Foto: Ellen Heyer |
Als
ich mich noch recht früh am Abend sportlich auf das K20 zubewegte, wurde ich
von einer riesigen Schlange ausgebremst, die sich am Eingang des Museums
gebildet hatte. Offensichtlich hatte die ganze Stadt die gleiche Idee gehabt. Was
findet denn da statt, fragte eine ältere Passantin eine andere Dame angesichts
der Schlange. Da wird eine Ausstellung
eröffnet, war die Antwort. Aha, fragte
die Erste weiter, und ist das ein begabter Künstler? Aaaaahja. Und malt der?
Oder was macht der? - Direkt über der Schlange bzw. der interessierten
Passantin hing ein riesiges Plakat, das auf die Ausstellung und eben auch den
Publikumsmagneten selbst hinwies: Günther Uecker. Auch mit 85 Jahren bot er offensichtlich
noch Anlass zur Neuentdeckung.
Ein
Foto des für seine Nagelbilder bekannten ZERO-Mitbegründers konnte ich an
diesem Abend nicht machen und ich habe den Künstler auch nicht gesehen. Im
einen Moment hatte er sich scheinbar noch, umzingelt von zahllosen Fans, die an
ausgestreckten Armen ihre Smartphones in die Luft hielten, in einer Ecke des
Foyers befunden, dann war er plötzlich verschwunden. Dafür traf ich beinahe
gleichzeitig meine Freundin Ellen und die Düsseldorfer Modeikone Renathe
Blumentrath (Link). Gerade noch vor einigen Tagen hatten wir nämlich alle drei
bei der Modenschau von Thomas Rath unseren Entschluss verkündet, auf jeden Fall
zur Uecker-Vernissage zu gehen. In Düsseldorf, und deswegen ist das einfach
meine Stadt, gehen Mode und Kunst ja immer fließend ineinander über.
In
dem Raum, in dem sich Ueckers Installation „Terrororchester“ befand, war es dem
Titel der Arbeit entsprechend so laut, dass ich, die ich nun schon den zweiten
Tag auf der Schuhmesse GDS verbracht hatte, sehr deutlich zu meiner Freundin
sagte: “Bei Schuhen gibt es ja immer Streit“. Mit dieser populär-psychologischen
Kernaussage, auf deren Basis man beim Privatfernsehen ganze Sendeformate
gestalten würde, drehte sich ein Herr in einem dunkel-olivfarbenen Samtanzug
abrupt um und schaute mich sehr streng an. Es war Richard David Precht. Dann
verschwand er hinter einer vorhangartigen Textilarbeit von Günther Uecker.
Neben
Ueckers mechanischem Orchester traf ich Renate Blumentrath wieder, zu der sich mittlerweile
eine Dame mit einem spektakulären Philip-Treacy-Hut gesellt hatte. Die beiden
erzählten mir, dass Uecker sich riesig über ihren glamourösen Auftritt gefreut
hatte und auch darüber, dass sie seine Ausstellung durch ihre Outfits
angemessen würdigten. Und sie ließen sich von Ellen und mir bereitwillig vor einer
im Foyer zum Verkauf stehenden Uecker-Edition fotografieren. Das wiederum
freute mich riesig. Schließlich fuhren wir weiter nach Oberkassel, um uns die
Eröffnung der Trisha-Donnelly-Ausstellung bei Julia Stoschek anzuschauen.
Trisha Donnelly hatte es durch geschickte Legendenbildung erreicht, dass ihre
eigentliche Existenz tatsächlich über Jahre hinweg nicht ganz nachgewiesen
werden konnte.
Nachdem
ich mehrere Runden durch die Räume der ehemaligen Rahmenfabrik gedreht und mich
intensiv in die sehr liquide wirkenden Projektionen vertieft hatte, sprach mich
im Innenhof des Gebäudes ein Herr an. Ob ich etwa heimlich nicht genehmigte
Presseaufnahmen gemacht hätte? Die Arbeiten, antwortete ich, seien so absolut
ephemer, dass man sie so wie so nicht auf Fotos bannen könne. Die Künstlerin,
erzählte er mir daraufhin, habe sich auch beim offiziellen Pressetermin nicht
fotografieren lassen. Mich allerdings habe er doch am Vortag schon bei der
Schuhmesse gesehen. Es stellte sich heraus, dass er sowohl bei der Messe
Düsseldorf als auch in der Julia Stoschek Collection für alle Fragen der
Sicherheit zuständig war, die er allerdings in beiden Fällen zu keiner Zeit durch
mich gefährdet sah.
In
Düsseldorf ist es vielleicht wirklich eine eigene Kunstform, nicht gesehen und
nicht fotografiert zu werden. Ob sich dieses Konzept jedoch auf lange Sicht bei
den Düsseldorfern selbst durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.
Anmerkung: How not to be seen (Link)