MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

Montag, 8. Februar 2016

HEIMATPLAN. Brutalismus und die Architektur der Nachkriegsmoderne in der Galerie GRÖLLE pass:projects, Wuppertal





Eine Ausstellung über die Sicht zeitgenössischer Künstler auf die Architektur der Nachkriegsmoderne - zusammengestellt von Julia Zinnbauer.

23.01.2016 - 13.03 2016


Matias Bechtold (Berlin)
Chris Dreier (Berlin)
Bert Didillon (Köln)
Gary Farrelly (Dublin/ Brüssel)
Lothar Götz (London)
Alekos Hofstetter & Florian Göpfert (Tannhäuser Tor, Berlin)
Pablo de Lillo (Oviedo/Gijon)
Julia Zinnbauer (Düsseldorf)


Galerie GRÖLLE pass:projects
Friedrich-Ebert-Straße 143e
D-42117 Wuppertal
fon +49 (0)1732611115
www.passprojects.com
WED - FRI 4 - 7 PM / SAT 11 - 3 PM
Schwebebahn: Haltestelle Pestalozzistraße



Links: Zeichnungen von Lothar Götz, rechts die Arbeit "KM 1" von Matias Bechtold
























 


Architekten haben eine ganz bestimmte Sicht auf die Architektur der Nachkriegsmoderne. Kunsthistoriker haben wiederum einen anderen Blick auf die Gebäude dieser Epoche. Und das Feuilleton hat neben den reinen Fakten zumindest eine Meinung dazu, von totaler Ablehnung zu einer beinahe schon romantisierenden Begeisterung. Wie aber sehen Künstler die Architektur dieser Zeit? Wie gehen sie mit den Formen, den Materialien und vor allem den Ideen um, die hinter den Flughäfen, Bungalows, Swimmingpools, Verwaltungsgebäuden und Satellitenstädten aus Glas, Beton, Aluminium und Stahl stehen? Auf diese Frage geht die Ausstellung „Heimatplan“ ein, die zurzeit in der Galerie GRÖLLE pass:projects in Wuppertal zu sehen ist.
 
Die Idee zur Ausstellung
Der Ausgangspunk des Projekts „Heimatplan“ liegt im Besuch des Galeristen Jürgen Grölle der Ausstellung über den Architekten Paul Schneider von Esleben, die das Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW im August letzten Jahres in Düsseldorf organisiert hat. Durch die Lektüre meines Blogs und durch mein ständiges Hinweisen auf die eine oder andere Betonkirche aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war Jürgen Grölle durchaus mit dem Thema vertraut. Die Auseinandersetzung mit dem kunstsinnigen Architekten Schneider von Esleben und der Verbindung, die durch dessen Architektur zwischen den Städten Düsseldorf und seiner Heimatstadt Wuppertal besteht, hat den Galeristen schließlich so von der Thematik eingenommen gemacht, dass er beschloss, mit mir zusammen eine Ausstellung über die Sicht zeitgenössischer Künstler auf die Architektur der Nachkriegsmoderne zu konzipieren.


Der konfliktreiche Umgang mit der Nachkriegsarchitektur
In Wuppertal ist die Diskussion über Architektur der Nachkriegsmoderne zurzeit ein ganz aktuelles Thema, nachdem erst vor kurzem das weithin sichtbare Gebäude der Stadtsparkasse Wuppertal unter Denkmalschutz gestellt worden ist.  Als die WZ darüber berichtete (Link), wurde der Artikel direkt von einem Leser kommentiert, der wissen wollte, warum so ein „hässliches“ Gebäude zum Denkmal erklärt wird.

Wenn man die Ideen nicht kennt, die hinter dieser Art von Gebäuden stehen und deren Formen nicht deuten kann, dann ist es eine mögliche Herangehensweise, sie als hässlich zu bezeichnen. Wenn man allerdings aus Ignoranz und Profitgier Baudenkmäler zerstört, die für eine Epoche des Aufbruchs, der Demokratie und des Fortschritts stehen, für den geistigen Neuanfang eines Landes nach dessen kompletter Zerstörung, so, wie es jeden Tag in vielen Städten geschieht, dann ist das hochgradig verwerflich und hinterlässt Leerstellen auf der kulturellen Landkarte einer Region.

