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Donnerstag, 8. Januar 2015

Fritz Schaller: Betonpilze am Kölner Dom, 1964 - 70

Brutalism,  post-war modernism, Cologne



Bis vor einigen Monaten standen an der Nordseite des Kölner Doms sechs kantige Betonpilze. Die Pilze waren nicht etwa dem unweit gelegenen Heinzelmännchen-Brunnen entlaufen, sondern markierten den Rand der Domplatte, die dort einen scharfen Absatz macht. Schaute man über die Brüstung der Domplatte, entdeckte man die eigentliche Funktion der Pilze: sie bildeten das Dach einer etwas tiefer gelegenen Bushaltestelle.

Am Ende waren die sechs Pilze das Einzige, was von der Domplatten-Neugestaltung des Kölner Architekten Fritz Schaller noch erhalten war. Schaller hatte 1964 den entsprechenden Wettbewerb gewonnen und sorgte daraufhin dafür, dass das Niveau des Domplatzes auf die Höhe der Eingangspforten des Gebäudes angehoben und eine direkte Verbindung zwischen Dom und Altstadt hergestellt wurde. Mit der Zick-Zack-Linie der aneinander gebauten Pilzdächer und der Brüstung der Domplatte bezog sich Schaller auf die gotischen bzw. neugotischen Formen des Doms. Dies behauptet der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings in einem Artikel des Kölner Stadtanzeigers (Link). Seiner Meinung nach hätten die sechs Dächer auf ihren schlanken Stützen nicht „exekutiert“ werden müssen. Unter dem Artikel versammeln sich in den Kommentaren die üblichen Wutausbrüche, die man dem Beton der Sechzigerjahre gemeinhin entgegenbringt. Auch die Architektur-Fachzeitschrift „Express“ (Link) betont konsequent in mehreren Artikeln, wie hässlich Schallers Betonobjekte seien und lässt ihre Leser wählen, welches Gebäude sie am liebsten abreißen würden. Die Antwort: die schlimmen Pilze stehen auf Platz eins der „Wut-Liste“ des Jahres 2011. Im November 2013 wurden Schallers Betonskulpturen dann abgesägt und entsorgt. Zahllose Rentner, Studenten und so genannte Nachtschwärmer atmeten, so der Kölner Express, daraufhin merklich auf und können sich nun endlich unbehelligt von Schallers neoexpressionistischen Formen zwischen Dom und Hauptbahnhof aufhalten.

Was viele der oben genannten Kritiker nicht ahnen (und was ihnen vermutlich auch egal wäre): zur gleichen Zeit, als Fritz Schaller seine Überdachungen für die Domplatte entwarf, konzipierte der Britische Architekt Patrick Gwynne (Link) einen sehr eleganten Anbau aus Glas und Beton für das Theater Royal in York (Link). Das Theatergebäude aus dem Jahr 1744 hatte 1880 eine neugotische Fassade erhalten. Im selben Jahr wurde der Kölner Dom nach einer Bauzeit, die sich über sechshundert Jahre hinweg gezogen hatte, vollendet. Die Begeisterung des 19. Jahrhunderts für das Mittelalter spielte in beiden Fällen eine Rolle.

Mit seinem Entwurf für das neue Theaterfoyer aus dem Jahr 1967 geht Gwynne auf das Thema „Mock Gothic“ ein, indem er die Form gotischer Gewölbe abstrahiert und zerlegt, sodass daraus riesige Pilze werden, die man nach Belieben in Beton vervielfältigen und aneinander bauen kann. Gwynne nimmt also ein typisches Element aus seinem Zusammenhang heraus, vergrößert es, setzt es mit zeitgenössischen Materialien um, vervielfältigt es als Modul und arrangiert es neu. Fritz Schaller ging vermutlich ähnlich vor.

Man argumentiert in Köln jedoch, dass die besagten Betonpilze Wildpinklern eine unkontrollierbare Plattform geboten hätten. Mit diesem Totschlagargument kann man schließlich jeden Baum absägen.  

Brutalism, Cologne