Einen
kurzen Text über Vivienne Westwood zu schreiben erscheint mir als etwas
Unmögliches, denn die Britische Modedesignerin entwirft mehr als nur Kleidung,
sie entwirft ein ganzes Lebenskonzept. Und so schnitt sie bei den zwei Vorträgen,
die sie am vergangenen Dienstag in Mönchengladbach hielt, unendlich viele
Themen aus den verschiedensten Lebensbereichen an und bewegte sich eloquent
zwischen dem ganz Privaten und der großen Weltpolitik. Dabei wurde vor allem
eines offensichtlich: die Basis für das Gelingen aller menschlicher
Bestrebungen ist ein an der Kultur geschultes Urteilsvermögen.
Sowohl
ihre Naturverbundenheit, die sie seit ihrer Kindheit in Tintwistle einem Dorf
in der Grafschaft Derbyshire begleitet als auch ihre Tätigkeit als
Grundschullehrerin wirken sich bis heute auf ihr Schaffen aus. Nach wie vor
sieht sich Vivienne Westwood als Lehrerin, der die Bildung junger Menschen und
das lebenslange Lernen ein ernstes Anliegen ist. Voller Idealismus referierte
die Modedesignerin somit zusammen mit ihrem Ehemann Andreas Kronthaler
nachmittags vor den Studenten und Studentinnen der Hochschule Niederrhein, um
nach einem Pressegespräch im Hochzeitszimmer der Kaiser-Friedrich-Halle am
Abend im Saal des historischen Gebäudes vor großem Publikum einen weiteren
Vortrag zu halten.
Kultur als Weltformel: das Schöne und
das Gute
Unabhängig
davon, ob sie nun über Mode, Kunst, Inspiration, menschliche Beziehungen, das
Lehren und Lernen, über Werte im Allgemeinen, ob sie über Finanz- oder
Klimapolitik sprach – eines war dabei immer der zentrale Punkt: die Kultur.
Kultur ermöglicht alles, Kultur ist die Basis von allem Guten, mit Kultur
lassen sich die meisten Probleme lösen und
hätten wir mehr Kultur, dann wären wir weder mit der Umwelt noch mit der
Finanzlage jemals in Schwierigkeiten geraten.
Das
Faszinierende an Vivienne Westwoods Überlegungen liegt darin, dass sie das
Ästhetische und das Moralische als zwei untrennbare Bereiche sieht, die
einander bedingen und denen sie den gleichen Wert beimisst. Mit der gleichen
Überzeugung, mit der sie T.S. Eliots „Tradition and the Individual Talent“ zitiert, chinesische Malerei bewundert oder von der kulturellen Blüte Frankreichs im
letzten Viertel des 19. Jahrhunderts schwärmt, empfiehlt sie, Plastiktüten
mehrfach zu verwenden und Leitungswasser zu trinken, um die Plastikflut zu
bekämpfen. Dabei besitzt die überzeugte Vegetarierin so viel Weitsicht
hinzuzufügen, dass die Produktion von Plastik weitaus weniger giftig ist als die von Leder.
Kultur,
so Vivienne Westwood, ist unbedingt notwendig, um daran sein eigenes
Urteilsvermögen zu schulen. Nur wer immer wieder vergleicht, sein wissen
erweitert, seine eigenen Schlüsse zieht, erhält einen Einblick in die
Möglichkeiten des Menschlichen Genies und ist in der Lage sich
fortzuentwickeln. Vivienne Westwood glaubt fest an die menschliche
Perfektabilität und auch daran dass man, indem man an sich selbst arbeitet,
etwas zu der Weiterentwicklung der gesamten menschlichen Spezies in Richtung
von etwas Göttlichem beiträgt. Und so ermutigte sie beispielsweise eine
Studentin, die sie fragte, wie man denn nun andere Leute von seinen eigenen
idealistischen Überlegungen überzeugen soll, indem sie ihr erklärte, dass es
bei den eigenen Taten immer auch darum geht, wer man selbst ist, dass man
vieles auch einfach für sich selber machen müsse, auch wenn man niemanden damit
überzeugen könne.