Online Fashion-Shop des Jahres 2012: Kauf Dich glücklich |
Dank der Presse- und
Lifestyle-Agentur Textschwester hatte ich kürzlich das Vergnügen, am 2. Digital
Fashion Day (Link) teilzunehmen, der zum wiederholten Mal im InterContinental-Hotel in
Düsseldorf stattfand. „Fashion goes E-Commerce” lautete das Thema der vom TM
Magazin organisierten Veranstaltung, die über den Tag hinweg diverse Vorträge
über Online-Marketing-Strategien bot und in der Prämierung des Online Fashion-Shops des
Jahres 2012 gipfelte. Der Online-Shop an sich stand im Mittelpunkt der
Vortragsreihe und es wurden dabei ganz unterschiedliche Aspekte behandelt, die
zum erfolgreichen Gründen und betreiben einer Online-Plattform notwendig sind.
Beispielsweise wurde auf Rechtsfallen im Bereich der Suchmaschinen-Optimierung
hingewiesen, auf die Notwendigkeit von I-Phone-Apps oder auf die Nachteile, die
das Verkaufen der Ware über Plattformen wie Zalando oder Amazon für den
Hersteller mit sich bringen. Ein ganz wichtige Aspekt besteht nämlich nach wie
vor im Sammeln von Kundeninformationen, die die genannten Online-Shops
tatsächlich nicht an die Hersteller weitergeben, wie man beim Digital Fashion
Day erfuhr. Wie zu vermuten war, generiert sich ein Großteil der Kundendaten
über Facebook und es war faszinierend zu hören, wie man sich von der Seite der
Werbung aus vorstellt, dass der Kunde jedes Detail seiner „customer juorney“ dem
digitalen Tagebuch anvertraut, also die Zeit zwischen dem ersten Blick auf ein
Kaufobjekt, z.B. in einer Zeitschrift, bis hin zum Kauf selbst. So können die
Freundinnen ein bestimmtes Kleid liken und damit der potentiellen Käuferin die
Entscheidung erleichtern. Auch der Lebenspartner bekommt auf diese Weise einen
Anhaltspunkt dafür, was er ihr schenken muss um den Werbungsvorgang abzukürzen.
Es muss eine Verbindung hergestellt werden zwischen der digitalen und der
realen Welt, da ja nach wie vor nicht alles im Internet gekauft wird. Denn, und
wir kommen direkt zu DEM Schlüsselbegriff, das „experience shopping“ ist von
größter Bedeutung. Der Kunde will emotional abgeholt werden, ob im Internet oder direkt am „point of sale“ im Laden. Überhaupt ist es
erstaunlich, dass man offensichtlich ohne ein gewisses Repertoire an
Anglizismen im Bereich der Werbung auch heute noch, jenseits der Neunzigerjahre,
nicht auskommt.
Vom "point of sale" war die
Rede, vom "point of experience" und von einem Phänomen, das man als
Gewerbetreibender niemals zulassen darf: den Bedarfskauf. Ich oute mich an
dieser Stelle als klassische Bedarfskäuferin, die weder emotional noch
erlebnismäßig angesprochen werden möchte sondern einfach nur langlebige
Funktionalität und ein ordentliches Design haben will. (Oh Gott, jetzt ist es
’raus, jetzt werde ich nie wieder zu einer Champagner-Gala eingeladen.) Insofern
verstehe ich diese Facebook-Angst auch nicht so recht. Da können auf den
riesigen Servern im Silicon Valley noch so viele Daten gespeichert sein, die
Auskunft darüber geben, wann ich bei welchem Katzenfoto auf „Like“ geklickt
habe, und noch so viel personalisierte Werbung über meinen Weltempfänger
flackern. Kaufe ich deswegen einfach so festliche Tischwäsche zum Jahreswechsel
oder trendige Boots in Saisonfarben?
Um mal den Bezug zum
derzeitigen Kunstgeschehen herzustellen: der 75jährige britische Maler David
Hockney sträubt sich nicht gegen aktuelle Phänomene der Popkultur. Wie damals,
als er in den Sechzigerjahren als Vertreter der Pop-Art bekannt wurde (auch
wenn er sich heute gegen diese Bezeichnung wehrt), setzt er sich auch jetzt mit
zeitgenössischen Trends auseinander und adaptiert sie für seine Kunst. So zeigt
er zur Zeit in der groß angelegten Ausstellung im kölner Museum Ludwig, das ich
letzte Woche besucht habe, nicht nur riesige, farbintensive Landschaftsgemälde
(Stichwort „The Bigger Picture“), sondern auch die Resultate seiner Beschäftigung
mit I-Phone-Apps, mit deren Hilfe man in allen möglichen Techniken malen kann
und die nun auf I-Pads und I-Phones präsentiert werden.
Und was schließe ich aus all
dem nun für meinen Blog? Soll ich Euch noch mehr emotional abholen? Neue „touchpoints
in der community“ schaffen mit noch mehr „experience“ und „sensation“? Im Klartext:
ein Webcam-Girl einstellen? Oder, schlimmer noch: einen Webcam-Boy, mit dem Ihr
Euch mittels einer eigener App über Kunst am Bau unterhalten könnt? Oder
bedeutet "emotional abholen" einfach nur eine Fahrt mit Bus und Bahn zu
den schönsten abrißgefährdeten Betongebäuden der letzten hundert Jahre, mit
Schnittchen und Copacabana-Cocktails? Hinweise aus der Bevölkerung nehme ich
jederzeit gerne entgegen. Schreibt mir Kommentare!