MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

Samstag, 1. Dezember 2012

Weltraumarchitektin Dr. Barbara Imhof: Die Stadt als Raumschiff / Max Grüter: Kosmonautenherz - Space Program in der Kunstakademie Düsseldorf und im Malkasten


Start in der Kunstakademie Düsseldorf
Über Weltraumarchitektur habe ich hier schon oft berichtet, wenn man mal an das Futuro (Link), die Chemosphere (Link), das Colani-Ufo (Link) und den Spodek (Link) denkt. Flugfähig sind all diese Objekte allerdings nur in unserer Phantasie. Mit echter Weltraumrauarchitektur, die einige tausend Kilometer über uns im All schwebt, kommen dagegen nur die wenigsten von uns in Berührung. So war ich natürlich begeistert, durch den Vortag von Frau Dr. Barbara Imhof in der Kunstakademie Düsseldorf zu erfahren, nach welchen Kriterien Raumstationen und Mondmobile entworfen werden, die jenseits von Science-Fiction-Ideen wirklich funktionieren müssen. Dr. Barbara Imhof ist als Architektin bei Liquifer (Link) tätig, einem Unternehmen, das in der Zusammenarbeit mit  beispielsweise der NASA oder der ESA Möglichkeiten des Zusammenlebens in Raumstationen und auf der Erde erforscht und dazu Lösungen entwickelt.
Fortsetzung in der Jacobivilla im Malkasten
Ausgangspunkt des Vortrags war das Leben in den ständig wachsenden Megacities wie z.B. Bombay, wobei Frau Dr. Imhof diverse Parallelen zwischen der Stadt im Allgemeinen und der Raumstation zieht. Beispielsweise geht es dabei um die Frage, wie man sich auf engstem Raum noch ein wenig Privatsphäre erhält und Mitglieder verschiedenster Kulturen miteinander zurechtkommen. Für den Rückzug in den eigenen Bereich entwickelte die Firma Liquifer z.B. modulartig aufstellbare Faltkammern, die in der Raumstation ISS im Einsatz sind (Link). Auch das Entwerfen von Schlafsäcken spielt bei Liquifer eine große Rolle, da man in der Schwerelosigkeit beim Einschlafen in eine typische Schlafhaltung sackt, die ganz spezielle Anforderungen an ein funktionales Design stellen.

Grafiken von Max Grüter in der Jacobivilla
Die Stadt vergleicht Frau Dr. Imhof aber auch mit der Raumstation, da es sich in beiden Fällen um mehr oder weniger geschlossene Systeme handelt, in denen im Idealfall alles wiederverwertet werden sollte bzw. eine möglichst große Multifunktionalität der einzelnen Elemente besteht.

In ihrem Vortrag ging die Referentin auch darauf ein, wie einerseits nach wie vor unsere gesamte Vorstellung von Weltraumdesign durch Kubricks Film „2001“ aus dem Jahr 1968 geprägt ist, sich die zeitgenössische Weltraumarchitektur nach wie vor an den Ideen von Visionären des frühen 20. Jahrhunderts wie Buckminster-Fuller und Friedrich Kiesler orientieren. „If you want to predict the future, you have to design it,” zitiert Dr. Imhof Buckminster-Fuller und betrachtet man sich Kieslers „Endless House“ mit seinen fließend ineinander übergehenden Räumen (Link) , so ist der Vergleich mit dem Schweben durch die schlauchartig miteinander verbundenen Elemente einer Raumstation durchaus nachvollziehbar.
Dank an Ellen und Oliver für das schnittige Foto von mir!
Das Prinzip des Auseinanderfaltens spielt nicht nur bei den oben genannten Rückzugsmodulen der ISS eine Rolle, sondern war von Anfang an ein wichtiges Element der Weltraumtechnik. So wurde schon das erste Mondfahrzeug von zwei Astronauten auf der Mondoberfläche mit Seilen manuell auseinander geklappt und auch das Unterwasser-Habitat, das Liquifer mit der von Jacques Cousteau gegründeten Firma Comex (Link) erarbeitet hat, faltet man am Meeresgrund auf und füllt die einzelnen Kammern des Gebäudes mit Wasser bzw. mit  Wasserpflanzen. Dabei ist das geplante Unterwasser-Habitat als Vorstufe zu einem Pendant im All gedacht und als Übungsmöglichkeit für Astronauten, da man Schwerelosigkeit unter Wasser gut simulieren kann. (Dabei fiel der Ausdruck „Simulationsastronaut“, den ich vielleicht in Zukunft öfter mal in ein Gespräch mit einfließen lassen sollte.)

Um noch einmal auf das Thema Mond- /Marsfahrzeug zurück zu kommen: hierfür bietet die Weltraumarchitektin ebenfalls eine Lösung: RAMA - Rover for Advanced Mission Applications. Auch hier geht es um die Transformierbarkeit der einzelnen Elemente auf engstem Raum. Vor allem die Idee des Suitports fasziniert mich dabei: das Fahrzeug verlassen kann man nur durch die mit dem Ausgang verbundenen Raumanzüge, die alle lebenserhaltenden Systeme beinhalten. Man steigt von hinten in den Anzug ein um dann vorwärts das Gefährt zu verlassen. Wenn man hier wiederum den Rückschluß auf das Leben auf der Erde zieht, so kann man beinahe sagen, daß die Kleidung eine Verlängerung der Behausung darstellt und den Kontakt zur Außenwelt ermöglicht. In der Animation, die ebenfalls während des Vortrags gezeigt wurde, kann man das System nachvollziehen:



Beeindruckend war zudem auch der Hinweis, daß es gar nicht Astronauten sind, die eine Raumstation zusammenbauen, sondern daß sich das gesamte Gebäude robotisch selbst zusammensetzt und die Besatzung lediglich kontrolliert und eventuell Schrauben nachzieht.

Der Vortrag endete schließlich mit einer Einladung in den Malkasten, wo er seine Fortsetzung in einer Ausstellung des Schweizer Grafikers Max Grüter fand und Frau Dr. Imhof noch einmal referierte.

Mit der dem Malkasten angeschlossenen Jacobivilla hatten die Ausstellungsmacher den optimalen Ort für eine Veranstaltung gefunden, die so sehr der Verbindung zwischen cooler Technik und menschlicher Phantasie gewidmet war. So wie sich in „2001“ barockes Ameublement mit glänzenden weißen Oberflächen und Neonlich verbindet, so spiegelten sich auch in der Malkasten-Villa Grüters vielteilige Astronauten-Grafiken in vergoldeten Spiegeln unter funkelnden Kronleuchtern.

Die Astronauten, die in der RAMA-Animation mit dem Weltraum-Mobil unterwegs sind, hatte übrigens ebenfalls Max Grüter entworfen. So schließt sich der Kreis, und dazu passt dann schließlich auch, daß die Brötchen, die ich bei der Vernissage dabei hatte, verdächtig nach Mondgeröll aussahen. Eine gewisse Ähnlichkeit zu Grüters Kosmos-Brocken und Astronauten-Herzen konnte man nicht von der Hand weisen. So ist das eben: den Weltraum hat man immer bei sich, egal, ob auf der Erde oder direkt vor Ort.