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Samstag, 24. Mai 2014

ellipsoid episodes reversed in der Lichtburg: Ein Rückblick auf die 60. Kurzfilmtage Oberhausen

"ellipsoid episodes reversed": Der Kurzfilm, den ich in einem Exemplar von Matti Suuronens Futuro gedreht hatte, fügte sich bei seinem Screening in der Lichtburg elegant in die Farbgestaltung des Raums ein.


Mit dem Festivalgründer Hilmar Hoffmann
„Manch einer wird heute enttäuscht nach Hause fahren. Er wird sich fragen, wie es weitergeht, geht es überhaupt weiter?“ Dieses Zitat der damaligen Oberbürgermeisterin von Oberhausen Luise Albertz  aus dem Jahr 1968 und ähnliche Aussprüche liest man auf den Postkarten, die bei der Ausstellung anlässlich der 60. Internationalen Kurzfilmtagen im örtlichen Rathaus ausliegen. Auf Schwarz-Weiß-Fotos schauen dort seriös wirkende Damen und Herren besorgt bis begeistert in die Kamera. Und genau das ist es wohl auch, was das Kurzfilmfestival schon immer ausgemacht hat: von euphorischer Begeisterung bis totaler Langeweile ist jede Gefühlsregung vertreten. Die Vielfältigkeit der Teilnehmer aus der ganzen Welt und ihre jeweils ganz unterschiedlichen Herangehensweisen eröffnen Einblicke in Bereiche, zu denen man sonst selten Zugang hat. Denn auch, wenn man sich seit vielen Jahren mit der Kunst in all ihren Formen beschäftigt hat und vieles mehr oder weniger nachvollziehen kann, so ist man in Oberhausen oft einfach nur ratlos. Oder eben total überwältigt vor Begeisterung. Dieses Image mit Humor zu sehen finde ich durchaus charmant und muss nach einer aufregenden Festival-Woche sagen: natürlich geht es weiter. Und wie!

Austragungsort des Festivals ist seit dem Jahr 1998 die Lichtburg in der Oberhausener Innenstadt, ein Kino aus dem Jahr 1932, also aus der Zeit, aus der auch der kubistische Bahnhof und das Rathaus in reinstem Backsteinexpressionismus stammen (Link).


Ich selbst hatte in diesem Mai die phantastische Möglichkeit, die überarbeitete Version meines Kurzfilms „ellipsoid episodes“ im Rahmen des Festivals in der Lichtburg zu zeigen, der zum ersten Mal bei der Eröffnung des Charles-Wilp-Museums in Witten gezeigt worden war (Link). Voller Vorfreude machte ich mich gleich am 1. Mai auf den Weg ins Ruhrgebiet um bei der Eröffnung in der Lichtburg dabei zu sein. Vor  allem auf die politische Bedeutung des Festivals wurde in den Eröffnungsreden Wert gelegt, die die Kurzfilmtage von Anfang an innehatten. Schon früh hatte man beispielsweise Filmemacher aus Ostdeutschland und Osteuropa nach Oberhausen eingeladen. Da man bereits die 60. Ausgabe der Kurzfilmtage feierte, wurden an dem Abend zahllose Videos mit Geburtstagsgrüßen von Regisseuren wie Werner Herzog oder George Lucas gezeigt, also Filmemachern, die ihre frühen Filme in Oberhausen gezeigt hatten. Werner Herzog befand sich natürlich wie immer im Aberteuer-Look und grüßte aus einer Schar Dromedare hervor.

Der Freitag dann, der 2. Mai., begann mit der Eröffnung der Ausstellung „Begegnungen und Entdeckungen“ (bis zum 13. Juni) im Oberhausener Rathaus im Beisein von Hilmar Hoffmann, der das Festival 1954 unter dem Titel „Westdeutsche Kulturfilmtage“ gegründet hatte. Im eleganten Foyer des Gebäudes von 1930 hatten sich die eingefleischten Fans versammelt und während hinter Hilmar Hoffmann der Paternoster rotierte, erklärte ein gutgelaunter Bankmitarbeiter, dass die Stadtsparkasse Oberhausen ja schon immer mit von der Partie gewesen sei. Darüber, dass sich Christoph Schlingensief x mal vergeblich beworben hatte, wurde genau so gescherzt, wie darüber, dass es Rainer Werner Fassbinder nie in die engere Auswahl geschafft hat. Und während ich noch überlegte, wie ich Herrn Hoffman ansprechen sollte, fragte mich eine Dame, ob ich mal ein Foto von ihm und ihr machen könne. Sie kenne ihn ja seit frühester Jugend, und: gut habe er damals ausgesehen, richtig gut. Und das ist eben auch ein Punkt, der in Oberhausen immer wieder betont wird: obwohl es das älteste und traditionsreichste Kurzfilm-Festival der Welt ist, herrscht eine absolut nette Atmosphäre. Jedenfalls kam ich so zu meinem Foto mit dem Festivalgründer, und dass er mir am Ende noch die Hand geschüttelt hat, das werte ich mal als ein positives Zeichen für weitere Projekte.