Im Sinne des Retrogedanken werden in der Mode, in Filmen, im Möbeldesign, ja selbst in der Architektur seit Jahren im alle möglichen Stile und Epochen der Vergangenheit wieder aufgearbeitet, auch das Design und die Kunst der Fünfziger- bis Siebzigerjahre. Viele der Gebäude, die tatsächlich aus dieser Zeit stammen, verschwinden jedoch oft ohne Widerspruch aus dem Stadtbild.

Die besondere Bildsprache der Architektur der Nachkriegszeit mit ihren sachlichen Materialien und Formen mag der Grund dafür sein, dass man das „Gemütliche“ vermisst und sich nicht mit den Gebäuden identifizieren kann. Die Utopien und Ideale, in deren Zusammenhang viele Gebäude nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind, werden oftmals ausgeblendet und man konzentriert sich auf die negativen Aspekte dieser Epoche. Vom Scheitern der autogerechten Stadt ist dann die Rede, von den Trabantenstädten, die zu weit von den Stadtzentren entfern liegen, von bröckelndem Beton und Asbest.

Die Bild- und Formensprache der Nachkriegszeit erfordert einen besonderen Blick und eine Kenntnis der Zusammenhänge. Die Künstler, die an der Ausstellung „Heimatplan“ teilnehmen, haben genau diesen Blick und setzen dabei ihre Überlegungen und Beobachtungen in ganz unterschiedlichen Medien um.

Die Sicht der Kunst auf die Architektur
So vielfältig, wie die Architektur der Nachkriegsmoderne ist, so vielfältig sind auch die Beiträge der verschiedenen Künstler zu der Ausstellung „Heimatplan“ und reichen dabei von feingliedrig und detailverliebt bis rau, großflächig und brachial. Allesamt haben sie sich mit den kunst- und kulturgeschichtlichen Hintergründen dieser Epoche auseinandergesetzt, mit den Ideen in einer Zeit des Aufbruchs und des Neuanfangs, die von einem optimistischen Glauben an die Demokratie und an eine positive Zukunft geprägt war. Neue Materialien, die beispielsweise aus der Luft- und Raumfahrttechnik stammten, ermöglichten ganz neue Konstruktionsweisen. Gesellschaftliche und technische Neuerungen beförderten eine gestalterische Experimentierfreudigkeit, bis hin zum Phantastischen,  wobei vor allem aber das ganz Sachliche, Rationale seinen Raum fand, wie z.B. beim dringend benötigten Wohnungsbau oder in den neu angelegten Infrastrukturen in den im Krieg zerstörten Städten.

Nicht aus der Perspektive von Architekten werden in der Galerie GRÖLLE pass:projects die Gebäude der Nachkriegsmoderne  beleuchtet, sondern aus dem Blickwinkel der Kunst. Das beinhaltet einerseits einen sachlich-nüchternen, kritischen Blick auf diese Epoche und auch auf deren Schattenseiten, ermöglicht aber auch einen phantasievollen,  assoziativen und emotionalen Zugang zu dem vermeintlich spröden Thema.


Die Künstler der Ausstellung „Heimatplan“
Der Berliner Künstler Matias Bechtold beispielsweise ist für seine minutiös ausgearbeiteten und von winzigen Figuren bevölkerten Architekturmodelle bekannt, mit denen er nicht etwa den urbanen Raum nachbildet, sondern ihn immer wieder neu erfindet, vom einzelnen Haus bis hin zu ganzen fiktiven Stadtlandschaften (Link). Fasziniert vom Technikglauben der Nachkriegsmoderne und dem damit verbundenen Maschinen- und Weltraumlook in der damaligen Architektur, wie z.B. dem ICC in Berlin, sah Matias Bechthold in einer mattsilbernen Kaffeemaschine ein futuristisches Gebäude. Durch den Einbau von Fenstern mit (wie bei Jean Prouvé) abgerundeten Ecken und einer leuchtenden Kommandozentrale erinnert heute kaum noch etwas an die Vergangenheit des Gebäudes als Kaffeemaschine. Beim Blick durch die Fenster erwartet man eher Blofelds Katze die maßstabsgetreue Wendeltreppe herunter zu stolzieren. Das ist der Geist, in dem Raumpatrouille Orion gedreht wurde! Dabei geht Matias Bechtold in seinen Arbeiten nicht unbedingt von realen Gebäuden aus, sondern lässt sich von seinen Assoziationen leiten.



