skulpurale und den Rhythmus, also all das, was sich genau so auf die Mode anwenden lasst, auf die Literatur und in allen anderen Formen der Kunst erscheint.

Einer der Architekten, die mit ihren Gebäuden das Ziel des Gesamtkunstwerks verfolgten und darüber hinaus nie eine Grenze zwischen Kunst und Leben zogen, war Paul Schneider von Esleben. Das Bild Düsseldorfs in der Nachkriegsmoderne wurde maßgeblich von den Bauten PSEs, wie ihn seine Fans nennen, geprägt. Den Berichten und Bildern des PSE-Magazins nach, das anlässlich der Ausstellung des M:AI erschienen ist, musste allerdings auch der Architekt selbst dem Bild eines typischen Jetset-Lebemanns dieser Zeit entsprochen haben. Nicht umsonst wurde PSE als „Schneider-Jetleben“ bezeichnet. Er entwarf elegante Hochhäuser und sah einen Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach der Hanielgarage vor, er plante den modernen Flughafen in Köln Bonn und jettete von dort aus rund um die Welt, er entwarf sich sein eigenes Segelboot, mit dem er nach Südfrankreich fuhr, zu seiner Villa direkt an der Küste, er legte natürlich Wert auf seine Garderobe und - wenn man die Details eines Hochhauses entwirft, warum sollte man dann nicht auch Schmuck entwerfen können? Kurz: PSE gestaltete sein gesamtes Leben als Gesamtkunstwerk.

Scissorella und PSE-Autorin Jenny Janson (Foto: Ellen Heyer)



Um das Lebensgefühl, für das Paul Schneider von Esleben steht, lebendig zu vermitteln, entschlossen sich die Macher des PSE-Magazins Autorin Jenny Janson und Paul Andreas, der Kurator der Ausstellung, auch einen Bericht über die Verbindung von Mode und Architektur in ihr Programm aufzunehmen.

Dass sie sich dabei an mich wandten, freute und überraschte mich natürlich riesig. Beide hatten unabhängig voneinander einen Bericht auf meinem Blog entdeckt, bei dem ich in einem von mir entworfenen Kleid vor der Hanielgarage posiere (Link).

Als ich das Kleid entwarf, das ich auf den Fotos trage, war ich gerade im absoluten Fünfzigerjahres-Fieber. Ich war fasziniert von den Filmen, der Mode, dem Design und der Architektur der Zeit und suchte in meiner Umgebung immer nach etwas, mit dem ich mich auf eine Zeitreise begeben konnte. Die Hanielgarage entsprach in ihrer Form, in dem Zukunftsglauben, der ihrer Konstruktion zugrunde liegt, in ihren Technicolor-Farben genau der Atmosphäre, die ich suchte, bis hin zu dem ihr angeschlossenen Motel, das in jedem Amerikanischen Spielfilm der Nachkriegszeit eine Rolle spielen könnte.


Donnerstag, 27. August 2015

Paul Schneider von Esleben - Wie man in Düsseldorf mit drei Ausstellungen an drei Orten den 100. Geburtstag des Architekten glamourös gefeiert hat



Am 23. August herrschte in Düsseldorf perfektes Segelwetter. Das intensive Sonnenlicht spiegelte sich in den scharfen Edelstahlkanten und Fensterflächen des Mannesmannhochhauses, das sich so in seiner eleganten schmalen Form beinahe schon überdeutlich vom tiefen Blau des Sommerhimmels abhob. Hunderte von Besuchern waren an diesem Sonntagvormittag in das Foyer des Bürogebäudes an der Rheinuferpromenade geströmt, um einen großartigen, runden Geburtstag zu feiern. Der Düsseldorfer Architekt Paul Schneider von Esleben wäre am 23. August einhundert Jahre alt geworden (Link).