Nach mehreren Gläsern Sekt und diversen Fahrten mit dem Paternoster machte ich mich schließlich auf den Weg zur Lichtburg, um mit einer meiner onomato-Co-Stipendiatinnen das Filmprogramm zu beginnen. „Memories can’t wait“ war unser erster Punkt, eine Sammlung von Kurzfilmen und Performances aus der Zeit von Walter Ruttmann bis in die frühen Siebzigerjahre, dann der Muvi-Wettbewerb mit Musikvideos und schließlich ein Teil des Internationalen Wettbewerbs. Nach sechs Stunden Kurzfilm waren wir zugegebenermaßen ein wenig erschöpft. Aber genau so muss das ja auch sein.



Am Sonntag dann sollte ich meinen Kurzfilm „ellipsoid episodes reversed“ vorstellen. Über den Zusammenhang zwischen Kunst und Mode habe ich in meiner kleinen Rede berichtet und darüber, dass ich im Film das ideale Medium sehe, die verschiedenen Kunstformen miteinander zu verbinden. Als mein Film dann lief, wurde mir plötzlich klar, dass die Stoffbespannung des Kinosaals in lila, pink und rot genau die Farben des Samba-Fransenmonsters (Link) aus meinem Weltraumfilm hatte und auch zum Kostüm der Protagonistin passte. Da hatte ich es mal wieder geahnt.

Darüber, dass ich am Montag dann zwei der Filme gesehen habe, die letztendlich mit einem Preis ausgezeichnet wurden, bin ich besonders froh, da gerade diese beiden Werke die unglaubliche Diskrepanz in der Herangehensweise und auch in der Auswahl zeigen, die ich bereits erwähnt habe. Jennifer Reeders „ A million miles away“ (Link) erzählt in atmosphärisch dichten Bildern und anhand von ungemein individuellen Charaktären von Themen wie Kommunikation, Freundschaft und Selbstbestärkung. Die Gesichter der Figuren spielen dabei eine große Rolle, die Kostüme (darunter vor allem der Katzenpullover der Lehrerin) und die Art und Weise, wie anhand ganz persönlich gezeichneter Figuren allgemeingültige Probleme behandelt werden, bis hin zu einem absolut versöhnlichen Ende. „River Plate“ dagegen handelt vom stoischen Sitzenbleiben von Badegästen an einem ungastlichen Gebirgsbach, der unter einer Autobahnbrücke hindurch rauscht. Hier steht vor allem das Unattraktive im Vordergrund, das sich in Schwarz-Weiß-Bildern von haarigen Knien, dicken Bäuchen und plumpen Hintern manifestiert. Es ist nicht so, dass in dieser karstigen Landschaft aus Betonbrocken und Bäuchen gar nichts passiert. Am Ende fängt es an zu regnen.

In seiner unglaublichen Schönheit und Eleganz hat mich vor allem Anouk De Clercs Film “Thing” beeindruckt, bei dem die Harmonie zwischen der Sprache und den nur aus Punkten im Universum bestehenden Bildern schlichtweg überwältigend ist (Link / Link).

Wenn ich etwas in Oberhausen gelernt habe, dann die Tatsache, dass ein absolut subjektiver, persönlicher Blick fernab üblicher Erzählstrukturen im zeitgenössischen Kurzfilm genau so möglich ist, wie das Anknüpfen an die ewigen Themen und Bilder, die die Menschheit schon immer interessiert haben. Insofern ist das nun auch eine ganz subjektive Schilderung der 60. Kurzfilmtage Oberhausen, die mich aber auch objektiv gesehen sehr beeindruckt haben. 

Sowohl die Festival-Lounge im Druckluft als auch der Raum, in dem die Podiumsdisskussionen stattfanden, wurden durch die spektakulären Installationen der Raumzeitpiraten (Link) geschmückt.