MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

Mittwoch, 11. April 2018

SUN. Katja Gärtner, Patrizia Lohmann und Julia Zinnbauer im Atelier Schloss Jägerhof, Düsseldorf

Katja Gärner, Patrizia Lohmann, Julia Zinnbauer





Die Sonne, die den Aufgang zum Atelier Schloss Jägerhof überstrahlt und deren schlanke goldene Strahlen den Besuchern wie die Pfeile auf einer Anzeigetafel den Weg weisen, stammt von Emil Schult. Der Düsseldorfer Künstler, der in den Anfangsjahren Mitglied der Band Kraftwerk war, Liedtexte wie „Trans Europa Express“, „Taschenrechner“ und „Computer Liebe“ schrieb, das Plattencover von „Autobahn“ gestaltete und bei Beuys studierte, nutzte das Atelier direkt am Hofgarten über Jahre hinweg selbst. Die Räume, in denen seine futuristisch-phantastischen Bilder entstanden, übergab er schließlich den Künstlern Patrizia Lohmann und Alexander Ernst Voigt. Neben ihrer eigenen künstlerischen Arbeit planen die beiden zusammen mit Emil Schult, Thomas Nink und den Mitgliedern des Atelier Schloss Jägerhof e.V. Düsseldorf die ehemalige Remise künftig auch als Ausstellungsraum zu nutzen.

Emil Schults aufgehende Sonne beleuchtet nicht nur den Eingang des Ateliers am Schloss Jägerhof, sie verleiht der Ausstellung SUN ihren Titel, die den Auftakt zu einer ganzen Reihe bildet. Patrizia Lohmann ist bei der ersten Ausstellung selbst mit dabei und hat zudem Katja Gärtner und Julia Zinnbauer eingeladen. In den ganz unterschiedlichen Herangehensweisen der drei Absolventinnen der Kunstakademie Düsseldorf spielt die Sonne eine ganz maßgebliche Rolle. Es geht ihnen um die Sonne als Metapher, als Symbol und vor allem aber auch um ihr Licht selbst, um die gleißende Hitze, die sie verströmt und den Rausch, den sie damit hervorruft, um die üppig wuchernde, barocke Botanik, um die dschungelhalfte Atmosphäre filigraner Gewächshäuser, in denen die Hitze unter Glas gefangen gehalten wird, um die Sehnsucht nach fernem Glanz und um das große Geheimnis, das im Hellen noch mysteriöser wirkt.

Katja Gärtner
Patrizia Lohmann
Julia Zinnbauer

Eröffnung: 11.04.2018, 18 Uhr
Ausstellung: 12. - 22.04.2018
Künstlergespräch: 15.04.2018, 16 Uhr
Finissage: 22.04.2018, 15 Uhr

Öffnungszeiten nach Vereinbarung;
atelierschlossjaegerhof@gmail.com

Atelier Schloss Jägerhof e.V.
Remise; Zugang über Einfahrt neben Duisburger Straße 137/ Ecke Jägerhofstraße
Düsseldorf





Patrizia Lohmann
In den Arbeiten von Patrizia Lohmann ist das Licht der Ausgangspunkt von allem. Die vorwiegend in schwarz-weiss gehaltenen Werke erzählen in leiser, zeichnerischer Sprache von Botanik und Architektur, von abstrakten Formen und Strukturen. Auch wenn die Technik des Fotogramms aus der Fotografie stammt, handelt es sich bei Patrizia Lohmanns Bildern um Malerei. Auf Leinwand oder auf speziell angefertigten Papieren, die wie aus der Wand „geschnitten“ aussehen, zeichnen sich Umrisse ab, die voller Tiefe und Leuchtkraft stecken.
Ursprünglich fand die Technik des Fotogramms hauptsächlich in den Naturwissenschaften Verwendung, da sie die Möglichkeit bot, sehr genaue Abbildungen von z.B. Pflanzenteilen herzustellen.

Patrizia Lohmanns Fotogramme spielen mit dem Gegensatz zwischen Nähe und Distanz. Sie verwendet dafür einerseits den Gegenstand selbst, belichtet ihn und bildet damit seine eigentliche Form ab. Indem sie dessen Aussehen nicht in der gewohnten Weise vermittelt, schafft sie Distanz durch Abstraktion. Andererseits malt sie auf die für das Fotogramm notwendige Glasplatte selbst, um die Malerei so in direkter Weise als Negativ zu benutzen. Sie kombiniert Gegenständen und Folien, collagiert und verfremdet durch Mehrfachbelichtung. In Ihrer aktuellen Serie verwendet sie zusätzlich architektonische Konstruktionen, vor allem die von Gewächshäusern. Auf diese Weise spielt das Licht sowohl in technischer Hinsicht eine Rolle, um das Fotogramm selbst zu erstellen, und gleichzeitig bezieht es sich auf das Thema der Serie, grafische Arrangements architektonischer und botanischer Strukturen und Ornamente in der warmdunstigen Atmosphäre von Glashäusern. Für Ihre Fotogramme verwendet Patrizia Lohmann einerseits den Gegenstand an sich und weist somit die größte Nähe zum Original auf, das es tatsächlich berührt hat, und gleichzeitig die größte Distanz, weil es dessen Aussehen nicht in der gewohnten Weise vermittelt. Andererseits malt sie selbst auf Glasplatte, um die Malerei so in direkter Weise als Negativ zu benutzen und mit Gegenständen und Folien zu kombinieren, durch Mehrfachbelichtung und Collagieren zu verfremden. Zudem wird teilweise die Palette der Grautöne durch einen Farbschimmer verändert oder es wird durch Malerei eine zweite Ebene erzeugt.

