Über Mode, Architektur und Automobilismus
Das "Kleid für die Autogerechte Stadt" war im vergangenen Jahr bei verschiedenen Ausstellungen zu sehen, wie z.B. bei "Heimatplan" (Link / Link) in der Galerie GRÖLLE pass:projects in Wuppertal (Link) und im Rahmen des Projekts "Neue Heimat" in der galerie weisser elefant in Berlin (Link). Das Konzept, das dem Kleid als Bindeglied zwischen Architektur, Mode und Bewegung zugrunde liegt, habe ich im Folgenden einmal zusammengefasst, denn gerade in diesem Kleid fließen all meine meine Überlegungen und Experimente aus den vorangegangenen Filmprojekten, Kostümen, entworfenen Schnittmustern, Recherchen, Architektur- exkursionen und Texten in einem Objekt zusammen.
Architektur und Mode
Die Bewegung ist eines der Elemente, die eine Verbindung zwischen Kleidung und Architektur darstellen. Durch ein Gebäude muss man sich erst einmal hindurch bewegen, um es in seiner Gesamtheit verstehen zu können. Die Architektur verführt den Betrachter durch ihre Formen und Materialien dazu, sich in Bewegung zu setzen und zieht ihn auf diese Weise Schritt für Schritt in ihren Bann. Ähnlich verhält es sich mit Kleidung. Sie muss in der Bewegung funktionieren, verleitet den Träger aber auch durch ihre Proportionen, Volumina, Materialien und Formen, sich auf die eine oder die ganz andere Art und Weise zu bewegen, sich zu halten und sich zu positionieren.
In meinen Arbeiten begebe ich mich immer wieder auf die Suche nach den Zusammenhängen zwischen den verschiedenen Kunstformen, sei es in der Mode, der Literatur, der Architektur oder der Bildhauerei. Bewegungen lassen sich in Rhythmen übersetzen und somit auch in Proportionen, ganz unabhängig vom jeweiligen Material. Ein ideales Medium, um eine Verbindung zwischen verschiedenen Kunstformen herzustellen, ist der Film. In meinem Video mit dem Titel „surveillance souterraine“ (2014, Link) war es beispielsweise mein Ziel, die Linien und Proportionen dreier U-Bahnhöfe in Bewegungen umzusetzen und darüber hinaus Kostüme zu entwerfen, die den Materialien und Proportionen der Gebäude entsprechen.
Die Autogerechte Stadt
Seit dem 20. Jahrhundert spielt im Verhältnis zwischen Architektur und Bewegung noch ein weiterer Aspekt eine Rolle: das Automobil. Städte breiteten sich seit dem frühen 20. Jahrhundert parallel zu der immer schneller wachsenden Anzahl von Automobilen zu riesigen bebauten Flächen aus, wie beispielsweise Los Angeles, oder wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in sogenannte autogerechte Städte umgebaut - mit breiten Durchgangsstraßen und neu angelegten Wohngebieten an der Peripherie. Eine dieser Trabantenstädte ist das Märkische Viertel in Berlin (Link), das in den Sechzigerjahren u. a. von Georg Heinrichs geplant wurde. Wer hier kein Auto hat, dem fällt es schwer, in den speziellen Genuss der modernen Großstadt zu gelangen.
Georg Heinrichs (Link) selbst legt großen Wert darauf, dass er für seine Architektur die elegante horizontale Form gegenüber der aggressiven vertikalen bevorzugt. Dieser Lebenshaltung entsprach auch der Jaguar, den der heute 90jährige bis vor wenigen Jahren fuhr. Einige seiner Wohnbauten flankieren die Achse, die durch einen Großteil von Berlin verläuft und in die Straße des 17. Juni mündet, nachdem sie sich durch ein weiteres Sinnbild der autogerechten Stadt verzweigt - durch den mehrspurigen, von Nachkriegsarchitektur umstandenen Kreisel des Ernst-Reuter-Platzes.