Der Irische Künstler Gary Farrelly, der im morbiden Bankenviertel Brüssels lebt und arbeitet, hat sein Herz an Flughäfen und Hochhäuser verloren. In seinen Arbeiten untersucht er die systematischen Abläufe im Flug- und Postverkehr und schafft über die Lochkartenthematik eine sinnliche Verbindung zwischen Kybernetik  und Brüsseler Spitze. Hierfür hat er sich unter anderem einen eigenen Stickstich registrieren lassen. In der Ausstellung „Heimatplan“ ist er u. a. mit einem modifizierten Tablett vertreten, das exemplarisch für das modular zusammensetzbare Kantinenessen in den Verwaltungsbehörden der modernen Welt steht. Auf der Basis des normierten Tabletts erschafft er eine Collage, die sowohl von seinem Faible für Flughäfen als auch von seiner eigenen systematischen Selbstoptimierung durch Sport handelt. Eine Weitere Arbeit von Gary Farrelly zeigt den fiktiven Flughafen Egon Krenz. Ganz passend ist das der Technik und der Geschwindigkeit gewidmete  Bild so positioniert, dass es in direkter Relation zu der am Galerieraum vorbeirauschenden Schwebebahn steht. Inspiriert von den Flughäfen Chicago O'Hare, Bruxelles National, Schiphol und Frankfurt geht Gary Farrelly mit seiner Collage der Idee nach, dass mit dem Flughafen Egon Krenz das Interflug Drehkreuz geschaffen worden wäre, hätte die DDR überlebt.

Mit Chris Dreier, die großformatige Fotografien in der Ausstellung präsentiert, hat Gary Farrelly vor kurzem das „Office for Joint Administrative Intelligence“ gegründet und diverse Videos und Soundcollagen erstellt. Das Video „PSE-Tower“, das von beiden stammt, ist ebenfalls in der Galerie zu sehen und thematisiert Gebäude der Stadtsparkasse Wuppertal von Paul Schneider von Esleben.

Heimatplan, Wuppertal
Rechts an der Wand: Relief von Pablo de Lillo, davor das "Kleid für die autogerechte Stadt" von Julia Zinnbauer

















Chris Dreier, die sowohl in Wuppertal als auch in Berlin lebt, ist sowohl für ihre elektronischen Sounds bekannt, die sie unter dem Namen Burqamachines arrangiert (Link), als auch für ihre Lochkamera-Fotografie. In der Galerie GRÖLLE pass projects sind nun einerseits Fotografien zu sehen, die für ihre allgemeine Auseinandersetzung mit der Achitektur stehen, wie z.B. ein Foto des Hauses der Statistik am Alexanderplatz in Berlin. (Das Gebäude aus den Jahren 1968 -1970, in dem zu DDR-Zeiten der Staatssicherheitsdienst residierte und das schon seit einigen Jahren abgerissen werden soll, wird nun wahrscheinlich erhalten und in ein Flüchtlingsheim mit angeschlossenen Künstlerateliers umgewandelt.) Andererseits geht Chris Dreier aber auch mit einigen ihrer Arbeiten auf den Ausgangspunkt der Ausstellung ein, auf die Architektur Paul Schneider von Eslebens. An einem düsteren, regnerisch-windigen Tag im vergangenen Dezember machte sie sich z.B. mit ihrer Lochkamera auf den Weg nach Marl, um das dortige Rathausensemble zu fotografieren. Das Zentrum der Norderin-Westfälischen Stadt entstand in den Jahre 1960 – 1966 nach den Plänen von Johan Hendrik van den Broek und von Jacob Berend Bakema. Ähnlich wie im Falle Brasilias legte man hier einen gesamten Verwaltungsbezirk an, inclusive Infrastruktur, Wohnungsbau und Kultureinrichtungen. Wie so oft allerdings steht die hohe architektonische Qualität im Gegensatz zu einer gewissen Abgelegenheit der Stadt Marl. Der Bezug zu Paul Schneider von Elseben erklärt sich dadurch, dass die Hängekonstruktion, die den beiden Marler Rathaustürmen zugrunde liegt, die gleiche ist, die beim Bau der Stadtsparkasse Wuppertal zum Tragen kam. Erfunden haben das gesamte System zwei Architekten aus Wuppertal bereits in den Zwanzigerjahren, die Brüder Bodo und Heinz Rasch.

