MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

Dienstag, 3. Juli 2018

Cloud Stairs / Letter to Ludwig von Lilienthal

Lecture Performance im Rahmen der Wuppertaler Kunst- und Museumsnacht 2019 

in der Galerie Oktogon


Julia Zinnbauer, Galerie Oktogon Wuppertal, Ludwig von Lilienthal
Im Rahmen der Kunst- und Museumsnacht Wuppertal habe ich in der Galerie Oktogon am vergangenen Freitag eine Lecture-Performance durchgeführt, die ganz der Schönheit, der Geschichte und der geheimnisvollen Atmosphäre des achteckigen Pavillons im Klophaus-Park gewidmet ist. Das filigrane, klassizistische Gebäude geht auf Ludwig von Lilienthal zurück. Er war Modewarenhändler, Mäzen, Maler und Dichter.

Dabei las ich einen langen fiktiven Brief vor, den ich an Ludwig von Lilienthal geschrieben hatte, und projizierte dabei ein Video an die Wände des Pavillons, das das Entstehen des Briefs bzw. meine Kalligrafie zeigt.


Galerie Oktogon, Lecture Performance von Julia Zinnbauer über Ludwig von Lilienthal





















Lieber Ludwig von Lilienthal,

Anfang Juni, wenn morgens ein hellrosa Flirren über der Stadt liegt und die warmen Luftschichten bewirken, dass alles aussieht, als sei der Blick über die Stadt mit einem grobkörnigen Film aufgenommen worden, wenn die Tage hell und glänzend und die Nächte kurz sind und nach Linden riechen, dann ziehen sich die Kanadagänse im Park ihre großen, dunkel schimmernden Schwanzfedern aus. Zu dieser Zeit sind die Gänsejungen schon recht selbstständig, sodass die schwarz-grau-weißen Eltern sich in Ruhe hinsetzen und sich ihrem Gefieder widmen können. Dann liegen an dem See, an dem ich jeden Morgen vorbeilaufe und von den würdig daherschreitenden Waservögeln begutachtet werde, wie Blüten ausgebreitet die schönsten Federn in unterschiedlichsten Größen und Formen. Hebt man sie auf und fühlt das feste elastische Material, dann erhält man eine Ahnung davon, wie der Mensch das Schreiben entwickelt hat, wie der Schwung der Schrift mit den Schwingen der Vögel und deren geschwungenen Flugbahnen zusammenhängt.

Mit einer dieser Federn schreibe ich Ihnen nun, Herr von Lilienthal. Als Inhaber und Leiter eines modernen, international ausgerichteten Kaufhauses in der Industriemetropole Elberfeld würden Sie mir heute wahrscheinlich eine E-Mail schreiben. Da Sie jedoch als Modewarenhändler, Mäzen, Maler UND Dichter bekannt sind, denke ich, Sie können mir mein romantisierendes Schreibwerkzeug nachsehen. Jemandem, der sich auf einem Berg namens Wolkenburg, auf dem niemals das Bestehen einer tatsächlichen Burg nachgewiesen werden konnte, ein wahrhaftes Märchenschloss gebaut hat, dem darf und sollte man mit der Feder schreiben, auch im Jahr 2018. Denn das verbindet uns beide wahrscheinlich – wir haben beide ein Faible für Mode, Kunst, Literatur und Architektur und sind mithilfe unserer Phantasie in der Lage, zwischen den Jahrhunderten hin und herzuspringen.

Alles, was ich über Sie lese, fasziniert mich und Sie reihen sich ein in meine Entourage außergewöhnlicher Herren, die allesamt beschlossen haben, Ihr Leben als Gesamtkunstwerk zu betrachten und für das Schöne zu kämpfen. (...)