Einerseits legt man in Krefeld großen Wert darauf, den Ruf der Stadt als Architektur-Metropole zu festigen, wie es das ambitionierte Golfclub-Projekt mit dem spektakulären 1:1 Modell eines Entwurfs von Mies van der Rohe aus dem Jahr 1930 zeigt, das gerade eröffnet wurde (Link). Andererseits wird, wie ich gerade erfahren habe, zur Zeit die charakteristische Fassade des Horten-Gebäudes in der krefelder Innenstadt entsorgt. Dabei handelt es sich um die typischen Keramikelemente, die Egon Eiermann um 1960 für die Gebäude der Kaufhauskette entworfen hatte und die so typisch für den Look dieser Zeit sind. Wie passt das dazu, dass das Stadthaus in Krefeld, das ursprünglich als Verwaltungsgebäude der Vereinigten Seidenwebereien AG von Egon Eiermann entworfen wurde (nach einer Idee Mies van der Rohes), gerade vor dem Abriß gerettet werden konnte?
Seit einigen Jahren schon steht das krefelder Warenhaus leer und nun will man offensichtlich mit neuen Mietern und einem neuen Image die immer ein wenig verlassen wirkende Innenstadt neu beleben. Und wie immer hat die Stadtbevölkerung Angst, daß die Ansammlung der üblichen Filialisten (Link) den Einzelhandel schädigt. Hauptmieter des umgestalteten Gebäudes soll die irische Billigmodekette Primark werden, was der Stadt Krefeld, die seit dem 18. Jahrhundert für die Herstellung von hochwertigen Seiden- und Brokatstoffe bekannt ist, vermutlich endlich den erhofften Aufschwung bringt. Ich wünsche viel Erfolg bei der Imagepflege.
Angeblich stand die krefelder Version der Horten-Fassade nicht unter Denkmalschutz, da sie nicht von Eiermann selbst, sondern vom düsseldorfer Architekten Helmut Hentrich entworfen wurde (Link), von dem beispielsweise auch das dortige Dreischeibenhaus am (mittlerweile abgerissenen) Tausendfüßler stammt (Link). Aber die Kacheln sind doch die gleichen, oder? Wer mir diesen Sachverhalt erklären kann, darf sich bitte bei mir melden und mir aus meiner absoluten Ratlosigkeit helfen. Und davon abgesehen: der Name Eiermann ist auch nicht die absolute Garantie für den Erhalt: in Stuttgart hat man kürzlich beschlossen, Eiermanns IBM Gebäude abzureißen, die sich, ganz modern und autogerecht, zwischen zwei Autobahnen befinden (ein entsprechender Bericht folgt).
Heute ist alles retro. Man träumt von den guten alten Sechzigerjahren, als die Welt noch in Ordnung war, die Herren ordentliche Frisuren hatten und die Damen sich in Etuikleidern um den Haushalt in der Vorstadt kümmerten. Die Serie „Mad Men“ macht’s möglich, der Trend hält sich seit Jahren und ist mittlerweile auch im allerfadesten Frauenmagazin angekommen. Das aber, was heute noch aus dieser Zeit erhalten ist, ist plötzlich nichts mehr wert. Das Strenge, die Coolness und die Modernität der Sechzigerjahre, das Gefühl, endlich in der Zukunft angekommen zu sein, ist unterwegs verloren gegangen.
Zu einem weiteren Bericht über Fassaden dieser Zeit geht es hier entlang: Link