MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

Freitag, 12. September 2014

Phantasialand Brühl: Abschied vom Space-Age

Dschungel-grün anstatt weiß-silbern: Das ehemalige Space Center


Vor kurzem hatte ich die Möglichkeit, mir einmal Gedanken über das mir bis dahin unbekannte Terrain der Freizeitpark-Architektur zu machen. Wer sich für Las Vegas begeistern kann (Link), für den ist auch ein bereits im Jahr 1967 gegründeter Freizeitpark von Interesse - das Phantasialand bei Brühl.

Von modernen Freizeitparks und Weltausstellungen erwartet man zwei Grundelemente: eine Einschienenbahn und eine geodätische Kuppel. Sowohl Bahn als auch Kuppel bildeten bis vor wenigen Jahren im Phantasialand eine Einheit und der Anblick des Phantasialand Jets, dessen stromlinienförmige Waggons an der goldenen Kuppel des Galaxy-Flugsimulators vorbeiglitten, muss tatsächlich einen Hauch von Seattle und Montreal gehabt haben. Bei dem Brühler Jet aus dem Jahr 1972 handelte es sich jedoch nicht um eine echte Alweg Bahn, wie die Nähe zu Köln vermuten lässt. Dort nämlich hatte die Firma Alweg (Link) in der Fühlinger Heide bereits im Jahr 1950 mit der Entwicklung einer Einschienenbahn begonnen, die 1959 ins Disneyland nach Los Angeles und 1962 anlässlich der Weltausstellung auch nach Seattle exportiert wurde. Von der Alweg Teststrecke ist in Köln leider nichts mehr erhalten, genau so wie vom Phantasialand Jet, der in Wirklichkeit vom Achterbahn-Experten Schwarzkopf stammt (Link).

Zum Glück nur umgebaut und nicht abgerissen: die geodätische Kuppel des Flugsimulators "Galaxy Quest"



In der Kommandozentrale des Space Centers: Lianen statt Laser
Generell scheint sich die Phantasie der Parkbesucher nicht mehr so sehr auf das Futuristische und den Weltraum zu beziehen. Wie überall auf der Welt sind eben auch in Brühl gerade Zwerge und Zauberer en Vogue und man besinnt sich auf ein phantasymäßiges Märchen- und Sagenreich zurück. Von Las Vegas wissen wir, dass Vergnügungsarchitektur nie von Bestand und immer akut von den Moden und Launen des Publikums bedroht ist. Wo sich der Abriss noch nicht lohnt, besteht in der Tarnung noch eine weitere Möglichkeit.

Wie in Las Vegas war ich im Phantasialand fest davon überzeugt, dass es irgendwo noch etwas Älteres geben musste, als das ganz frisch angelegte künstliche Cancun, das den Rahmen für eine neue Wildwasserbahn bot. Im hinteren Teil des Parks wurde ich tatsächlich fündig und war etwas erstaunt über ein riesiges, braun angestrichenes Stahlgebäude, dessen bizarre, futuristische Form so gar nicht zu den daran befestigten Vikinger-Dekoartikeln passen wollte. Im Innern der Halle befand sich eine Dunkel-Achtebahn und ich wurde hellhörig, als in der Schlange ein Vater zu seinem Sohn sagte, das sei hier alles ursprünglich einmal silbern angestrichen gewesen. Der jetzige „Temple of the Night Hawk“ war 1988 also als „Space Center” gebaut worden, und wie unglaublich futuristisch das damals war, kann man sich hier anschauen: Link




Flugbahnen werden hier nicht mehr berechnet: die Fassade des ehemaligen Space Centers gibt sich betont heimelig.

Das ehemals strahlend weiße, stählerne Weltraumzentrum, das wie die bereits erwähnte Einschienenbahn ebenfalls sein Vorbild bei Walt Disney in Anaheim, Los Angeles hatte (Link), wurde schließlich der Zwergenwelt „Wuze Town“ angepasst und mit allen möglichen Baumaterialien im wahrsten Sinne des Wortes verkleidet.

Das Space-Age ist in der Phantasie der Allgemeinheit und somit auch im Freizeitpark längst einer idealisierten Vergangenheit gewichen. Und zu noch einem Schluss bin ich gekommen: der Modernist fährt nicht Cabrio, wie ich bisher geglaubt hatte. Der Modernist fährt Achterbahn, denn auf keine andere Weise bewegt sich der menschliche Körper in Hochgeschwindigkeit und in so vollkommener Eleganz durch Zeit und Raum.



Nach zahllosen Achterbahn- und Wildwasserbahnfahrten wirkte die Parkbesucherin äußerst euphorisch und etwas mitgenommen. Wie alle anderen zwölfjährigen Jungs hatte sie neben ihren wie immer kulturkritischen Überlegungen nur einen Gedanken: nochmaaaal!

Und dann lernte sie in der Geisterbahn auch noch einen Herrn kennen. Wo auch sonst.