Mit dem Festivalgründer Hilmar Hoffmann |
„Manch einer wird heute
enttäuscht nach Hause fahren. Er wird sich fragen, wie es weitergeht, geht es
überhaupt weiter?“ Dieses Zitat der damaligen Oberbürgermeisterin von
Oberhausen Luise Albertz aus dem Jahr
1968 und ähnliche Aussprüche liest man auf den Postkarten, die bei der
Ausstellung anlässlich der 60. Internationalen Kurzfilmtagen im örtlichen
Rathaus ausliegen. Auf Schwarz-Weiß-Fotos schauen dort seriös wirkende Damen
und Herren besorgt bis begeistert in die Kamera. Und genau das ist es wohl
auch, was das Kurzfilmfestival schon immer ausgemacht hat: von euphorischer
Begeisterung bis totaler Langeweile ist jede Gefühlsregung vertreten. Die
Vielfältigkeit der Teilnehmer aus der ganzen Welt und ihre jeweils ganz
unterschiedlichen Herangehensweisen eröffnen Einblicke in Bereiche, zu denen
man sonst selten Zugang hat. Denn auch, wenn man sich seit vielen Jahren mit
der Kunst in all ihren Formen beschäftigt hat und vieles mehr oder weniger
nachvollziehen kann, so ist man in Oberhausen oft einfach nur ratlos. Oder eben
total überwältigt vor Begeisterung. Dieses Image mit Humor zu sehen finde ich
durchaus charmant und muss nach einer aufregenden Festival-Woche sagen:
natürlich geht es weiter. Und wie!
Austragungsort des Festivals
ist seit dem Jahr 1998 die Lichtburg in der Oberhausener Innenstadt, ein Kino
aus dem Jahr 1932, also aus der Zeit, aus der auch der kubistische Bahnhof und
das Rathaus in reinstem Backsteinexpressionismus stammen (Link).
Ich selbst hatte in diesem
Mai die phantastische Möglichkeit, die überarbeitete Version meines Kurzfilms
„ellipsoid episodes“ im Rahmen des Festivals in der Lichtburg zu zeigen, der
zum ersten Mal bei der Eröffnung des Charles-Wilp-Museums in Witten gezeigt
worden war (Link).
Voller Vorfreude machte ich mich gleich am 1. Mai auf den Weg ins Ruhrgebiet um
bei der Eröffnung in der Lichtburg dabei zu sein. Vor allem auf die politische Bedeutung des
Festivals wurde in den Eröffnungsreden Wert gelegt, die die Kurzfilmtage von
Anfang an innehatten. Schon früh hatte man beispielsweise Filmemacher aus
Ostdeutschland und Osteuropa nach Oberhausen eingeladen. Da man bereits die 60.
Ausgabe der Kurzfilmtage feierte, wurden an dem Abend zahllose Videos mit Geburtstagsgrüßen
von Regisseuren wie Werner Herzog oder George Lucas gezeigt, also Filmemachern,
die ihre frühen Filme in Oberhausen gezeigt hatten. Werner Herzog befand sich
natürlich wie immer im Aberteuer-Look und grüßte aus einer Schar Dromedare
hervor.
Der Freitag dann, der 2.
Mai., begann mit der Eröffnung der Ausstellung „Begegnungen und Entdeckungen“
(bis zum 13. Juni) im Oberhausener Rathaus im Beisein von Hilmar Hoffmann, der
das Festival 1954 unter dem Titel „Westdeutsche Kulturfilmtage“ gegründet
hatte. Im eleganten Foyer des Gebäudes von 1930 hatten sich die eingefleischten
Fans versammelt und während hinter Hilmar Hoffmann der Paternoster rotierte,
erklärte ein gutgelaunter Bankmitarbeiter, dass die Stadtsparkasse Oberhausen
ja schon immer mit von der Partie gewesen sei. Darüber, dass sich Christoph
Schlingensief x mal vergeblich beworben hatte, wurde genau so gescherzt, wie
darüber, dass es Rainer Werner Fassbinder nie in die engere Auswahl geschafft
hat. Und während ich noch überlegte, wie ich Herrn Hoffman ansprechen sollte,
fragte mich eine Dame, ob ich mal ein Foto von ihm und ihr machen könne. Sie
kenne ihn ja seit frühester Jugend, und: gut habe er damals ausgesehen, richtig
gut. Und das ist eben auch ein Punkt, der in Oberhausen immer wieder betont
wird: obwohl es das älteste und traditionsreichste Kurzfilm-Festival der Welt
ist, herrscht eine absolut nette Atmosphäre. Jedenfalls kam ich so zu meinem
Foto mit dem Festivalgründer, und dass er mir am Ende noch die Hand geschüttelt
hat, das werte ich mal als ein positives Zeichen für weitere Projekte.
