Der Film „STEADY SMILE MOVE“ handelt von Bert Wollersheims Gestaltung des Interieurs seiner drei ehemaligen Bordellbetriebe auf der Rethelstraße in Düsseldorf, von seinen Überlegungen und Ideen, die dahinter stehen und von der Epoche, die mit dem geplanten Abriss der drei Häuser zu Ende geht. Der ehemalige Zuhälter Wollersheim kommt im Rahmen des Films selbst zu Wort, als kreative Geist, als Künstler, als Unternehmer, als Dandy im Sinne Charles Baudelaires und vor allem als Schöpfer eines Gesamtkunstwerks.
Der Film, der in der gleichnamigen Ausstellung in der Galerie GRÖLLE passprojects in Raum 2 zu sehen ist, wird im Zusammenhang mit einem Environment gezeigt, das aus Artefakten besteht, die allesamt aus den Häusern stammen, in denen das Video gedreht wurde.
Eigens für die Ausstellung hat der Düsseldorfer Künstler Joe Brockerhoff ein Portrait von Julia Zinnbauer angefertigt. Brockerhoff hat bei Beuys studiert, war mit Sigmar Polke befreundet und ist der legendärste Airbrush-Künstler aller Zeiten. Von ihm stammen die Wandarbeiten in den Räumen, die in STEADY SMILE MOVE die Hauptrolle spielen.
GRÖLLE pass projects
Friedrich-Ebert-Straße 143 e
42117 Wuppertal, 7 p. m
22.06.2018 - 22.07.2018
Schwebebahn-Stop: Pestalozzistraße
English version below.
Düsseldorfs Lage direkt am Rhein bot schon immer die besten Vorraussetzungen für den Handel und den kulturellen Austausch mit der ganzen Welt. Durch das Hofhalten von Kurfürst Jan Wellem, durch den Einfluss seiner Frau Anna Luisa de Medici und auch durch das Entstehen der Kunstakademie entwickelte sich in der alten Residenzstadt ein kulturelles Klima, in dem man gerne genießt und gerne Geld ausgiebt - für Mode, für Kunst und für das Schöne im allgemeinen. Seit Napoleons Besuch im Jahr 1811 ist Düsseldorf zudem als Messemetropole bekannt, was bis heute zum Reichtum und zum internationalen Flair der stetig wachsenden Stadt beiträgt. Auf der Königsallee wird der erwirtschafte Wohlstand schließlich zur Schau getragen, man flaniert auf und ab und hin und her, und die, die nicht reich sind, tun wenigstens so. Denn bei aller Bodenständigkeit und Leutseligkeit der Düsseldorfer gehören die ganz große Show und die Illusion ebenfalls zum Grundstock und Repertoire der Stadt.
STEADY SMILE MOVE, Filmstill: Bert Wollersheim, Julia Zinnbauer |
Während die sprichwörtlichen Milionärsgattinnen unter den alten Kastanien den Kögraben entlangschlendern, fließt ein paar Straßen weiter parallel dazu der Rhein und transportiert den Ruf und die Güter der Stadt in die Welt. Als Pendant zu den großen, öffentlichen Auftritten auf der Königsallee braucht eine Stadt wie Düsseldorf aber auch das Geheime, Verruchte und nicht minder Luxuriöse.
Die ganz besondere Atmosphäre Düsseldorfs, die sich zwischen Glamour, Kunst, Geld, Lebenfreude, Mode, Internationalität und Illusion entspinnt, bot schließlich die idealen Bedingungen für das Entstehen eines der luxuriösestem Amüsierbetriebe der Welt. Schon in den 20erjahren des 20. Jahrhunderts war auf der Rethelstraße ein sogenannter Pensionsbetrieb gegründet worden. Im Jahr 1986 übernahm Bert Wollersheim die drei Häuser und leitete mit der spektakulären Umgestaltung des gesamten Innenraums eine ganz neue Ära auf der Rethelstraße ein. Für die Außenwelt lag immer etwas Geheimnisvolles über diesem ganz bestimmten Abschnitt der Straße. Wie es im Innern des Amüsierbetriebs tatsächlich aussah, das wusste niemand so ganz genau. Es entstanden Legenden und Geschichten, die sich um den Gebäudekomplex rankten, und wirklich sichtbar waren nur Berts riesige Stertchlimousinen, die Nacht für Nacht durch die Straßen der Stadt fuhren.
