Am
9. August fand auf dem Gelände der Langen Foundation auf der Insel Hombroich bei
Neuss Otto Pienes Sky Event statt. Die Schönheit, die der gesamten
Veranstaltung innewohnte, ging einher mit einer genauso großen Tragik, und das
gleich in mehrerer Hinsicht. Die
Idee Otto Pienes, nichts weniger als den Himmel als seine Leinwand zu
verwenden, stammt aus den Nachkriegsjahren. Seit dieser Zeit hat er immer
wieder seine aufblasbaren Elemente in den Himmel geschickt, beispielsweise über dem
Guggenheim Museum in New York. Die eleganten Schwünge von Frei Ottos
Zeltdachkonstruktion in München setzte Otto Piene bei den Olympischen Spielen
1972 bis weit in den Himmel fort und überspannte den gesamten Olympia-See mit
einem 700 Meter langen Regenbogen.
Am
16. Juli 2014 wurde schließlich Otto Pienes Ausstellung mit dem Titel „More
Sky“ in der Neuen Nationalgalerie in Berlin eröffnet. Am Tag darauf kletterte
der Sechsundachzigjährige auf das Dach von Mies van der Rohes Museumsbau um
dort an den Vorbereitungen für das geplante Sky Event über Berlin weiter zu
arbeiten. Am gleichen Tag verstarb Otto Piene während einer Taxifahrt. Das Sky
Event über der Neuen Nationalgalerie fand am 19. Juli dennoch ganz im Sinne des
Künstlers statt (Link). Nun
also sollten am 9. August Pienes Flugelemente über Tadao Andos Gebäude der
Langen Foundation aufsteigen, nachdem das Sky Event, bereits für den Juni
geplant, aus technischen Gründen schon einmal verschoben worden war. Auf diese
Weise konnte Otto Piene weder sein Himmelsevent in Berlin noch seine
aufblasbaren Sterne über der Langen Foundation in Neuss miterleben. Der architektonische
Rahmen für die mehrstündige Großinszenierung war zumindest vergleichbar und Otto
Piene wäre absolut begeistert gewesen von dem Fest, das ihm zu Ehren gefeiert
wurde. Umso tragischer war es, dass der Ehrengast nicht dabei sein konnte.
Eine
ganz ähnliche Geschichte lässt sich auch über das Haus für Musiker des Architekten
Raimund Abraham erzählen, das an diesem Abend seine volle Wirkung entfalten
sollte. Bei der Architekturbiennale in Venedig hatte Erwin Heerich, von dem die
Backsteipavillons auf der Insel Hoimbroich stammen, den Entwurf von Raimund
Abraham bereits im Jahr 1996 entdeckt, was schließlich zehn Jahre später zur
Grundsteinlegung des Gebäudes in Neuss führte. Als Abraham 2010 nach einem
Vortrag, den er genau über dieses Gebäude gehalten hatte, nach Hause fuhr, in
Downtown L.A. in einen Unfall verwickelt wurde und in seinem Auto starb, war
das Haus für Musiker noch nicht vollendet (Link). An Peter Greenaways Film „Der Bauch des Architekten“ mag man bei der Geschichte
denken, bei dem sich der Protagonist bei der Eröffnung der Ausstellung, an
deren Planung er jahrelang gearbeitet hatte, aus dem Fenster stürzt und auf
einem Autodach stirbt.
Opulent-geheimnisvoll
war auch der weitere Verlauf des Abends. Nachdem sich alle drei Sterne Otto
Pienes nach langem Auf- und Abrollen von Leinen, Verschnüren von Luftschläuchen
und durch den Einsatz unzähliger Helfer in den Himmel erhoben hatten, begann im
Abraham Bau das Konzert des Düsseldorfer Pianisten Hauschka, dessen metallisch
klirrende Akkorde weit über das Gelände wehten. Die cembaloartigen Klänge, die er
durch Flaschendeckel und Pingpongbälle erzeugte, die auf den Saiten des Flügels
vibrierten, verstärkten in ihrem harmonischen Hall die unwirkliche Atmosphäre der
aufziehenden Sommernacht. Der scharfkantig-technische Sound entsprach in seiner
Harmonie dem Zusammenspiel der spitzwinkligen und runden Formen des
Konzertgebäudes, in dessen rundes, beinahe schwebendes Betondachdach ein Dreieck
geschnitten war, das den Blick auf den Himmel freigab. Der fast volle Mond
stand schon über der ehemaligen Raketenbasis, als Hauschka seine gesammelten
Utensilien aus dem Körper des Flügels herausräumte und ihm so seinen
ursprünglichen weichen Klang zurückgab.
Ich
denke, dass sowohl Piene als auch Abraham von der Brüstung des
Gebäudes herabgeschaut hätten, auf das berauschte Publikum, den Turm der
Raketenbasis und auf den Mond, der sich mittlerweile zu den über allem schwebenden
aufblasbaren Sternen gesellt hatte, und recht zufrieden gewesen wären.
Zu weiteren Aufblas-Elementen mit Sechzigerjahres-Bezug geht es hier entlang:
Hollein: Das aufblasbare Büro (Link)
Christo: Big Air Package (Link)