MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

Montag, 20. September 2021

Reading in Berkshire – Düsseldorfs englische Partnerstadt und ihr modernes Stadtzentrum von Robert Matthew Johnson-Marshall


Das Radschläger-Monument, das der Städtepartnerschaft zwischen Reading und Düsseldorf gewidmet ist, mit dem Magistrates Court von Rober Matthew Johnson-Marshall im Hintergrund
 

Die langjährige Städtepartnerschaft zwischen Reading und Düsseldorf

Die Stadt Reading, die zwischen London und Oxford an der Themse liegt, ist vor allem für „beer, bricks, bulbs (in diesem Fall Blumenzwiebeln) und biscuits“ bekannt. Neben einer alten Abtei, die von Heinrich VIII. zerstört wurde, befindet sich dort zudem das Gefängnis, in dem Oscar Wilde die Jahre 1895 bis 1897 verbringen musste. Reading ist die Hauptstadt der Grafschaft Berkshire und liegt ca. 45 km westlich von London.

Die Freundschaft zwischen Reading und Düsseldorf begann unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, als Düsseldorf von Groß Britannien besetzt war. Die Briten waren es auch, die Nordrhein-Westfalen gründeten und das 75. Jubiläum der Gründung des Bundeslandes wurde im Jar 2021 ausgiebig in Düsseldorf gefeiert. Unser Projekt schließt sowohl zeitlich als auch inhaltlich an das Jubiläum an.

Durch das Royal Berkshire Regiment, das nach dem Krieg in Düsseldorf stationiert war, erfuhr Phoebe Cusden, die damalige Bürgermeisterin Readings, von den notleidenden Bewohnern des zerbombten Düsseldorfs und lud zunächst einmal einige Kinder nach Reading ein.

Aus dieser ersten Einladung entwickelte sich eine intensive Freundschaft zwischen den beiden Städten, die bis heute andauert und sich über ganz unterschiedliche Bereiche erstreckt, vom Schüler- und Studentenaustausch über Kunst, Literatur, Kirche und Sport hinweg. Die Reading Düsseldorf Association unterstützt seit Jahrzehnten zusammen mit der Landeshauptstadt Düsseldorf Projekte im Rahmen der Städtepartnerschaft. 

 

Der Düsseldorf Way entlng der Broadstreet Mall auf das HEXAGON zuführend, im Vordergrund der der Städtepartnerschaft mit dem irischen Clonmel gewidmete Weg; Reading im Sommer 2021








 


Das HEXAGON und der Düsseldorf Way in Readings neuen Stadtzentrum

In den 1960er Jahren wurde in Reading der Bau eines neuen Stadtzentrums beschlossen. Dafür wurden in direkter Nähe der Kirche St. Mary's Butts, die aus dem 11. Jahrhundert stammt, großflächig mehrere Straßenzüge mit Backstein-Reihenhäusern abgerissen und zunächst einmal eine mehrspurige Hauptdurchgangsstraße angelegt, die Inner Distribution Road. Nach deren Eröffnung im Jahr 1969 folgte der Bau des Butts Centres. Das Einkaufszentrum nach amerikanischem Vorbild wurde mitsamt dem dazugehörigen Parkhaus im Jahr 1972 eröffnet und in den 1980er Jahren in „Broadstreet Mall“ umbenannt. Heute befinden sich dort u.a. die Räume des Kunstvereins Jelly Reading.

Nach den Entwürfen des Architekturbüros Robert Matthew Johnson-Marshall (Edinburgh/London, kurz RMJM) wurde das Architekturensemble in den Folgejahren durch ein Civic Centre, ein Polizeipräsidium und das HEXAGON vervollständigt. In allen drei Gebäuden von RMJM spielen sechseckige Formen eine Rolle. Diese Planung eines gesamten Stadtteils Readings am Reißbrett ist typisch für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und lässt sich im Zusammenhang mit den Ideen von Le Corbusier und z.B. auch Oscar Niemeyer betrachten.

Der besondere Bezug des modernen Architekturensembles rund um das HEXAGON zu Düsseldorf besteht u.a. darin, dass die Wege zwischen den Gebäuden nach den Partnerstädten Readings benannt sind. So gibt es auch einen Düsseldorf Way, der entlang des Butt Centres (der heutigen Broadstreet Mall) direkt auf die Kirche St. Mary's Butts zuführt. Der Cusden Walk entlang des Polizeipräsidiums ist nach Phoebe Cusden benannt, der Bürgermeisterin Readings, auf die die Städtepartnerschaft zurück geht. Darüber hinaus befindet sich dort auch ein Radschläger Denkmal, das zusammen mit dem Civic Centre entstand.

Das Civic Centre, das sich in der direkten Nähe des Theaters befand, wurde leider im Jahr 2915 abgerissen. Heute befindet sich dort eine Anlage, in der Urban Gardening betrieben wird.

Neben dem rein architektonischen und städtebaulichen Interesse, das wir am HEXAGON haben, liegt unsere Begeisterung auch darin begründet, dass Matt Hulses Vater in den späten 70er Jahren der erste General Manager des Theaters war und Matt mit dem Gebäude und all seinen Funktionen und Eigenheiten aufgewachsen ist. Später hat Matt Hulse in Reading Kunst studiert. 






Foto: Julia Zinnbauer










 


Foto: Matt Hulse


 Die Architektur des HEXAGONS

Im Zentrum des geplanten Filmprojekts von Hulse und Zinnbauer steht das HEXAGON, ein modernes Multifunktionstheater, das im Jahr 1977 von der Queen eingeweiht wurde. Im Gegensatz zum Civic Centre, das auf einem Arrangement mehrerer gleichmäßiger Sechsecke basiert, besteht der Grundriss des HEXAGONS aus einem einzigen langgezogenen Sechseck.

Die Idee hinter dem HEXAGON bestand darin, eine demokratische Aufführungsstätte zu schaffen, in der man beinahe alles aufführen kann, von Shakespeare über klassische Musik, Popmusik, Wrestling, Snooker bis hin zu Pantomimes, den typisch englischen Weihnachts- Theaterstücken. Möglich ist das u.a. dadurch, dass man den Innenraum des HEXAGONS für Sportverantaltungen in eine Arena umbauen kann.

Die gesamte Gestaltung des Multifunktionstheaters geht zudem weit über den Entwurf eines Zweckbaus hinaus. Die skulpturale Qualität des HEXAGONS, seine Details und Materialien, das Zusammenspiel von Betonelementen und Fensterbändern – all das lässt sich mit Gebäuden von Architekten wie John Lautner in Los Angeles und Palm Springs vergleichen oder den Bauten Oscar Niemeyers. 

Reading, Polizeipräsidium von Robert Matthew Johnson-Marshall, Foto: Julia Zinnbauer

Das HEXAGON in Reading. Dort, wo ursprüglich das Civic Centre nachentwürfen des Architekturbüros Robert Matthew Johnson-Marshall stand, wird heute Urban Gardening betrieben.

Der Düsseldorf Way verläuft entlang der Broadstreet Mall direkt auf die Kirche St Mary's Butts zu.