Mit der Zeichenhaftigkeit von Verwaltungsgebäuden und der Symbolkraft künstlich angelegter Städte beschäftigen sich auch die beiden Künstler Alekos Hofstetter und Florian Göpfert, die seit dem Jahr 2012 Namen Tannhäuser Tor firmieren. In der Ausstellung „Heimatplan“ sind sie sowohl mit Werken vertreten, die sie zusammen entwickelt haben, als auch mit einer Arbeit, die von Alekos Hofstetter alleine stammt.

Links: Gary Farrelly, hinten: Alekos Hofstetter nach Paul Schneider von Esleben




Die Architektur der Nachkriegsmoderne fasziniert die beiden vor allem in ihrer Funktion als Bedeutungsträger. Gerde in brutalistischen Gebäuden, die ganz dem Material Beton und den damit möglichen Formen, Oberflächen und Volumina gewidmet sind, interessiert Hofstetter und Göpfert der ethischer Anspruch der Architektur. Ganz im Sinne der Materialgerechtigkeit wird hier nichts versteckt und die Materialien werden so eingesetzt, dass ihre typischen Eigenschaften zur Geltung kommen. Dieser Anspruch an das Wahre, das Echte geht weit über die jeweilige Funktion oder den politischen Kontext eines Gebäudes hinaus und spricht ein internationale Sprache. Die Bild- und Formensprache des Brutalismus wird in ihrer Wahrhaftigkeit überall auf der Welt verstanden, worin auch die Grundidee der Entortung des Duos Tannhäuser Tor liegt. In ihren Arbeiten nehmen sie markante Bauten der Nachkriegszeit aus ihrem urbanen Kontext heraus und zeigen sie stattdessen in einer pastoralen Landschaft. Es entstehen Denkmäler, die wie Bismarcktürme an ganz bestimmt politische Ideen erinnern sollen. Hier allerdings geht es um einen Verweis auf unsere kollektive Erinnerung an die Moderne, um das funktionale Gebäude als Sehnsuchtsort.

Von Alekos Hofstetter stammt die Gouache „Dunkle Seite“, die Paul Schneider von Eslebens Entwurf des Kalinga-Hauses in Kalkutta zeigt. In direkter Verbindung mit dessen Hauptverwaltung der Colonia-Versicherungen einsteht ein düsteres Gebäudeensemble, das ganz vom Rhythmus seiner sich wiederholenden Fassadenelemente lebt. Das Diptychon „Fana & Baqa“ dagegen entstand im Rahmen der Kollaboration zwischen den beiden Künstlern und zeigt ganz im Sinne ihrer Grundidee der Entortung einen Moschee-Entwurf Schneider von Eslebens in einem ganz neuen Sinnzusammenhang.   

Linke Wand: Tannhäuser Tor, Lothar Götz; rechte Wand: Bert Didillon und Pablo de Lillo


Bert Didillon, der zunächst in Wuppertal und dann an der Kunstakademie Düsseldorf studiert hat und heute in Köln lebt, war mittlerweile schon einige Male in der Galerie Grölle zu sehen. Bekannt sind seine Arbeiten vor allem für ihre minimalistische Zeichenhaftigkeit, für ihre Klarheit und für die Ironie, die Bert Didillon trotz aller Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung mit den großen Fragen der Moderne mitschwingen lässt.