Katja Gärtner
In den Gemälden von Katja Gärtner inszenieren Rahmen die Farbe in ihrer Eigenwirkung und lenken die Aufmerksamkeit auf Material und Technik. Die Malerei wird zum einen durch Format und äussere Umrahmung begrenzt, zum anderen stanzen Rahmen einzeln Fragmente aus der Bildfläche heraus. Dadurch werden einzelne Ausschnitte fokussiert, in denen sich neue Kompositionen ergeben. Die äußeren Rahmen wahren die symmetrische Einheit des Bildes. Von der Mitte aus breiten sich Farben und Formen zentrifugal nach außen aus, wie die Strahlen der Sonne. Gerade in den neueren Arbeiten gelingt es den immer wiederkehrenden Rahmen allerdings nicht mehr die Malerei einzugrenzen. Die Farbe fließt über alle Begrenzungen hinweg – als Farbschlieren oder üppig-wuchernde Ornamente. Dabei entsteht ein Gegensatz: geometrische Ordnung trifft auf ausufernde Farben und Strukturen. Der Aspekt des Geheimnisvollen bleibt in Katja Gärtner Arbeiten jedoch weiter bestehen. Ein dunkles Firmament oder marmorierte Strukturen erinnern an Weltraum-Aufnahmen von Nebeln und fernen Galaxien.

Julia Zinnbauer
Julia Zinnbauers Auseinandersetzung mit Architektur und Mode ist sowohl die Basis ihrer künstlerischen Tätigkeit als auch der Hauptschwerpunkt ihrer kunst- und kulturgeschichtlichen Studien. Dabei liegt ihr Interesse vor allem bei der Architektur und dem Lebensgefühl des Mid-Century Modernisms. Sie ist davon überzeugt, dass die filigrane Eleganz sowie die skulpturale Massivität von Gebäuden der Nachkriegsmoderne erst im vollen Sonnenlicht und in der Hitze des Sommers wirklich lebendig werden, genau so, wie all die Palmen und Araukarien, die man diesen Bauten so gerne zur Seite stellt.

Fasziniert von den Zusammenhängen zwischen den verschiedenen Kunstformen, sieht sie in der Fotografie und der Videokunst die ideale Medien, um Architektur, Bildhauerei, Performance, Mode und Sprache im Rahmen ihres Gesamtkonzepts miteinander zu verbinden. Bei ihren Videos und Filmen ist es ihr wichtig, selbst mitzuspielen und auch alle technischen Aufgaben zu übernehmen. Die Kostüme, die sie für ihre Videoarbeiten entwirft und anfertigt, beziehen sich immer auf die darin gezeigte Architektur. Die Idee, sich mit Hilfe von Mode und Architektur selbst zu inszenieren und das eigene Leben als Gesamtkunstwerk zu gestalten, spielt bei ihren Projekten ebenfalls eine Rolle, ganz im Sinne von Charles Baudelaire und Oscar Wilde. Neben den Texten, die sie für ihren Blog www.scissorella.de schreibt, verfasst sie ich zudem Beiträge für Design- und Kunstmagazine. Die Recherchen, die sie für ihre Texte betreibt, fließen wiederum in ihre Videoarbeiten ein.

In der Ausstellung SUN ist ihre aktuelle Videoarbeit „Avion and Silverlake“ zu sehen, die von ihrem Besuch bei dem Architekten Dion Neutra in Los Angeles Silverlake handelt sowie von ihrem ganz persönlichen Verhältnis zu der Architektur kalifornischer Bungalows, das ihre Gesamte Weltsicht geprägt hat. Darüber hinaus zeigt sie Fotografien, die den extravaganten Mode- und Architekturliebhaber James Goldstein in seiner legendären Betonvilla in Los Angeles zeigen. Lange bevor es populär wurde, das eigene Leben in sozialen Netzwerken wie z. B. Instagram zu inszenieren, hat James Goldstein es verstanden, sein Leben als Gesamtkunstwerk zu gestalten - durch sein Haus, seine Kleidung und auch durch die Prominenten, die ihn in seiner Villa besuchen und mit denen er sich seit Jahrzehnten ablichten lässt. Dieses System der Inszenierung und Selbstinszenierung durch Mode, Architektur und soziale Kontakte hat sich Julia Zinnbauer bei ihrem Treffen mit James Goldstein angeeignet und in ihre eigene Langzeitperformance integriert.