MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Apollo in meinem Atelier. Heinz Mack im Museum Küppersmühle in Duisburg

Heinz Mack in seiner eigens für die Ausstellung angefertigten Arbeit "Raum für Apollo".


Heinz Mack kämpft für das Schöne und bleibt dabei unbeirrt von Moden, Zeitströmungen und den Entwicklungen des Kunstmarkts. In seinem Bestreben, dem Elend der Welt etwas Schönes entgegen zu stellen, präsentiert er seit dem 21. Oktober im Museum Küppersmühle (Link) in Duisburg bisher ungezeigte Skulpturen, Gemälde und kinetische Lichtobjekte unter dem Titel „Apollo in meinem Atelier“.

Das Schöne ist nicht tot, es ist nur scheintot
Im Katalog zur Ausstellung erläutert Mack sein Verhältnis zur Schönheit in dem Aufsatz „Das Schöne ist nicht tot, es ist nur scheintot“ aus dem Jahr 1994 und bedauert dabei, dass der Begriff des Schönen in der zeitgenössischen Kunst keine Rolle mehr spielt. Für Mack selbst sind das Schöne und die Kunst zwei untrennbare Begriffe und er beschreibt in seinem Text, wie sich die Sicht auf das Schöne seit den griechischen Philosophen entwickelt hat, bis hin zur heutigen Bilderflut. Er zitiert Heraklit, Aristoteles und Plato in ihrem Streben nach Harmonie und einer Einheit von Inhalt und Form. Er geht auf Schiller ein und auf dessen Überlegung, dass es die Kunst ermöglicht, die Materie zu überwinden und den Menschen so aus deren kausalen Zwängen zu befreien und wie durch diese Entstofflichung die Schönheit zum Vorschein kommt. Heute dagegen sei in der Kunst alles erlaubt, verbindliche Werte existierten nicht mehr und anstatt einer Antwort auf die Frage, was Kunst denn nun ist, herrsche nur ein Überangebot an Kunst, eine inflationäre Kulturindustrie. Alles dürfe heute zitierbar und deformierbar sein, alles sei austausch- und kombinierbar. In diesem „hemmungslosen Bildterror“ so Mack, sei der Künstler dazu gezwungen, eine so eigene Bildsprache zu entwickeln, dass oftmals keinerlei Verbindung mehr zum bekannten Natur- und Menschenbild zu erkennen sei.

Heinz Mack kämpft für das Schöne
Bei der Pressekonferenz anlässlich der Ausstellungseröffnung im Museum Küppersmühle gab sich Heinz Mack kämpferisch wie immer. Er ärgerte sich darüber, dass das Schöne in der Kunstwelt heute ein Tabu ist, vor allem bei Intellektuellen. Für ihn selbst sei das Schöne eine Möglichkeit, dem Elend der Welt etwas entgegen zu stellen und er versprach, seine Möglichkeiten dahingehend bis an seine Grenzen auszuschöpfen. Das, was er im Katalog philosophisch fundiert ausgearbeitet hatte, schleuderte er seinen Zuhörern nun so energisch wie bildhaft entgegen. Das Schöne existiert doch, meinte er, das könne man nicht verneinen. Seine Tochter z.B. sei doch wirklich schön, da habe es schließlich überhaupt keinen Sinn, das Gegenteil zu behaupen. Spätestens bei der Ausstellungseröffnung am gleichen Abend, zu der Mack mit Tochter erschien, konnte man sich davon überzeugen.


Apollo in meinem Atelier
Heinz Mack, der sich seit seiner Zeit als Gründungsmitglied der Gruppe ZERO auf unterschiedlichste Weise mit dem Phänomen Licht auseinandersetzt, sieht im griechischen Gott Apollo den idealen Verbündeten. Homer beschreibt Apollo als den Gott der Künste und des Lichts, er ist der Glänzende, Strahlende, Leuchtende und so widmet ihm Mack im Rahmen seiner Ausstellung auch eine begehbare Arbeit, den vielfarbigen „Raum für Apollo“. Die neun glitzernden, das Licht brechenden Rotoren, die in der Küppersmühle zu sehen sind, würden Apollo vermutlich ebenso begeistern, wie die zahllosen Skulpturen und Gemälde Macks. Tatsächlich hatte Mack seit 1963 der Leinwand den Rücken gekehrt und stattdessen über Jahrzehnte hinweg mit Plexiglas, spiegelnden Flächen, Marmor, Metall, Feuer und dem Licht selbst in all seinen Erscheinungsformen experimentiert, war in die Wüste gereist, um seine Arbeiten der grellen Sonne auszusetzen und in die Arktis, bis er schließlich ab dem Jahr 1991 wieder malte: Chromatische Konstellationen.




Das geheimnisvolle Leuchten
Das Besondere an der Ausstellung im Museum Küppersmühle liegt darin, dass Apollo die dort gezeigten Arbeiten durch seine Atelierbesuchen bei Heinz Mack zwar bereits kennen mag, sie für die Öffentlichkeit allerdings bisher noch nie zu sehen waren, und das nach dreihundert Einzelausstellungen des Künstlers.  Das geheimnisvollste und schönste Objekt der Ausstellung ist vielleicht das Lichtprisma, dessen Sterne und Neonbögen immer wieder aufleuchten und verschwinden. Und im Geheimnisvollen liegt laut Mack schließlich ebenfalls etwas, was in der Kunst erhalten werden muss.



