Dass man in Berlin durch das unkontrollierte Abreißen kulturhistorisch interessanter Bauten das zerstört, was die Stadt eigentlich ausmacht, ist hinlänglich bekannt. Markante Plätze, die in ihrem Aussehen so typisch für die Nachkriegszeit und in ihrer Konzeption so untrennbar mit der einmaligen Geschichte der Stadt verbunden sind, wie die Gegend um den Bahnhof Zoo im Westen der Stadt und der Alexanderplatz im Osten, werden seit Jahren umgestaltet und der Beliebigkeit preisgegeben. Phänomene wie das himbeerfarbene Alexa-Einkaufszentrum oder auch die Tatsache, dass das ehemalige Centrums-Kaufhaus am Alexanderplatz seiner Wabenfassade aus den Sechzigerjahren beraubt und mit beigefarbenem Travertin verkleidet wurde, werden längst von der Bevölkerung akzeptiert. Das Haus des Lehrers mit seinem Mosaik von Walter Womacka und dem elegant verglasten Kongresszentrum (Link) wurden immerhin saniert. Andere Bauten, die fest zum Ensemble des nach dem Zweiten Weltkrieg als das Zentrum Ostdeutschlands neu konzipierten Platz gehören, wurden und werden jedoch abgerissen. Eines davon ist das Haus der Statistik. Oder besteht etwa noch Hoffnung?
Das Haus der Statistik (vorne), Das Haus des Reisens (dahinter) |
Ein Aufmarschplatz nach sozialistischen Idealen
Der Alexanderplatz, der seit Beginn des 20. Jahrhunderts mit seinen Warenhäusern und Straßenbahnen der verkehrsreichste Knotenpunkt Berlins war, sollte nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen der Gründung der DDR weitgehend umgestaltet werden. Nach dem Vorbild des Roten Platzes in Moskau wollte man in Verbindung mit den auf den Alexanderplatz zulaufenden Verkehrsachsen eine Fläche für Paraden, Aufmärsche und Kundgebungen schaffen, weithin sichtbar durch den wie eine Stecknadel in eine Landkarte auf den Platz gepinnten Fernsehturm. Durch das Verlegen von Straßenzügen, der Schaffung von unterirdischen Fußgängerpassagen, das Entfernen der Straßenbahnlinien und nicht zuletzt den Abriss von vierunddreißig Häusern im Jahr 1966 entstand schließlich ein überdimensioniertes Areal von 80 000 Quadratmetern Fläche. Durch die den Platz umgebenden breiten Straßen wurde er zudem vom Rest der Stadt abgekoppelt. Die beiden Gebäude von Peter Behrens (Link) aus den Jahren 1929 bis 1932 wurden dabei allerdings erhalten.
Das Haus der Statistik
Am Rande des nach sozialistischen Idealen entworfenen neuen Zentrums entstanden Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre eine Reihe Bürohäuser, die jeweils einer Berufsbranche gewidmet waren. Neben dem bereits erwähnten Haus des Lehrers fanden sich dort unter anderem auch das haus der Elektroindustrie, das Haus des Reisens und das Haus der Statistik. Letzteres, das aus den Jahren 1968 - 1970 stammt und nach den Plänen der Architekten Manfred Hörner, Peter Senf und Joachim Härter gebaut wurde, steht seit einigen Jahren auf der Abriss-Liste. Ein derart prominentes Zeugnis für ein Land abzureißen, das sowohl für seine Überwachungstätigkeit als auch für seine Planwirtschaft bekannt ist und das sich zudem an einem derart symbolträchtigen Platz befindet, kann man in einer Stadt, die von ihrer Geschichte lebt, nur als kurzsichtig bezeichnen. Tatsächlich belegte zu DDR-Zeiten der Staatssicherheitsdienst die oberen Etagen des Gebäudeensembles, weiter unten befand sich passenderweise der VEB Rechenmaschinen und im Erdgeschoss ein Geschäft namens „Natascha“, in dem man sich auf Produkte aus der UdSSR spezialisiert hatte.
Als Gründe für den geplanten Abriss gibt der Berliner Senat an, die drei zum Ensemble gehörenden Häuser entsprächen nicht mehr den zeitgemäßen Standards für Bürogebäude. Schon seit einem Architekturwettbewerb im Jahr 2009 liegt ein Entwurf für eine überraschend kleinteilige Neubebauung der durch den Abriss frei werdenden Fläche vor, allerdings liegt das Ensemble nach wie vor in aller Ruhe da. Man kann also hoffen, dass der Abriss am Haus der Statistik vorbeigeht und vergessen wird, denn schließlich gibt es in Berlin ja noch so einiges zu zerstören, bevor man auf den Alexanderplatz zurückkehrt.
Zum Vergleich: Der Landesbetrieb Information und Technik in Düsseldorf von Gottfried Böhm, 1972 - 76 (Link)