Die ganz besondere Atmosphäre Düsseldorfs, die sich zwischen Glamour, Kunst, Geld, Lebenfreude, Mode, Internationalität und Illusion entspinnt, bot schließlich die idealen Bedingungen für das Entstehen eines der luxuriösestem Amüsierbetriebe der Welt. Schon in den 20erjahren des 20. Jahrhunderts war auf der Rethelstraße ein sogenannter Pensionsbetrieb gegründet worden. Im Jahr 1986 übernahm Bert Wollersheim die drei Häuser und leitete mit der spektakulären Umgestaltung des gesamten Innenraums eine ganz neue Ära auf der Rethelstraße ein. Für die Außenwelt lag immer etwas Geheimnisvolles über diesem ganz bestimmten Abschnitt der Straße. Wie es im Innern des Amüsierbetriebs tatsächlich aussah, das wusste niemand so ganz genau. Es entstanden Legenden und Geschichten, die sich um den Gebäudekomplex rankten, und wirklich sichtbar waren nur Berts riesige Stertchlimousinen, die Nacht für Nacht durch die Straßen der Stadt fuhren.
Als der Betrieb aufgrund von internen Komplikationen vor einigen Jahren geschlossen wurde, dachte niemand in der Stadt daran, dass dieser Zustand endgültig sein sollte. Zu sehr gehörten die Erzählungen rund um die Häuser und ihren Hausherren zum Flair und zur Geschichte der Stadt. Im März 2016 hörte ich, dass die Gebäude abgerissen werden sollen. Sofort bemühte ich mich um die Möglichkeit, mir die Gebäude einmal anschauen zu können und tauchte schließlich ein in eine ganz andere, geheimnisvolle Welt, die fernab lag von jeglicher Realität.
Gleich bei meinem ersten Besuch war mir klar, dass es sich bei all dem, wovon ich mir gerade einen allerersten Eindruck machte, um nicht weniger als ein in sich abgeschlossenes, perfekt durchgestaltetes Gesamtkunstwerk handelte. Immer wieder kehrte ich zurück auf die Rethelstraße und wenn ich einmal nicht in einem der drei Häusern war, dann träumte ich von ihnen. Ich lief hin und her und hin und her, treppauf, treppab und hin und her, draußen wurde es Tag, es wurde Nacht, die Jahreszeiten änderten sich, ich aber bekam von all dem nichts mit. Zwischen mir und der Außenwelt lagen Rolläden und Vorhänge, die auf immer verschlossen bleiben sollten. Ich verlief mich in dem Labyrinth aus Zimmern und Fluren und verlor mich in einem Kaleidoskop aus Spiegeln, deren Facetten den Raum in die Unendlichkeit vervielfältigten.
Immer war ich getrieben davon, all diese ganz besondere Schönheit festzuhalten, zu dokumentieren und vor allem zu verinnerlichen. Eine Frage trieb mich dabei vor allem um: wer hatte all das entworfen? Wer hatte all diese Ideen gehabt? Wer war der Künstler? Wer hatte dieses unglaubliche Gesamtkunstwerk erdacht? Jeder, den ich fragte, sagte immer wieder „Bert. Jedes Detail hier IST Bert“. Mir war klar, dass ich Bert Wollersheim treffen musste.
Der Dandy verbringt sein ganzes Leben vor dem Spiegel, schreibt der französische Dichter Charles Baudelaire an einer Stelle in „Le peintre de la vie moderne“, und er gestaltet sein gesamtes Leben bis ins letzte Detail. Auch Oscar Wildes Romanfigur Dorian Gray folgt diesem Ideal. Er inszeniert sein Leben als Kunstwerk mit Hilfe von Innenarchitektur, Kleidung, Büchern, seiner Kunst- und Juwelensammlung und ändert sogar sein gesamtes Verhalten, um eine perfekte Version seiner selbst zu erschaffen und das Sinnbild für einen neuen Hedonismus zu werden.
