Start in der Kunstakademie Düsseldorf |
Über Weltraumarchitektur
habe ich hier schon oft berichtet, wenn man mal an das Futuro (Link), die Chemosphere (Link),
das Colani-Ufo (Link) und den Spodek (Link) denkt. Flugfähig sind all diese Objekte
allerdings nur in unserer Phantasie. Mit echter Weltraumrauarchitektur, die
einige tausend Kilometer über uns im All schwebt, kommen dagegen nur die
wenigsten von uns in Berührung. So war ich natürlich begeistert, durch den
Vortag von Frau Dr. Barbara Imhof in der Kunstakademie Düsseldorf zu erfahren,
nach welchen Kriterien Raumstationen und Mondmobile entworfen werden, die
jenseits von Science-Fiction-Ideen wirklich funktionieren müssen. Dr. Barbara Imhof
ist als Architektin bei Liquifer (Link) tätig, einem Unternehmen, das in der
Zusammenarbeit mit beispielsweise der
NASA oder der ESA Möglichkeiten des Zusammenlebens in Raumstationen und auf der
Erde erforscht und dazu Lösungen entwickelt.
Fortsetzung in der Jacobivilla im Malkasten |
Ausgangspunkt des Vortrags
war das Leben in den ständig wachsenden Megacities wie z.B. Bombay, wobei Frau
Dr. Imhof diverse Parallelen zwischen der Stadt im Allgemeinen und der
Raumstation zieht. Beispielsweise geht es dabei um die Frage, wie man sich auf
engstem Raum noch ein wenig Privatsphäre erhält und Mitglieder verschiedenster
Kulturen miteinander zurechtkommen. Für den Rückzug in den eigenen Bereich entwickelte
die Firma Liquifer z.B. modulartig aufstellbare Faltkammern, die in der
Raumstation ISS im Einsatz sind (Link). Auch das Entwerfen von Schlafsäcken
spielt bei Liquifer eine große Rolle, da man in der Schwerelosigkeit beim
Einschlafen in eine typische Schlafhaltung sackt, die ganz spezielle
Anforderungen an ein funktionales Design stellen.
Grafiken von Max Grüter in der Jacobivilla |
Die Stadt vergleicht Frau
Dr. Imhof aber auch mit der Raumstation, da es sich in beiden Fällen um mehr
oder weniger geschlossene Systeme handelt, in denen im Idealfall alles
wiederverwertet werden sollte bzw. eine möglichst große Multifunktionalität der
einzelnen Elemente besteht.
In ihrem Vortrag ging die
Referentin auch darauf ein, wie einerseits nach wie vor unsere gesamte
Vorstellung von Weltraumdesign durch Kubricks Film „2001“ aus dem Jahr 1968
geprägt ist, sich die zeitgenössische Weltraumarchitektur nach wie vor an den
Ideen von Visionären des frühen 20. Jahrhunderts wie Buckminster-Fuller und
Friedrich Kiesler orientieren. „If you want to predict the future, you have to
design it,” zitiert Dr. Imhof Buckminster-Fuller und betrachtet man sich
Kieslers „Endless House“ mit seinen fließend ineinander übergehenden Räumen (Link)
, so ist der Vergleich mit dem Schweben
durch die schlauchartig miteinander verbundenen Elemente einer Raumstation
durchaus nachvollziehbar.
Das Prinzip des
Auseinanderfaltens spielt nicht nur bei den oben genannten Rückzugsmodulen der
ISS eine Rolle, sondern war von Anfang an ein wichtiges Element der
Weltraumtechnik. So wurde schon das erste Mondfahrzeug von zwei Astronauten auf
der Mondoberfläche mit Seilen manuell auseinander geklappt und auch das Unterwasser-Habitat,
das Liquifer mit der von Jacques Cousteau gegründeten Firma Comex (Link) erarbeitet
hat, faltet man am Meeresgrund auf und füllt die einzelnen Kammern des Gebäudes
mit Wasser bzw. mit Wasserpflanzen.
Dabei ist das geplante Unterwasser-Habitat als Vorstufe zu einem Pendant im All
gedacht und als Übungsmöglichkeit für Astronauten, da man Schwerelosigkeit
unter Wasser gut simulieren kann. (Dabei fiel der Ausdruck
„Simulationsastronaut“, den ich vielleicht in Zukunft öfter mal in ein Gespräch
mit einfließen lassen sollte.)
Um noch einmal auf das Thema
Mond- /Marsfahrzeug zurück zu kommen: hierfür bietet die Weltraumarchitektin ebenfalls
eine Lösung: RAMA - Rover for Advanced Mission Applications. Auch hier geht es
um die Transformierbarkeit der einzelnen Elemente auf engstem Raum. Vor allem
die Idee des Suitports fasziniert mich dabei: das Fahrzeug verlassen kann man
nur durch die mit dem Ausgang verbundenen Raumanzüge, die alle lebenserhaltenden
Systeme beinhalten. Man steigt von hinten in den Anzug ein um dann vorwärts das
Gefährt zu verlassen. Wenn man hier wiederum den Rückschluß auf das Leben auf
der Erde zieht, so kann man beinahe sagen, daß die Kleidung eine Verlängerung
der Behausung darstellt und den Kontakt zur Außenwelt ermöglicht. In der
Animation, die ebenfalls während des Vortrags gezeigt wurde, kann man das System
nachvollziehen:
Beeindruckend war zudem auch
der Hinweis, daß es gar nicht Astronauten sind, die eine Raumstation
zusammenbauen, sondern daß sich das gesamte Gebäude robotisch selbst zusammensetzt
und die Besatzung lediglich kontrolliert und eventuell Schrauben nachzieht.
Der Vortrag endete
schließlich mit einer Einladung in den Malkasten, wo er seine
Fortsetzung in einer Ausstellung des Schweizer Grafikers Max Grüter fand und
Frau Dr. Imhof noch einmal referierte.
Mit der dem Malkasten
angeschlossenen Jacobivilla hatten die Ausstellungsmacher den optimalen Ort für
eine Veranstaltung gefunden, die so sehr der Verbindung zwischen cooler Technik
und menschlicher Phantasie gewidmet war. So wie sich in „2001“ barockes
Ameublement mit glänzenden weißen Oberflächen und Neonlich verbindet, so
spiegelten sich auch in der Malkasten-Villa Grüters vielteilige Astronauten-Grafiken
in vergoldeten Spiegeln unter funkelnden Kronleuchtern.
Die Astronauten, die in der
RAMA-Animation mit dem Weltraum-Mobil unterwegs sind, hatte übrigens ebenfalls
Max Grüter entworfen. So schließt sich der Kreis, und dazu passt dann
schließlich auch, daß die Brötchen, die ich bei der Vernissage dabei hatte,
verdächtig nach Mondgeröll aussahen. Eine gewisse Ähnlichkeit zu Grüters
Kosmos-Brocken und Astronauten-Herzen konnte man nicht von der Hand weisen. So
ist das eben: den Weltraum hat man immer bei sich, egal, ob auf der Erde oder
direkt vor Ort.