MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

Donnerstag, 6. März 2014

surveillance souterraine - Ein Film von Julia Zinnbauer

 
 

surveillance souterraine
Ein Film von Julia Zinnbauer
Mit Alwina Heinz, Sandra Labs, Patrizia Lohmann und Julia Zinnbauer
Kamera, Schnitt, Kostüme, Regie: Julia Zinnbauer
Düsseldorf 2014
Link zum Film


Die Architektur
Im Jahr 2002 wurden im Düsseldorfer Stadtteil Oberbilk drei neue U-Bahnstationen eröffnet (Handelszentrum/Moskauer Platz, Oberbilker Markt und Oberbilk). Der Architekt Wolfgang Döring hatte mit seiner Konzentration auf die Farben Schwarz, Weiß, Grau und Rot, durch den Einsatz kostbarer Materialien und einem ausgeklügelten Zusammenspiel von Linien und Flächen drei Gebäude entworfen, in denen sich alle Elemente elegant aufeinander beziehen und ein harmonisches Gesamtbild schaffen.

Durch den Kontrast zu den oberirdischen Gebäuden des Stadtteils und dem perfekten Gesamtkonzept der drei hintereinander liegenden unterirdischen Bahnhöfe fühlt sich der Reisende mit Betreten der Anlage wie in eine andere Welt versetzt. Seit Jahren vertiefe ich mich, während ich am Bahnsteig der Haltestelle Oberbilk auf meine U-Bahn warte, in die Details von Dörings Entwurf. Obwohl ich schon lange in Oberbilk wohne und dies meine Heimat-Haltestelle ist, staune ich dennoch jedes Mal erneut darüber, wie sich die einzelnen Elemente des Gebäudes zu einem Gesamtkunstwerk verbinden. Aus diesem Grund habe ich den drei U-Bahnhaltestellen von Wolfgang Döring im Stadtteil Oberbilk eine Videoarbeit gewidmet, die ganz auf deren Charakteristika eingeht.


Die Fahrt mit der Rolltreppe hinunter zu den Bahngleisen lässt den Besucher in weite, offene Räume schweben, und gerade die Bewegung intensiviert die Wahrnehmung der Architektur. Man ist überrascht von der riesigen Höhe der unterirdischen Räume, vom hellen glänzenden Weiß der mit Neoparies verkleideten Wände, einem mit Glas beschichteten Kunststein, der in ausschließlich in Japan hergestellt wird. Man staunt darüber, wie der graue Granit des Bodens mit dem Edelstahl von Rolltreppen, Türen und Bänken und dem Schwarz der Decke und des Kiesbetts eine Einheit bilden, akzentuiert von einigen schlanken, leuchtend roten Informationssäulen. Steht man dann am Bahnsteig, vertieft man sich automatisch in die Feinheiten der Gestaltung, in die bis ins Detail aufeinander abgestimmten Proportionen der einzelnen Elemente. Sogar die Typographie der Beschilderung bezieht sich auf den gesamten Verlauf der Fugen.


Die Fugen sind es auch, die dem Raum seinen Rhythmus und seine Ordnung geben. Die Wände, Decken und Böden der drei U-Bahn-Gebäude sind allesamt mit Platten verkleidet, die zwar aus verschiedenen Materialien bestehen, allerdings fast überall die gleichen Maße aufweisen. Die Fugen wirken somit wie ein Koordinatensystem. Folgt man einer der Linien mit den Augen über den Boden, die Wände und die Decke hinweg, ist man erstaunt, wieder exakt am eigenen Standpunkt anzukommen.


Fugen sind generell ein wichtiges Gestaltungselement in den Entwürfen Wolfgang Dörings, aber auch in der Architektur der Sechzigerjahre im Allgemeinen. Dort liegen auch die Anfänge von Dörings Schaffen. Bereits im Jahr 1967 entwarf er mit dem Haus Meyer-Kuckuk in Bad Honnef eines der heute bekanntesten Fertighäuser der deutschen Architekturgeschichte.

Die Gestaltung der Bahnsteige nimmt auch die Bewegung der auf Schienen einfahrenden U-Bahnen auf. Gelangt man aus dem Dunkel des Tunnels heraus in den hellen Raum des Bahnhofs, gleitet die Bahn eine ganze Weile entlang der parallel verlaufenden Streifen der grauen Granitverkleidung, bevor die horizontalen Linien durch die Möbel der Haltestelle unterbrochen werden und die Bahn schließlich zum Stehen kommt.


surveillance souterraine
Die Grundidee meines Films liegt darin, dass der in den drei Gebäuden vorherrschende Rhythmus aus Linien und Flächen aufgenommen und in die Bewegungen der Figuren und die Geschwindigkeit der Schnitte übertragen wird. Die Figuren folgen den Linien zunächst staunend mit den Augen, lassen sich zunehmend von ihnen in Bewegung versetzen, bis das Video aus einer rhythmischen Aneinanderreihung von zahllosen Bildern und Bewegungen besteht. Statik und Dynamik werden einander entgegen gesetzt. Die Aufnahmen der drei Haltestellen habe ich so zusammengeschnitten, dass der Eindruck eines gesamten unterirdischen Reichs entsteht, in dem die Figuren des Videos bzw. dessen Betrachter bald die Orientierung verlieren. Die Bildkomposition transportiert zudem die Strenge der Architektur.

 
 
 
 

Die Kostüme
Die Kostüme der vier Protagonistinnen spiegeln in ihrer unterschiedlichen Transparenz, in ihren Oberflächen, Farben, Materialien und Formen das Typische der Gebäude wider. Es geht dabei um eine skulpturale Sicht auf Architektur und Kleidung, also beispielsweise um Fragen der Proportion, der Symmetrie und der Allansichtigkeit.  Bei genauem Hinsehen entdeckt man sogar Parallelen zwischen den Reißverschlüssen der Kleider und den Rolltreppen der U-Bahnhöfe. Die Kostüme habe ich eigens für „surveillance souterraine“ entworfen und angefertigt.

 
 
 
 
 

Abschließend ist es mir wichtig, dass die Architektur der drei U-Bahnhaltestellen in meiner Videoarbeit nicht auf den Status von Kulissen reduziert wird, die einer Handlung dienen, sondern dass umgekehrt die Architektur der Ausgangspunkt des Videos ist, an dem sich dessen gesamte Gestaltung orientiert. 

Der Architekt Werner Ruhnau, von dem das Musiktheater Gelsenkirchen stammt (eröffnet im Jahr 1959), ist der Ansicht, dass ein Architekt ein „Rhythmiker“ sein und einen Tanzkurs belegt haben soll. Diese Idee Ruhnaus hat mich zusätzlich in meinem Plan bestärkt, Bewegung, Raum und Rhythmus in meinem Video miteinander zu verbinden.