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Der Tausendfüßler von Friedrich Tamms aus den Jahren 1961-62 |
Leben Gefühl Stadt: der Info-Pavillon, der sich direkt an der Baugrube des Jan-Wellem-Platzes befindet, wirbt mit diesem Slogan für den dort entstehenden Kö-Bogen. Ein Gefühl beschleicht den Besucher an dieser Stelle dort tatsächlich: angesichts der tief aufgerissenen Erde und der gigantischen Dimensionen des Projekts Kö-Bogen macht sich ein Gefühl des Unbehangens bemerkbar.
Dazu trägt auch die Angst um den mittlerweile mit Stahlträgern abgestützten Tausendfüßler bei, Düsseldorfs beliebte Hochstraße, die untrennbar zu dem Ensemble aus Dreischeiben-Haus und Theater gehört. Der Tausendfüßler, der offiziell unter Denkmalschutz steht und gemeinhin als die schönste und eleganteste Hochstraße der Bundesrepublik der Nachkriegszeit gilt, soll abgerissen werden. Gründe dafür nennen Stadt und Kö-Bogen-Investoren viele. Aber gerade mit dem Lebensgefühl einer Stadt zu argumentieren ist denkbar fraglich. So haben doch, wie es sich in den Unterschriftensammlungen der Iniziative Lott Stonn gezeigt hat, ein Großteil der düsseldorfer Bürger das „Gefühl“, der Tausendfüßler müsse erhlaten werden. Worin fußt denn nun dieses Gefühl? Wie entsteht das typische Lebensgefühl in einer Stadt? Meiner Meinung nach sind es die gewachsenen Strukturen, die ein Lebensgefühl ausmachen, die Beziehungen der Bewohner untereinander, aber auch die Gebäude, die nach und nach entstehen, die Plätze auf denen man sich trifft, die markanten Formen an denen man sich orientiert, die Bilder der Stadt im kollektiven Gedächtnis der Bewohner. Verschwindet dann aber mit einem Schlag ein großer Bereich dieser Stadt, ist das ein Schock.
Das Lebensgefühl wird verletzt, Identifikation schwindet. So geschehen beim Abriß des Güterbahnhofs in Derendorf, der mit seinem wöchentlich stattfindenden Flohmarkt für Atmosphäre und Individualität sorgte, die das zur Zeit dort entstehende Wohnquartier nicht ersetzen kann.
Nun gut, Bauland ist teuer. Aber warum man verkehrstechnisch notwendige, funktionierende Bauwerke wie den Tausendfüßler nicht in das sich wandelnde Stadtbild integrieren kann und man stattdessen gigantische Tunnellbauten anlegen will, die den Hofgarten in zwei Hälften unterteilen, die nur noch über einen umständlich zu begehenden Weg miteinander verbunden sind, und die zudem riesige mehrspurige Einfahrten inmitten des Stadtzentrums beanspruchen, bleibt unerklärlich.
Der Schwung geht verloren - sowohl der Schwung den man aufnimmt, wenn man mit dem Fahrrad durch die Jägerhof-Passage im Hofgarten fährt (die dem Tunnelbau weichen soll), als auch der Schwung mit dem man mit dem Auto den Tausendfüßler hinauffährt, für einen Moment die glitzernde Stadt und den Hofgarten von oben sieht und dann sanft wieder hinabgleitet.
Baugeschichtliche, ästhetische, praktische und finanzielle Argumente sprechen für den Erhalt des Tausendfüßlers, denn sie alle bedingen eines: das Lebensgefühl Stadt, für das in Düsseldorf so gerne geworben wird.