König Ludwig II ließ sich ein ganzes Paralleluniversum in Form von mehreren Schlössern bauen und arbeitete zusammen mit Richard Wagner an der Umsetzung der allumfassenden Idee des Gesamtkunstwerks. Das italienische Universalgenie Carlo Mollino war nicht nur als Architekt tätig, er erfand einen Skischwung, entwarf einen Rennwagen, hatte bei seinen innenarchitektonischen Entwürfen ein Faible für Leopardenmuster, üppige Stoffe und Polsterungen und war nicht zuletzt für seine anspruchsvollen Polaroidfotos von nackten Mädchen bekannt. Immer inszenierte er sich dabei als der kultivierte italienische Playboy. Hugh Hefner schließlich, der aus dem Nichts heraus ein Medienimperium etablierte, das sich aus unendlich vielen ineinandergreifenden Einzelelementen zusammensetzte, der die moderne Architektur und Literatur der Nachkriegszeit propagierte, und der mit seinem Engagement ein ganz neues Zeitalter der Freiheit und der Toleranz einläutete. All diese Personen eint ein unbändiger Wille, dem fahlen Licht der Realität ein Schnippchen zu schlagen und sich ein eigenes Reich zu erschaffen, eine eigene perfekte Welt als Gesamtkunswerk, und sich selbst bei der Gestaltung nicht auszunehmen.
All das ging mir durch den Kopf, als ich durch die drei Häuser wanderte und genau in diesem Zusammenhang verortete ich das künstlerische Schaffen Bert Wollersheims, der der breiten Öffentlichkeit doch bisher vor allem als Zuhälter bekannt gewesen war. In einem Interterview, das Teil des Films ist, erklärt Wollersheim seine Sicht auf die Kunst und erläutert sein Werk.
Zum jetzigen Zeitpunkt existieren die drei Häuser noch, obwohl ihr Abriss nach wie vor besiegelt ist. Dass Bert dort nie wieder etwas aufbauen wird und einen Schlusstrich gezogen hat, steht fest. In unserem gesamten Gespräch hatte sich seine Bemühung widergespiegelt, tapfer in die Zukunft zu schauen, weiterzumachen, eben in Bewegung zu bleiben, ganz getreu dem Motto „Pünktlichkeit Lächeln Bewegung“, das in einem der drei Häuser über der Tür zwischen Küche und Bar zu lesen ist.
„Steady Smile Move“ heißt „Pünktlichkeit Lächeln Bewegung“.
(Text: Julia Zinnbauer)
STEADY SMILE MOVE
Video, 46.57 min., Düsseldorf 2017
Mit Bert Wollersheim und Julia Zinnbauer
Kamera, Schnitt, Kostüme, Drehbuch, Regie: Julia Zinnbauer
Kamera und Ton beim Interview mit Bert Wollersheim: Michael Baudenbacher
Kamera, Schnitt, Kostüme, Drehbuch, Regie: Julia Zinnbauer
Kamera und Ton beim Interview mit Bert Wollersheim: Michael Baudenbacher
STEADY SMILE MOVE
A video by Julia Zinnbauer
Featuring Bert Wollersheim and Julia Zinnbauer
Camera, editing, text, idea: Julia Zinnbauer
The interview was filmed by Michael Baudenbacher
46.57 min.
Düsseldorf 2017
STEADY SMILE MOVE is a film about the buildings of a once legendary brothel located in Düsseldorf that soon will be torn down. The film deals with the very imaginative approach of the managing director of the establishment and his passion to create a grand illusion. Moreover it is also a contemplation about the idea of staging one's life as a Gesamtkunstwerk with the help of fashion, architecture and interiour design.
Situated right on the River Rhine, the city of Düsseldorf has always provided the best conditions for trading and for the cultural exchange with the whole world. Due to the life at the court of Elector Jan Wellem, the influence of his wife Anna Luisa de Medici and also the founding of the Academy of Fine Arts, a cultural climate developed in the old residential city, where people enjoy life and where they like spending their money - on fashion, on art and on beauty in general.
