Nach
sechs Jahren des Bloggens muss ich wohl auch einmal etwas über das Bloggen
selbst schreiben.
Scissorella
war ursprünglich der Name des Modelabels, das ich einmal gründen wollte.
Nachdem ich Unmengen von Kleidern entworfen und mich im Lauf der Zeit auch mit
den Mechanismen der Modebranche auseinandergesetzt habe, bin ich diesbezüglich
ein wenig desillusioniert. Es geht dort vor allem darum, dass Trends
beschlossen und umgesetzt werden. Beim Betreiben eines Blogs scheint es ähnlich
zu sein.
Da
ich aus einem Umfeld stamme, in dem man keine Aufgaben gestellt bekommt,
sondern sich seine Aufgaben selbst stellt (was definitiv schwieriger ist), habe
ich meine Kleiderentwürfe immer aus Situationen oder Themen heraus entwickelt,
die mich schwer beeindruckt haben. Dabei spielt bis heute das Motiv der
Besessenheit eine Rolle. Irgendeinen Lehrer hatte ich dabei nicht. John Keats
würde sagen „I believe in nothing but in the truth of the heart’s affection.“ Der Blog namens Scissorella entstand im November 2008
und sollte von meinen verschiedenen künstlerischen Aktionen berichten, von meiner
Herangehensweise und wie ich meine Ideen entwickele. Da die Architektur neben
der Kunst und der Literatur schon immer eine entscheidende Rolle in meinem
Leben gespielt hat, hat über die Jahre der Anteil an Architekturberichten auf
meinem Blog kontinuierlich zugenommen. Mode, Kunst, Architektur und Sprache
sind Bereiche, die untrennbar miteinander verbunden sind. Erst in ihrem
Zusammenklang kann eine Gesamtsicht entstehen.
Das
Bloggen ist in den letzten Jahren jedoch offensichtlich ein Gewerbe für junge
Mädchen geworden, die sich ein Zubrot verdienen wollen, indem sie ihren Körper
und ihr Leben zur Verfügung stellen. Wobei das in anderen Branchen ja nicht
anders ist, geschweige denn in der Kunst. Es geht eben wie immer ums Geld. Man
schaut morgens, welches Wort am häufigsten gegoogelt wird und baut es in seine
Texte ein. Das hat mit Poesie wenig zu tun. Bloggen ist eine Tätigkeit für
junge Mädchen, die einmal einen Bachelor in Medien und Kommunikation erwerben
möchten. Sie schreiben Sätze wie “Bei uns gibt es süße Sachen zu gewinnen“
und „Blütenschimmern berichtet über Strände in Ibiza“, es geht um „Badepralinen
von Zartgefühl“, man träumt einen „Himbeertraum“ und wünscht sich eine „zuckersüße
Woche“. DAS, meine lieben Eltern, passiert, wenn Ihr Euren Kindern kein
Playmobil zu Weihnachten schenkt, und ich meine damit die Originalversionen aus
der Frühzeit der Firma. Gottseidank will die Bundesregierung nun auch noch das
Erlernen der Schreibschrift abschaffen, damit sich die Kinder und zukünftigen
Bacheloretten besser aufs Tippen konzentrieren können.
Ich habe jetzt also sechs Jahre lang
über brachiale Betonarchitektur und bunte Glitzerevents berichtet, über meine
eigenen Projekte, über die Filme, die ich gedreht und die Kostüme, die ich
entworfen und angefertigt habe. Ich habe dabei eine Menge gelernt. Ich habe
hunderte von E-Mails geschrieben und die abstrusesten Sachen organisiert und
erlebt und dabei die interessantesten Leute getroffen. Und ich habe schreiben
gelernt. Immer schon habe ich seitenweise Abhandlungen über meine Skepsis
bezüglich des Lebens und dem etwas zweifelhaften Sinn, der hinter allem steht, formuliert.
Durch den Blog jedoch habe ich mir beigebracht, so zu schreiben, dass es
einigen Lesern tatsächlich Spaß macht, meinen Berichten zu folgen.