Der Höhepunkt in Heinrichs' Autofahrer-Architektur ist jedoch die Wohnbebauung in der Schlangenbader Straße (Link). Dort überbaute Heinrichs gegen Ende der Siebzigerjahre mit der riesigen, in die Länge gezogenen Wohnanlage einen Autobahnabschnitt mitten in Berlin. Die Straße verläuft über die gesamte Länge des Gebäudes hinweg, parallel zu den Hausfluren und im gleichen Schwung.
Der Tausendfüßler in Düsseldorf als eleganteste Hochstraße der Bundesrepublik
Ein weiteres ideales Beispiel für die Verbindung von Funktionalität, Dynamik und Schönheit war die „Tausendfüßler“ genannte Düsseldorfer Hochstraße bis zu ihrem Abriss im Jahr 2013 (Link). Ästheten schätzten die Feingliedrigkeit und elegante Linienführung, den weichen, dynamischen Schwung mit dem der Tausendfüßler zwischen den Karees der Innensatdt hindurchglitt, eine zweite Ebene ins Bild legte und den Blick der Passanten immer wieder in Richtung Himmel führte. Der Tausendfüßler war die ideale Verkörperung des Form-follows-Function-Gedanken. Er war schön, er war funktional, er war kostengünstig und vor allem genoss er die Sympathie der Bevölkerung. Alleine die Verschalung sah bereits aus wie eine riesige, kühn geschwungene Holzskulptur, die man mitten in der Stadt aufgebaut hatte, wie der Rücken einer riesigen Taube.Die unglaublich geschwungene, filigrane des Tausendfüßlers wirkte sich unmittelbar auf den Schwung des Autofahrers aus, der dynamisch nach oben rauschte, sich einen Überblick über die moderne Großstadt verschaffte, um dann auf der Höhe des Dreischeibenhauses in einer eleganten Bewegung wieder nach unten und aus der Stadt heraus rollte.
Ein weiteres ideales Beispiel für die Verbindung von Funktionalität, Dynamik und Schönheit war die „Tausendfüßler“ genannte Düsseldorfer Hochstraße bis zu ihrem Abriss im Jahr 2013 (Link). Ästheten schätzten die Feingliedrigkeit und elegante Linienführung, den weichen, dynamischen Schwung mit dem der Tausendfüßler zwischen den Karees der Innensatdt hindurchglitt, eine zweite Ebene ins Bild legte und den Blick der Passanten immer wieder in Richtung Himmel führte. Der Tausendfüßler war die ideale Verkörperung des Form-follows-Function-Gedanken. Er war schön, er war funktional, er war kostengünstig und vor allem genoss er die Sympathie der Bevölkerung. Alleine die Verschalung sah bereits aus wie eine riesige, kühn geschwungene Holzskulptur, die man mitten in der Stadt aufgebaut hatte, wie der Rücken einer riesigen Taube.Die unglaublich geschwungene, filigrane des Tausendfüßlers wirkte sich unmittelbar auf den Schwung des Autofahrers aus, der dynamisch nach oben rauschte, sich einen Überblick über die moderne Großstadt verschaffte, um dann auf der Höhe des Dreischeibenhauses in einer eleganten Bewegung wieder nach unten und aus der Stadt heraus rollte.
Ein Kleid für die Fahrt durch die autogerechte Stadt
Meine jahrelange Auseinandersetzung mit der Architektur der Nachkriegsmoderne bringt mich immer wieder dazu, Kleider und Kostüme zu entwerfen. Das unentwegte Besuchen, Befahren und Betrachten des Tausendfüßlers bis hin zu dessen Abriss sowie meine Überlegungen hinsichtlich einer Fahrt mit Georg Heinrichs durch Berlin als autogerechte Stadt führten schließlich zu dem "Kleid für die autogerechte Stadt". Wo Linien am idealsten über den Körper verlaufen frage ich mich genau so, wie ich die Straßen einer Stadt abfahre. Es geht um das Offenlegen von Konstruktionen, um Transparenz, um Allansichtigkeit aber auch um sie Geschichten, die alles zusammenhalten. Ob die Fahrt mit dem Architekten Heinrichs jemals stattfinden wird, das wird die Zukunft zeigen.