Architektur als Gesamtkunstwerk
Die Architektur ist eine Kunstform, die viele verschiedene Kunstarten zusammenbringt und miteinander verbindet. Dazu bedarf es einer etwas umfassenderen Sicht auf die Welt, auf die Kunst und natürlich auch auf die Technik. PSE, wie man ihn heute noch gerne nennt, war so ein Architekt, der alles, was er tat, mit einem künstlerischen Blick betrachtete und zu einem großen Ganzen zusammensetze. Dazu besaß er aber auch den nötigen Unternehmergeist, um über Jahrzehnte hinweg Großprojekte umzusetzen. Er zeichnete, karikierte, notierte, entwarf Schmuck, gestaltete Möbel und hinterließ  Häuser, die dem Ideal des Gesamtkunstwerks entsprechen, bis hin zur ganz großen Inszenierung seines eigenen, glamourös wirkenden Lebens. 

Jetset mit Schneider-Esleben 
Zu seinen Gebäuden und zu seinem Leben gehörten dabei immer auch die Mobilität und die Geschwindigkeit. Nachdem er in den späten Sechzigerjahren den Flughafen Köln-Bonn (Link) entworfen und dabei die Möglichkeit geschaffen hatte, so nah wie niemals zuvor mit dem Auto an ein Flugzeug heran fahren zu können, wurde er dort bald regelmäßiger Fluggast und erhielt den Beinahmen Schneider-Jetleben. Begonnen hatte er seine Karriere mit dem Entwurf für ein gläsernes, filigran wirkendes Parkhaus mit angeschlossenem Motel, Shuttleservice und einem leider nicht umgesetzten Hubschrauber-Landeplatz – die Hanielgarage (Link).   Der Architekt und Weggefährte Werner Ruhnau gab später zu, dass er PSE damals sehr um sein Mercedes Cabrio 220 SL beneidet hätte. Nachdem die intensivste und eleganteste Möglichkeit, das Cabriofahren und das Fliegen miteinander zu verbinden, im Segeln liegt, trat PSE im Jahr 1964 in den Kieler Yachtclub ein und  entwarf sich sein eigenes Segelboot, das er nach seiner Tochter Tina benannte. Zu Schneider-Eslebens Jetset-Leben gehörte in späteren Jahren dann auch ein Haus an der Küste der Provence, das aufgrund seiner geschwungenen Formen „Haus Octopus“ genannt wurde. 

Mit Claudia Schneider-Esleben und dem Kurator der PSE-Ausstellung, Paul Andreas (Foto: Ellen Heyer)

Donnerstag, 20. August 2015

Paul Schneider von Esleben zum 100. Geburtstag - Das Musem für Architektur und Ingenieurkunst NRW feiert den Düsseldorfer Architekten mit zwei Ausstellungen

Das Erbe der Nachkriegsmoderne im Mannesmannhochhaus und in der Architektenkammer NRW

 

PSE: Mannesmannhochhaus, Düsseldorf 1956 - 58, davor eine Stahlskulptur von Norbert Kricke


PSE: ehemalige Commerzbank Düsseldorf, 1962

 
























Direkt an der Düsseldorfer Rheinuferpromenade ragt schmal und elegant das Mannesmannhochhaus auf, das in den Jahren 1956 - 58 nach Entwürfen von Paul Schneider-Esleben gebaut wurde. In seiner strengen Coolness entspricht das Bürogebäude mit seiner gerasterten Fassade in den Mannesmann-Farben blau und weiß und seinem großen Anteil an Glas, Stahl und Beton ganz dem International Style der Nachkriegszeit. Es ist eines der bekanntesten Gebäude Paul Schneider-Eslebens, das zudem wie eine Landmarke weithin sichtbar in der Silhouette der Stadt auszumachen ist. Aus diesem Grund ist das Mannesmannhochhaus der perfekte Ort, um den großen runden Geburtstag des Architekten zu feiern, der am 23. August hundert Jahre alt würde. Das M:AI, das Museum für Architektur und Ingenieurkunst, veranstaltet nicht nur eine Ausstellung zu Ehren Schneider-Eslebens, tatsächlich findet ein ganzes Geburtstags-Ausstellungs-Festival statt, das am kommenden Sonntag im Mannesmannhochhaus eröffnet, in der Architektenkammer NRW fortgesetzt wird und diverse weiter Aktivitäten wie Führungen und Vorträge mündet.