Das Wandobjekt, mit dem er am Projekt „Heimatplan“ teilnimmt, lässt keinen Zweifel offen: es ist groß, es ist grau, es hat eine wilde, raue Oberfläche und es lebt vom Zusammenspiel rechteckiger Formen – hier geht es um Brutalismus. Bert Didillons Relief weckt alle Assoziationen, die üblicherweise vom Béton brut ausgehen, allerdings bedient sich der Künstler, wie so oft in seinen Arbeiten, alltäglicher Materialien, in diesem Fall Wellpappe, die er großflächig grau angestrichen hat. Die zweite Wandarbeit, die er zeigt, mag ein ironischer Kommentar zu Thema „Schwarzes Quadrat“ sein, auf jeden Fall fasziniert das Relief durch seine Komposition verschiedenster, technisch wirkender Materialien von Holz über Gummi bis Plastik in den unterschiedlichsten Schwarztönen. Nicht zufällig zieht sich ja das Thema der „Autogerechten Stadt“ durch die gesamte Ausstellung“

Lothar Götz, der in London lebt und arbeitet, konzentriert sich in seinem Werk ganz auf das Verhältnis von Farbe, Form und Raum. Dabei ist er vor allem für seine Wandarbeiten bekannt, in denen er diese Fragen auslotet. Vor allem bezieht sich Goetz dabei auf die Ideen des Bauhauses, insbesondere auf die abstrakte Malerei von Josef Albers. Allerdings legt er großen Wert darauf, dass er bei seinen Wandarbeiten, bei denen er große Flächen farblich gestaltet, nicht streng das Bauhaus-Regelwerk anwenden will, sondern sich in einer Art Zwiegespräch mit dem Raum intuitiv auf ihn einlässt. Seit dem Jahr 2000 nimmt der zeichnerische Anteil in seinem Oevre allerdings kontinuierlich zu und macht mittlerweile beinahe die Hälfte seiner Arbeiten aus. In der Galerie Grölle sind vier seiner Zeichnungen zu sehen. Lothar Götz selbst behauptet, dass er in seinen Wandarbeiten eher das abstrahiert, was er in einem Raum spürt, seine Zeichnungen dagegen zeigen eher eine Abstraktion dessen, was er sieht. Inspiriert sind diese Zeichnungen oft von Städten oder besonderen Orten.

Der spanische Konzeptkünstler Pablo de Lillo, der unter dem Titel „Low Light Situations“ zudem auch die nächste Ausstellung in bei GRÖLLE pass:projects bestreiten wird, setzt sich in seinen Arbeiten mit Zeitgeschmack, Trends und Retrotrends auseinander, mit dem großen Thema „Moderne“ und ihren Utopien und der Frage, wie wir durch unsere ästhetischen Wahrnehmungsmuster geprägt sind. Er adaptiert die Formen der Moderne und parodiert sie durch einen „gebastelten“ Look und durch die Verwendung von Baumarktmaterialien. Beispielsweise fertigt er handgemachte Modelle von Stühlen an, die ursprünglich für die Serienproduktion entworfen wurden und unterwandert damit humorvoll das System der Massenproduktion. Das Fragile ist dabei immer gewollt.

In der Ausstellung Heimatplan ist Pablo de Lillo mit einem Wandobjekt vertreten, das sich mit seinen Materialien Plexiglas und Aluminium und seiner Auseinandersetzung mit Flächen und Proportionen auf die kinetischen Plastiken und Leuchtkästen von Künstlern wie Heinz Mack (Link) und Adolf Luther bezieht. Letzterer spielt wiederum eine Rolle im Zusammenhang mit dem Gebäude der Stadtsparkasse Wuppertal von Paul Schneider von Esleben. Für das Foyer der Stadtsparkasse gab der Architekt damals bei Adolf Luther eine dreißig Meter breite kinetische Plastik in Auftrag, die aus zahllosen, das Licht reflektierenden Glaslinsen besteht (Link).

