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Mittwoch, 9. November 2016

Screenshots digitaler Kultur: Ein Rückblick auf die Premiere des Festivals "die digitale düsseldorf"




Düsseldorf als Ausgangspunkt der digitalen Kunst
Dass genau jetzt der richtige Zeitpunkt ist, in Düsseldorf ein ganz den digitalen Künsten gewidmetes Festival zu begründen, hat sich in den insgesamt vier Tagen der „digitalen düsseldorf“ (Link) deutlich gezeigt. Denn auch wenn die Stadt dank Kraftwerk und Nam June Paik als Ursprungsort der elektronischen Musik und Kunst gilt, liegt sowohl die Gründung der weltweit bekannten Musikgruppe als auch Nam June Paiks Tätigkeit an der Kunstakademie Düsseldorf doch schon einige Jahre zurück. Anstatt in die Vergangenheit zu blicken ist es notwendig, den zeitgenössischen digitalen Strömungen Düsseldorfs eine Plattform zu geben und sie in all ihrer Vielfältigkeit und Aktualität zu betrachten. Und noch etwas wurde im Rahmen des Festivals klar: es besteht aktuter Redebedarf. Denn zwischen Fortschritt, kühler Perfektion und technischer Klarheit auf der einen Seite und einer latenten Angst vor der geheimen Übermacht des Digitalen und all seiner Begleiterscheinungen auf der anderen Seite steht der Mensch, der offensichtlich noch einige Fragen zum Thema hat.

Da ich selbst noch keinen digitalen Doppelgänger habe, konnte ich leider nur einen Teil der unendlich vielen Konzerte, Performances und Ausstellungen sehen, die im Rahmen des Festivals stattfanden. Aber dank der digitalen Vernetzung kann man die einzelnen Elemente ja auch noch im Nachhinein betrachten, zumindest im virtuellen Raum.

digitale subtilitäten im onomato
Den Auftakt der „digitalen“ machten am Abend des 3. Novembers die Brause, damenundherren, die Galerie W5sieben und der onomato Videokunstverein. Die Macher des onomatos  (Link) hatten mich eingeladen, noch einmal meinen Kurzfilm „surveillance souterraine“ (Link) zu zeigen, den ich vor zwei Jahren Rahmen des onomato-Stipendiums gedreht hatte. Zu sehen waren im onomato insgesamt fünf Arbeiten, die sich auf der Schnittstelle zwischen digital und analog bewegten, Kurzfilme bzw. Animationsarbeiten von Rimma Aslarnow, Norbert Kraus, Igor Kirin, Gul Ramani und mir. In einem anschließenden Gespräch zum Thema „digitale subtilitäten“ bettete Axel Grube, Gründungsmitglied und Betreiber des onomato-Verlages, das Digitale in einen ethisch - philosophischen Diskurs ein. Dabei ging es u.a. auch um die Frage, ob die menschliche Moral in naher Zukunft von einem Logarithmus abgelöst wird. Ich kam nicht umhin, den digitalen Fortschnritt energisch zu verteidigen, da er doch zunächst einmal die Umsetzung so vieler künstlerischer Ideen ermöglicht, die ohne das Digitale bzw. Elektronische nie in Erscheinung treten würden. Bisher ist es doch immer noch der Mensch, der die Maschine lenkt und noch hat der T1000 (bekannt aus dem Film „Terminator II“ von James Cameron aus dem Jahr 1991) die Weltherrschaft nicht übernommen, insistierte ich. Auch mein Gegenpol war unter den Gästen vertreten und diskutierte mit: die typische ältere Dame, die aus Angst davor, von unsichtbaren Mächten ausspioniert zu werden, keine E-Mails empfängt. Frauke Berg, die nach dem Gespräch zusammen mit Anja Lautermann und dem gemeinsamen Musikprojekt „studium:stadt“ im onomato auftrat, brachte schließlich den treffenden Begriff des „Digitalen als Kulturtechnik“ ins Spiel. Das Digitale, das wurde an diesem Abend klar, wird noch lange Zeit Anlass für Diskussionen bieten.