PSE: Hanielgarage, Düsseldorf, Fertigstellung 1952





























Montag, 17. August 2015

Platform Fashion Düsseldorf, Tag 2: Fashion Net Presents Düsseldorf Designers in der Alten Federnfabrik des Areal Böhler



Rita Lagune für Fashion Net
Bei der Juli-Ausgabe der Platform Fashion (Link) nahm der Fashion Net e.V. Düsseldorf (Link) zum ersten Mal mit einer eigenen Modenschau teil. In den letzten Jahren hatte der Verein immer wieder mit ganz unterschiedlichen Veranstaltungen dafür gesorgt, dass Düsseldorf weltweit seinen Ruf als Modemetropole ausbauen und festigen konnte, dabei reichte die Bandbreite der Events von Parties bis zu hin zu Vortragsreihen wie das Fashion Net Education Center (Link) , bei dem Modeikonen wie z.B. Patricia Field zu Wort kamen.

Nach einer Einführung von Fashion-Net-Leiter Wolfgang Hein zeigten am zweiten Tag des Modewochenendes die Labels Strehlow, ELA und Rita Lagune (Link) ihre Modelle und bewiesen dabei, wie vielfältig und individuell die Düsseldorfer Modelandschaft ist. Von futuristisch-funktional-schwarz  bei Strehlow und ELA bis zu zart-verspielt und farbenfroh bei Rita Lagune blieb kein Wunsch unerfüllt. Eingeleitet und untermalt wurde die Show des Labels von Marion Strehlow zudem durch das Elektronik-Duo BAR (Band am Rhein). Was mich allerdings ganz besonders gefreut hat, war das Wiedersehen mit Ruth Heinen und Ihrem Label Rita Lagune. Vor einigen Jahren habe ich Ruth Heinen im Rahmen eines spektakulären Filmdrehs kennen gelernt, bei der ihre Entwürfe neben der griechischen Landschaft für den entsprechenden Glamour gesorgt haben und ich dabei als Scriptgirl die Timecodes notiert habe. In Düsseldorf führt die Mode eben alle immer wieder zusammen.


Samstag, 15. August 2015

Platform Fashion Düsseldorf, Tag 1: Die AMD Best Graduate Show in der Alten Federnfabrik des Areal Böhler


Folgt man dem Weg zu all den Gebäuden und Plätzen, in und auf denen die Veranstaltungen rund um die Düsseldorfer Modewoche seit einiger Zeit stattfinden über mehrere Saisons hinweg, so gelangt man zu den schönsten und geheimnisvollsten Orte der gesamten Stadt. Eine ganze Weile ist es nun schon her, dass die letzen CPD-Modenschauen in den Messehallen im Norden der Stadt stattgefunden haben (Link). Seitdem traf sich die Modewelt im ehemaligen Amerikanischen Konsulat (Link), einem Gebäude der Architekten Skidmore, Owings and Merril auf der Cäcilienallee, im ehemaligen Gefängnis Ulmer Höh’ (Link), in der Halle 6, einer für ihre Kunstveranstaltungen bekannten, luftigen Industriehalle (Link), Im Kugelzelt auf der Fläche zwischen Ehrenhof und Rheinterrasse, mehrfach in der ehemaligen Schraubenfabrik Max Mothes in Bilk (Link) und zuletzt im Februar in den Schwanenhöfen (Link). Eine besondere Rolle hat dabei immer der Fashion Net e.V. gespielt (Link), der mit großem Einsatz dafür sorgt, dass Düsseldorf weltweit als DIE Modemetropole bekannt ist und bleibt. In der vierten Saison des Erfolgskonzepts Platform Fashion zog man nun zum ersten Mal mit den Schauen ins Areal Böhler (Link) das mit seinem markanten Spitzbunker und seinen Kaminen auf der Stadtgrenze zwischen Düsseldorf und Meerbusch gelegen, weithin sichtbar ist. Ganz unbekannt war das ehemalige Stahlwerk dem modeinteressierten Publikum nicht, hatte hier doch bereits vor zwei Jahren das Festival des Métiers der Firma Hermès stattgefunden (Link). Für die aktuelle Ausgabe der Platform Fashion bezog man nun die Alte Federnfabrik des ehemaligen Industriegeländes.