Since Napoleon's visit in 1811 Düsseldorf has also been known as a trade fair metropolis, which continues to contribute to the whealth and the international flair of the ever-growing city. Finally, all the generated prosperity is being demonstrated on the Königsallee, an elegant avenue, which was also initiated by Napoleon. There people stroll up and down and back and forth and those, who are not really well off, at least pretend to be. After all, in spite of the down-to-earth qualities of the citicens of Düsseldorf and their affability, the great show and the illusion are part of the basis and repertoire of the city. And while the proverbial millionairs' wives are strolling along the canal of the Königsallee, that flows slowly in the shadow of the chestnut trees, just a few blocks away the river Rhine is running and is transporting the reputation and the goods of the city into the whole world.
As a counterpart to the great public appearances on the Königsallee, a city like Düsseldorf also needs the secret, the wicked, and no less luxurious. The very special atmosphere of Düsseldorf, that unfolds between glamor, art, money, joy of life, fashion, internationality and illusion, finally offered the ideal conditions for the emergence of one of the most luxurious amusement centers in the world. As early as in the 1920s of the 20th century, a so-called guest-house business was established north of the city center.
In 1986 a gentleman named Bert Wollersheim took over the three houses and, with the spectacular transformation of the entire interior, initiated a whole new era on the Rethelstrasse. For the outside world there was always something mysterious about this very particular section of the street. No one knew exactly what it looked like inside the three houses. Soon legends and stories were told about the building complex and only the large stretch limousines, that were driving through the streets of the city night by night, were really visible.
When the company was closed due to internal discrepancies a few years ago, no one in the city thought that this situation should be final. The narratives about the houses and their owner had long since become part of the city's every day life, its history and its general flair. Then, in March 2016, I heard that the buildings were to be demolished. Immediately I tried to find a way to get a glimpse of the interior of the three houses and finally dived into a completely different, mysterious world that was far from any reality. Right on my first visit, I realized that all this, that I was just getting a first impression of, was nothing less than a self-contained, perfectly arranged overall piece of art, a Gesamtkunswerk, as we call it in Gemany. Again and again I went back to this place, and when I was not in one of the three houses physically, at least I dreamed of being there. I went back and forth, upstairs and downstairs, and back and forth. Outside it was day, then it was night, and then it was day again, the seasons changed, but I didn't realize all this. Between me and the outside world lay roller shutters and curtains, which were to remain closed forever. I walked through the labyrinth of rooms and corridors and lost myself in a kaleidoscope of mirrors whose facets multiplied the space into infinity. I was constantly driven by the wish to capture, to document and, above all, to internalize all this very special beauty. The question, that drove me around particularly, was: WHO had designed all this? Who had had all these ideas? Who was the artist? Who had designed this incredible Gesamtkunstwerk? Everyone I asked, gave me the same answer: "Bert. Every detail you can see IS Bert ".
The Dandy spends all his life in front of a mirror, the French poet Charles Baudelaire writes in his essay "Le peintre de la vie moderne", and he designs his entire life down to the last detail. In Oscar Wilde's novel “The picture of Dorian Gray” the main character also follows the ideal of the Dandy. With the help of interior design, clothing, books, his collection of art, jewels and musical instruments he stages his life as a piece of art and he even changes his entire behavior to create a perfect version of himself. Thus he becomes the symbol of a new hedonism. King Ludwig II of Bavaria, Carlo Mollino, the Italian architect and universal genius, and Hugh Hefner, who established a media empire out of nothing - all these characters are united by an unyielding will to escape from the pale light of reality and to create their own realm, an own perfect world as a Gesamtkunstwerk, and not to exclude themselves from their overall design. As I was wandering through the three houses in Düsseldorf, I contemplated all this. In exactly this context I located the artistic work of Bert Wollersheim, who so far to the general public had mainly been known as a pimp.
At the present time, in July 2017, the three buildings still exist, although their demolition is still sealed. Bert has drawn a line under the whole project and it is cirtain that in this place he won't establish anything new. When I met Bert in the context of my film, throughout our whole conversation I felt his effort to look bravely into the future, to carry on and to keep moving. All in all he was still following the motto „Pünktlichkeit Lächeln Bewegung“, that someone had written on a sign above the door between the kitchen and the bar in one of his three houses.
„Pünktlichkeit Lächeln Bewegung“ means „Steady Smile Move“.