MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

Mittwoch, 28. Januar 2015

Ansage.

Nach sechs Jahren des Bloggens muss ich wohl auch einmal etwas über das Bloggen selbst schreiben.

Scissorella war ursprünglich der Name des Modelabels, das ich einmal gründen wollte. Nachdem ich Unmengen von Kleidern entworfen und mich im Lauf der Zeit auch mit den Mechanismen der Modebranche auseinandergesetzt habe, bin ich diesbezüglich ein wenig desillusioniert. Es geht dort vor allem darum, dass Trends beschlossen und umgesetzt werden. Beim Betreiben eines Blogs scheint es ähnlich zu sein.

Da ich aus einem Umfeld stamme, in dem man keine Aufgaben gestellt bekommt, sondern sich seine Aufgaben selbst stellt (was definitiv schwieriger ist), habe ich meine Kleiderentwürfe immer aus Situationen oder Themen heraus entwickelt, die mich schwer beeindruckt haben. Dabei spielt bis heute das Motiv der Besessenheit eine Rolle. Irgendeinen Lehrer hatte ich dabei nicht. John Keats würde sagen „I believe in nothing but in the truth of the heart’s affection.“ Der Blog namens Scissorella entstand im November 2008 und sollte von meinen verschiedenen künstlerischen Aktionen berichten, von meiner Herangehensweise und wie ich meine Ideen entwickele. Da die Architektur neben der Kunst und der Literatur schon immer eine entscheidende Rolle in meinem Leben gespielt hat, hat über die Jahre der Anteil an Architekturberichten auf meinem Blog kontinuierlich zugenommen. Mode, Kunst, Architektur und Sprache sind Bereiche, die untrennbar miteinander verbunden sind. Erst in ihrem Zusammenklang kann eine Gesamtsicht entstehen.

Das Bloggen ist in den letzten Jahren jedoch offensichtlich ein Gewerbe für junge Mädchen geworden, die sich ein Zubrot verdienen wollen, indem sie ihren Körper und ihr Leben zur Verfügung stellen. Wobei das in anderen Branchen ja nicht anders ist, geschweige denn in der Kunst. Es geht eben wie immer ums Geld. Man schaut morgens, welches Wort am häufigsten gegoogelt wird und baut es in seine Texte ein. Das hat mit Poesie wenig zu tun. Bloggen ist eine Tätigkeit für junge Mädchen, die einmal einen Bachelor in Medien und Kommunikation erwerben möchten. Sie schreiben Sätze wie “Bei uns gibt es süße Sachen zu gewinnen“ und „Blütenschimmern berichtet über Strände in Ibiza“, es geht um „Badepralinen von Zartgefühl“, man träumt einen „Himbeertraum“ und wünscht sich eine „zuckersüße Woche“. DAS, meine lieben Eltern, passiert, wenn Ihr Euren Kindern kein Playmobil zu Weihnachten schenkt, und ich meine damit die Originalversionen aus der Frühzeit der Firma. Gottseidank will die Bundesregierung nun auch noch das Erlernen der Schreibschrift abschaffen, damit sich die Kinder und zukünftigen Bacheloretten besser aufs Tippen konzentrieren können.

Ich habe jetzt also sechs Jahre lang über brachiale Betonarchitektur und bunte Glitzerevents berichtet, über meine eigenen Projekte, über die Filme, die ich gedreht und die Kostüme, die ich entworfen und angefertigt habe. Ich habe dabei eine Menge gelernt. Ich habe hunderte von E-Mails geschrieben und die abstrusesten Sachen organisiert und erlebt und dabei die interessantesten Leute getroffen. Und ich habe schreiben gelernt. Immer schon habe ich seitenweise Abhandlungen über meine Skepsis bezüglich des Lebens und dem etwas zweifelhaften Sinn, der hinter allem steht, formuliert. Durch den Blog jedoch habe ich mir beigebracht, so zu schreiben, dass es einigen Lesern tatsächlich Spaß macht, meinen Berichten zu folgen. 

Natürlich könnte ich jetzt noch hunderte weitere Texte über vermeintlich spröde Verwaltungsgebäude verfassen, deren subtile Schönheit in der Anordnung von Rechtecken und dem harmonischen Verlauf von horizontalen und vertikalen Linien besteht. Über die sanfte Schönheit von matten Aluminiumfensterrahmen, über die unermesslich opulente Vielfalt von Betonoberflächen, über spiegelnde, bodentiefe Fenster, über all das, was einfach nur wild und aufregend und elegant und  nervenaufreibend und zukunftsweisend ist, aber eigentlich geht es mir doch immer nur um den einen Punkt. Es geht mir um das genaue Hinsehen. Wenn man sich einfach anschaut, was sich da im eigenen Blickfeld eigentlich befindet, und sich einfach mal eine eigene Meinung dazu bildet, dann ist doch schon viel erreicht. Dabei ist es egal, ob es sich dabei um einen verkorksten Junggesellen handelt, der die falschen Klamotten anhat, um eine Taube, die sich mit einem Faden die Zehen abschnürt und Hilfe braucht, oder eben um ein Betongebäude, das man mit grauer Ölfarbe angestrichen hat, dessen Form aber dennoch über alles erhaben ist.

DAS sind die Gründe, weswegen ich hier eisern weiterschreibe, weiterhin von Pontius zu Pilatus renne, um irgendwelches Geheimwissen zu erfahren, um irgendwelche Fotos von irgendwelchen traurigen Bauten zu machen oder von Leuten, die sich für einen Abend im Jahr als Filmschauspieler verkleiden.  
Aber. Was ich hier nicht mehr sehen möchte, das sind:

- Ältere Herren, der sich zum Zeichen ihrer Kulturbeflissenheit ein kleines Tuch um den Hals gebunden haben, ein urban-rustikales Sakko dazu tragen, meine Herangehensweise „rührend“ finden und der Meinung sind, man sollte Gebäude aus den 60erjahren prinzipiell abreißen. Legt bitte mal Eure verknarzten Verklemmungen ab und schlagt nach, was die Worte Begeisterung und Leidenschaft bedeuten.

- Typen, die einen megalustigen Surfurlaub planen, bei denen auch ein spaßiges Video gedreht werden soll, die mich fragen, ob ich ihnen nicht mal ein Kostüm oder ein Schnittmuster für ein Kostüm leihen möchte. Fragt doch bitte bei Edith Head nach, ob sie Euch was leiht.

- Leute, die für die Internetseite eines Senders mal schnell ein Foto benötigen, natürlich unentgeltlich, und wenn man, nachdem man sich mal wieder gesagt hat, dass das ja vielleicht ein ganz positiver Kontakt sein könnte und das Bild (natürlich in einer überarbeiteten Version) versendet hat, einem freundlich mitteilen, dass man das Foto jetzt doch nicht braucht.

- Korrespondenzverweigerung

- Leute, die mir erklären, dass Tauben und andere Wildtiere prinzipiell die Pest haben.

So, Ihr lieben Freunde der Schöngeistigkeit, IHR seid jetzt gebrieft, ICH geh’ jetzt zum Astronauten-Bodentraining, und dann geht die rasante Fahrt mit meiner Glitzerdepesche weiter. Dabei ist, wer einsteigt, und wer keine Lust dazu hat, kann ja am Straßenrand warten, ob er per Anhalter mitgenommen wird. Bis bald.