Natürlich könnte ich jetzt noch hunderte weitere Texte über vermeintlich spröde Verwaltungsgebäude verfassen, deren subtile Schönheit in der Anordnung von Rechtecken und dem harmonischen Verlauf von horizontalen und vertikalen Linien besteht. Über die sanfte Schönheit von matten Aluminiumfensterrahmen, über die unermesslich opulente Vielfalt von Betonoberflächen, über spiegelnde, bodentiefe Fenster, über all das, was einfach nur wild und aufregend und elegant und nervenaufreibend und zukunftsweisend ist, aber eigentlich geht es mir doch immer nur um den einen Punkt. Es geht mir um das genaue Hinsehen. Wenn man sich einfach anschaut, was sich da im eigenen Blickfeld eigentlich befindet, und sich einfach mal eine eigene Meinung dazu bildet, dann ist doch schon viel erreicht. Dabei ist es egal, ob es sich dabei um einen verkorksten Junggesellen handelt, der die falschen Klamotten anhat, um eine Taube, die sich mit einem Faden die Zehen abschnürt und Hilfe braucht, oder eben um ein Betongebäude, das man mit grauer Ölfarbe angestrichen hat, dessen Form aber dennoch über alles erhaben ist.
Natürlich könnte ich jetzt noch hunderte weitere Texte über vermeintlich spröde Verwaltungsgebäude verfassen, deren subtile Schönheit in der Anordnung von Rechtecken und dem harmonischen Verlauf von horizontalen und vertikalen Linien besteht. Über die sanfte Schönheit von matten Aluminiumfensterrahmen, über die unermesslich opulente Vielfalt von Betonoberflächen, über spiegelnde, bodentiefe Fenster, über all das, was einfach nur wild und aufregend und elegant und nervenaufreibend und zukunftsweisend ist, aber eigentlich geht es mir doch immer nur um den einen Punkt. Es geht mir um das genaue Hinsehen. Wenn man sich einfach anschaut, was sich da im eigenen Blickfeld eigentlich befindet, und sich einfach mal eine eigene Meinung dazu bildet, dann ist doch schon viel erreicht. Dabei ist es egal, ob es sich dabei um einen verkorksten Junggesellen handelt, der die falschen Klamotten anhat, um eine Taube, die sich mit einem Faden die Zehen abschnürt und Hilfe braucht, oder eben um ein Betongebäude, das man mit grauer Ölfarbe angestrichen hat, dessen Form aber dennoch über alles erhaben ist.
DAS sind die Gründe, weswegen ich hier
eisern weiterschreibe, weiterhin von Pontius zu Pilatus renne, um irgendwelches
Geheimwissen zu erfahren, um irgendwelche Fotos von irgendwelchen traurigen
Bauten zu machen oder von Leuten, die sich für einen Abend im Jahr als
Filmschauspieler verkleiden.
Aber. Was ich hier nicht mehr sehen
möchte, das sind:
- Ältere
Herren, der sich zum Zeichen ihrer Kulturbeflissenheit ein kleines Tuch um den
Hals gebunden haben, ein urban-rustikales Sakko dazu tragen, meine
Herangehensweise „rührend“ finden und der Meinung sind, man sollte Gebäude aus
den 60erjahren prinzipiell abreißen. Legt bitte mal Eure verknarzten
Verklemmungen ab und schlagt nach, was die Worte Begeisterung und Leidenschaft bedeuten.
- Typen,
die einen megalustigen Surfurlaub planen, bei denen auch ein spaßiges Video
gedreht werden soll, die mich fragen, ob ich ihnen nicht mal ein Kostüm oder
ein Schnittmuster für ein Kostüm leihen möchte. Fragt doch bitte bei Edith Head
nach, ob sie Euch was leiht.
- Leute,
die für die Internetseite eines Senders mal schnell ein Foto benötigen, natürlich
unentgeltlich, und wenn man, nachdem man sich mal wieder gesagt hat, dass das
ja vielleicht ein ganz positiver Kontakt sein könnte und das Bild (natürlich in
einer überarbeiteten Version) versendet hat, einem freundlich mitteilen, dass
man das Foto jetzt doch nicht braucht.
- Korrespondenzverweigerung
- Leute, die mir erklären, dass Tauben
und andere Wildtiere prinzipiell die Pest haben.
So, Ihr lieben Freunde der
Schöngeistigkeit, IHR seid jetzt gebrieft, ICH geh’ jetzt zum
Astronauten-Bodentraining, und dann geht die rasante Fahrt mit meiner
Glitzerdepesche weiter. Dabei ist, wer einsteigt, und wer keine Lust dazu hat,
kann ja am Straßenrand warten, ob er per Anhalter mitgenommen wird. Bis bald.