Auf dem Kreisel |
In Düsseldorf verabschiedet
man sich schon seit einer ganzen Weile von der Idee der Autogerechten Stadt der
Nachkriegszeit und hat beschlossen, gegen den Protest des Bundes Deutscher
Architekten und einer langen Liste düsseldorfer Bürger den Tausendfüßler
abzureißen (Link). Die elegante Hochstraße, die seit den frühen Sechzigerjahren den
Verkehr durch die Innenstadt leitet und zudem das Vergnügen bereitet,
für einen Moment die Stadt und den Hofgarten von oben zu sehen, wird bald durch
einen Tunnel ersetzt sein. Anstatt Dynamik, Schwung und Funktionalität gibt es dann eine Fußgängerzone und ein plumpes Einkaufszentrum, für das bereits jetzt
ein schwäbischer Oberbekleidungshändler gewonnen werden konnte. Tschüss
Moderne, tschüss Modemetropole.
Als ich in den Neunziger-
und frühen Zweitausenderjahren die ersten Male in Berlin war, kam mir die
Gegend um den Bahnhof Zoo und den Ernst Reuter Platz immer ganz merkwürdig
modern und gleichzeitig altmodisch vor, großstädtisch, spektakulär, dynamisch
und vergammelt. So intensiv wie heute hatte ich mich damals noch lange nicht
mit der Architektur der Fünfziger- und Sechzigerjahre beschäftigt, war aber mit
Filmen aus dieser Zeit aufgewachsen und dementsprechend schwer beeindruckt von
der Gegend.
Um den Bahnhof Zoo herum hat
sich seit den Neunzigerjahren viel verändert, es wurde abgerissen und neu gebaut
wie überall und zur Zeit verwandelt man die Gebäude um den Breitscheid Platz in
ein weiters Wohlfühl-Areal. Abgeleitet von Paul Schwebes’ Bikini-Haus aus den
Jahren 1955 - 57 wirbt man nun unter der Marke „Bikini Berlin“ für einen
„Lebensraum als Erlebnisraum“. (Wenn ich groß bin, möchte ich auch mal in einer
PR-Agentur arbeiten und mir solche Slogans ausdenken.)
Die Idee der Autogerechten
Stadt funktioniert in Berlin allerdings noch immer. Unweit des Bahnhofs Zoo breitet sich der Ernst-Reuter-Platz
aus, ein riesiger Kreisel, der scheinbar den gesamten Verkehr der Großstadt
regelt und, umstanden von Hochhäusern und Universitätsgebäuden, der Inbegriff
von Urbanität und Dynamik darstellt. Als Drehort eignet sich Platz natürlich
optimal, wo sonst kann man einfach das Lenkrad ein wenig einschlagen und in
einem riesigen Schwung das modern-coole Feeling der Großstadt einfangen, mit
einem wechselnden Rhythmus von Gebäuden im Vorder- und Hintergrund. In
Düsseldorf vielleicht noch, aber bald wird ja alles unter die Erde verlegt.
Nachtrag: Wie ich gerade
erfahren habe, soll der Ernst-Reuter-Platz 2020 im Rahmen der nächsten IBA in
den Fokus genommen werden. Man denkt über eine Fußgängerzone nach.