Mein eigener Beitrag
Ganz zum Schluss komme ich auf meinen eigenen Beitrag zu der Ausstellung „Heimatplan“ zu sprechen. Mit dem Kurzfilm „Dimmi dove vanno“, den ich bereits vor einigen Jahren gedreht habe, gebe ich mich ganz der Begeisterung für die Architektur der Nachkriegsmoderne hin. Aus ihrem jeweiligen Zusammenhang herausgelöst habe ich damals Aufnahmen von Gebäuden in Düsseldorf, Berlin und Potsdam so zusammengeschnitten, dass dadurch eine fiktive, futuristische Stadt entsteht, in der sich verschiedene Figuren verfolgen und immer wieder verpassen. Durch das Zusammenspiel von einer vorgespiegelten Handlung, von sorgsam ausgewählten Gebäude und von eigens für den Kurzfilm angefertigten Kostüme nehme ich Bezug auf typische Agentenfilme der Sechzigerjahre und zeige aber auch, dass man den Zweckbauten der Nachkriegszeit mit einem gewissen Blick immer auch etwas Glamouröses, Schönes und Phantastisches abgewinnen kann.

Das Kleid, mit dem ich darüber hinaus in der Ausstellung vertreten bin, ist für eine Fahrt durch Berlin als autogerechte Stadt konzipiert. Aber auch die Formen des Tausendfüßlers, der Düsseldorfer Hochstraße, die vor einigen Jahren abgerissen wurde, spielen in den Entwurf mit hinein, wie man dem Schnittmuster ablesen kann, das die Basis der Collage ist, die ebenfalls in der Galerie Grölle zu sehen ist. Trotz ihrer filigranen Anmutung und der Transparenz des Materials erinnert sie an ein Gewirr von Brücken, Fahrspuren und Autobahnabfahrten.

Bezüglich meines Beitrags zur Ausstellung „Heimatplan“ ist es für mich jedoch das  Wichtigste, dass ich hier die Möglichkeit hatte, all meine bisherigen Überlegungen zur Architektur der Nachkriegszeit, zu meiner unablässigen Suche nach spektakulären Gebäuden und den Berichten, die ich darüber seit Jahren für meinen Blog schreibe, in die Konzeption mit einfließen lassen konnte. Und das freut mich natürlich ganz besonders, nachdem mir das gesamte Thema so sehr am Herzen liegt.



Der Heimatplan
Die Vielzahl der unterschiedlichen Herangehensweisen machen deutlich, dass es weit mehr Haltungen gegenüber der Architektur der Nachkriegsmoderne gibt, als sie nur schön oder hässlich zu finden. Eine einzige Frage ist jedoch nach wie vor unbeantwortet: was ist nun eigentlich der titelgebende Heimatplan?

Wie der Blick aus Jürgen Grölles Wohnzimmerfenster auf das Sparkassengebäude von Paul Schneider von Esleben, der so viel zu der Ausstellungsidee beigetragen hat, so hat auch der Heimatplan einen biographischen Hintergrund. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine en bloc entworfene Wohnanlage aus den späten Zwanzigerjahren in Wuppertal, in deren Nähe der Galerist aufgewachsen ist. So schließt sich der Kreis zu der Moderne und ihren Idealen und es wird offensichtlich, wie identitätsbildend das Zusammenspiel von Kunst und Architektur für jeden von uns sein kann.

Am Sonntag, dem 13. März findet um 15 Uhr die Finissage statt, und zwar mit Kaffee und bergischen Waffeln. Kommt vorbei!


Links: Materialkollage von Gary Farrelly
Links: Fotografien von Chris Dreier, Mitte: Papierarbeit von Gary Farrelly, rechts: Moscheen nach Paul Schneider von Esleben von Tannhäser Tor
Vorne: KM 1 von Matias Bechtold, hinten an der Wand: Bert Didillon






















Gary Farrelly: Flughafen

Vorne: Relief von Bert Didillon, hinten: Papiercollage von Julia Zinnbauer























Links: Chris Dreier, Fotografie (Rathaus Marl)