Frauke Berg und Anja Lautermann mit dem gemeinsamen Musikprojekt "studium:stadt" im onomato





























die digitale düsseldorf in der Galerie W5sieben
Die Vermutung, dass kaum jemand so ganz genau weiß, was der Begriff "digital" eigentlich im Detail bedeuted, wurde auch bei der Installation des Designkollektiv dpe in der Galerie W5sieben thematisiert. Wie man dort auf einer Tafel las, hat selbst die Autokorrekturfunktion eines Apple Computers Schwierigkeiten mit dem Wort "Digitalität" und unterstreicht es rot. Auch mir war im Vorfeld des Festivals aufgefallen, dass die sonst so allwissende Wikipedia zwar angibt, dass "digital" von "digitus", also dem lateinischen Wort für Finger stammt, danach werden jedoch sofort verschiedene Bereiche des Digitalen auflistet, ohne eine griffige Definition zu liefern. Im Diffusen liegen zugleich sowohl die Gefahr als auch das Glück des digitalen Zeitalters: man kann "digital devices" benutzen, ohne bis ins letzte Detail genau wissen zu müssen, wie die veschiedenen Geräte oder Programme funktionieren. Sie sind eine Hilfe in allen Situationen und bringen den User in eine wachsende Abhängigkeit. 


Das Gespräch im onomato zum Thema „digitale subtilitäten“ ging mir den gesamten nächsten Tag über nicht mehr aus dem Kopf und so diskutierte ich am nächsten Festivalabend noch lange mit einem Kollegen weiter, diesmal rund um das Konzert von Mouse on Mars (Link) im Weltkunstzimmer (Link). Wie wirken sich z.B. Stadtteile, die gänzlich in CAD-Pragrammen entworfen worden sind, auf das algemeine Schönheitsempfinden aus? Gerade in Düsseldorf mit all seinen Retorten-Stadtteilen wie beispielsweise dem sogenannten "Le Flair" (Link) in Derendorf eine durchaus berechtigte Frage. Und liegt die Sehnsucht nach einer Rückkehr zu einer gröberen Rasterung bei Computerspielen in der Angst begründet, das visuelle Vorstellungsvermögen zu verlieren?

die digitale düsseldorf im Weltkunstzimmer
Während ich
schließlich gebannt Mouse on Mars zuhörte, bestätigte sich wieder einmal meine Überzeugung, dass genau DAS ebenfalls eine elementare Errungenschaft des digitalen Zeitalters ist: durch elektronisch erzeugte Sounds und Rhythmen die Schwerkraft aufzuheben, die irdische Schwere zu verlassen und aufzugehen in einer energiegeladenen Lebensfreude.

Mouse on Mars im Weltkunstzimmer




Am dritten Tag der "digitalen düsseldorf" gelang es mir dann endlich, mir die Ausstellung "Splitter und Amalgam" im Weltkunstzimmer im Detail anzuschauen. Als ich dort ankam, gaben sich gerade The Feedback Gents und Raffael Seyfried mit ihren Soundperformances die Klinke in die Hand. Anhand von zahllosen, ganz unterschiedlichen Exponaten bot "Splitter und Amalgam" einen Überblick über die unendlichen digitalen Möglichkeiten, die In der Kunst zum tragen kommen. Dabei ging es ganz exemplarisch auch darum, durch die Digitalität das Bild seiner selbst ganz neu zusammenzusetzen, wie es der Installation "Chairs" verdeutlichte.

Darüber hinaus fand zeitgleich zu den Konzerten im Weltkunstzimmer an zwei Abenden ein ganz besonderes, von Phillip Schulze (Weisser Westen, Link) kuratiertes Performance-Programm
im Salon des Amateurs statt. Ich bin sehr gespannt, wie es mit der "digitalen düsseldorf" weitergeht und arbeite bis dahin an meinem digitalen Doppelgänger weiter, um dann vielleicht das ganze Programm miterleben zu können.


Ip Kyu Jang: Chair. Vier zusammengeschaltete Kameras und vier Stühle.
Tim Berresheim : Tarnen und Täuschen
Raffael Seyfried im Weltkunstzimmer


The Feedback Gents im Weltkunstzimmer