Freitag, 16. Oktober 2015

Der gekaufte Traum - Helga Reidemeisters Filme über das Märkische Viertel



Die großen Hochhaussiedlungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg überall in Europa an den Stadträndern entstanden, wurden von Anfang an scharf kritisiert. Die junge Filmemacherin Helga Reidemeister machte sich ab den späten 60erjahren ein ganz eigenes Bild vom Leben an der Peripherie, stand über Jahre hinweg in engem Kontakt zu den Bewohnern des Märkischen Viertels und drehte schließlich mehrere Dokumentarfilme über die Großwohnsiedlung im Nordwesten Berlins. Die Fotos, die Helga Reidemeister in diesem Zusammenhang aufnahm, sowie auch einige ihrer Filme aus dieser Zeit, sind noch bis zum 18. Oktober in vor Ort im Märkischen Viertel zu sehen, in der Viertelbox (Link).

Die Großwohnsiedlung am Stadtrand
Das Märkische Viertel, das in den 60er- und 70erjahren im Nord-Westen Berlins nach Plänen von Christian Müller und Georg Heinrichs angelegt wurde (Link), musste von Anfang an mit seinem Image kämpfen. Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte in Berlin ein großer Mangel an Wohnraum und sowohl in der Innenstadt als auch in dem ursprünglich sumpfigen Gebiet bei Reinickendorf, wo die neue Hochhaussiedlung entstehen sollte, lebte man in Baracken und Notunterkünften. Um der Wohnungsnot Herr zu werden, wurden schließlich sogar Gebäude abgerissen, die die Bombardements und Kriegswirren überstanden hatten, zugunsten von riesigen, neu gebauten Wohnanlagen, wie beispielsweise das Kottbusser Tor in Kreuzberg. Diese Abrisse ganzer Areale in Verbindung mit der Umsiedlung von Leuten aus ihrem gewohnten Umfeld in zunächst gleichförmig und steril wirkende Wohnblocks, die sich im schlimmsten Fall weit außerhalb der Stadt befanden, sorgten damals für Kritik und Protest. Zusätzlich zu der Entfernung der neuen Wohngebiete wie dem Märkischen Viertel, Marzahn oder der Gropiusstadt zu den lebendigen, gewachsenen Zentren Berlins, kam die anfängliche Kargheit, die die neuen Gebäude umgab. Die geplanten Grünflächen mussten schließlich erst noch zu einem harmonischen Gesamtbild zusammenwachsen und das Bild von Kindern, die auf kargem Beton spielten, prägte sich im kollektiven Gedächtnis ein. Bis heute spricht man Satelliten- und Trabantenstädten ihre Wohnlichkeit ab und kritisiert die mangelnde Lebensqualität in den Hochhaussiedlungen an den Rändern großer Städte. 


Donnerstag, 15. Oktober 2015

Interbau 1957: Paul Schneider von Esleben im Hansaviertel, Berlin



Der 100. Geburtstag des Architekten Paul Schneider von Esleben und die damit einhergehenden Ausstellungen in Düsseldorf (Link) liegen nun schon einige Wochen zurück. Die Schneider-Esleben-Begeisterung, der auf dieser Seite mittlerweile schon seit vielen Jahren Raum gegeben wird (Link), reißt hier natürlich auch weiterhin nicht ab. So lag es bei meinem letzten Besuch in Berlin nahe, auch dort ein Gebäude des Düsseldorfer Architekten zu besuchen, und zwar ein vierstöckges Wohnhaus im eleganten Hansaviertel.

Mitte der Fünfzigerjahre waren Architekten aus der ganzen Welt zusammengetreten, um im Westen Berlins die neue Bebauung des Hansaviertels zu planen. Unter den Teilnehmern des "Interbau" (Link) genannten Projekts befand sich damals neben Oscar Niemeyer, Le Corbusier, Paul Baumgarten, Egon Eiermann (Link) und Walter Gropius auch Paul Schneider von Esleben, dessen Beitrag ganz im Westen des Viertels umgesetzt werden sollte, zwischen der Altonaer Straße und der S-Bahn-Linie. Dort bildet es den Abschluss einer Reihe von vier parallel zueinander stehenden, diagonal zur S-Bahn-Linie ausgerichteten Zeilenbauten.

Paul Schneider von Eslebens vierstöckiges Gebäude besteht aus einer Basis von elf nebeneinander im Abstand von fünfeinhalb Metern aufgestellten tragenden Wänden, sogenannten Schotten, die nicht durchbrochen werden durften. Die auf diese Weise entstandenen zehn identischen Gebäudeabschnitte teilte der Architekt in jeweils zwei übereinanderliegende, zweistöckige Wohnungen ein. Dabei ordnete er die Schlafzimmer der übereinander gestapelten Wohnungen in den beiden mittleren Geschoßen des Hauses an, um dort eine besonders ruhige Zone zu schaffen. Die Lage des Zeilenbaus in der Nähe der S-Bahn-Linie verlangte es zudem, die Wirtschaftsräume und die außenliegenden Treppenaufgänge auf der Nordseite anzuordnen, sodass die Schlaf- und Wohnzimmer zum ruhigeren Süden und zur Sonne ausgerichtet sind.