Nach mehreren Gläsern Sekt
und diversen Fahrten mit dem Paternoster machte ich mich schließlich auf den
Weg zur Lichtburg, um mit einer meiner onomato-Co-Stipendiatinnen das
Filmprogramm zu beginnen. „Memories can’t wait“ war unser erster Punkt, eine
Sammlung von Kurzfilmen und Performances aus der Zeit von Walter Ruttmann bis
in die frühen Siebzigerjahre, dann der Muvi-Wettbewerb mit Musikvideos und
schließlich ein Teil des Internationalen Wettbewerbs. Nach sechs Stunden
Kurzfilm waren wir zugegebenermaßen ein wenig erschöpft. Aber genau so muss das
ja auch sein.
Am Sonntag dann sollte ich meinen Kurzfilm „ellipsoid episodes reversed“ vorstellen. Über den Zusammenhang zwischen Kunst und Mode habe ich in meiner kleinen Rede berichtet und darüber, dass ich im Film das ideale Medium sehe, die verschiedenen Kunstformen miteinander zu verbinden. Als mein Film dann lief, wurde mir plötzlich klar, dass die Stoffbespannung des Kinosaals in lila, pink und rot genau die Farben des Samba-Fransenmonsters (Link) aus meinem Weltraumfilm hatte und auch zum Kostüm der Protagonistin passte. Da hatte ich es mal wieder geahnt.
Darüber, dass ich am Montag
dann zwei der Filme gesehen habe, die letztendlich mit einem Preis
ausgezeichnet wurden, bin ich besonders froh, da gerade diese beiden Werke die
unglaubliche Diskrepanz in der Herangehensweise und auch in der Auswahl zeigen, die ich bereits erwähnt
habe. Jennifer Reeders „ A million miles away“ (Link) erzählt in atmosphärisch dichten
Bildern und anhand von ungemein individuellen Charaktären von Themen wie Kommunikation, Freundschaft und
Selbstbestärkung. Die Gesichter der Figuren spielen dabei eine große Rolle, die
Kostüme (darunter vor allem der Katzenpullover der Lehrerin) und die Art und Weise,
wie anhand ganz persönlich gezeichneter Figuren allgemeingültige Probleme
behandelt werden, bis hin zu einem absolut versöhnlichen Ende. „River Plate“
dagegen handelt vom stoischen Sitzenbleiben von Badegästen an einem
ungastlichen Gebirgsbach, der unter einer Autobahnbrücke hindurch rauscht. Hier
steht vor allem das Unattraktive im Vordergrund, das sich in Schwarz-Weiß-Bildern
von haarigen Knien, dicken Bäuchen und plumpen Hintern manifestiert. Es ist
nicht so, dass in dieser karstigen Landschaft aus Betonbrocken und Bäuchen gar
nichts passiert. Am Ende fängt es an zu regnen.
In seiner unglaublichen
Schönheit und Eleganz hat mich vor allem Anouk De Clercs Film “Thing”
beeindruckt, bei dem die Harmonie zwischen der Sprache und den nur aus Punkten
im Universum bestehenden Bildern schlichtweg überwältigend ist (Link / Link).
Wenn ich etwas in Oberhausen
gelernt habe, dann die Tatsache, dass ein absolut subjektiver, persönlicher
Blick fernab üblicher Erzählstrukturen im zeitgenössischen Kurzfilm genau so
möglich ist, wie das Anknüpfen an die ewigen Themen und Bilder, die die Menschheit
schon immer interessiert haben. Insofern ist das nun auch eine
ganz subjektive Schilderung der 60. Kurzfilmtage Oberhausen, die mich aber auch
objektiv gesehen sehr beeindruckt haben.
Sowohl die Festival-Lounge im Druckluft als auch der Raum, in dem die Podiumsdisskussionen stattfanden, wurden durch die spektakulären Installationen der Raumzeitpiraten (Link) geschmückt. |