MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

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Montag, 30. März 2020

ASTEROIDA. Mein Kurzfilm und die Geschichte der Hortenkachel


ASTEROIDA - A Video by Julia Zinnbauer
ASTEROIDA. Kurzfilm, Julia Zinnbauer 2014/19, Filmstill


Die Hortenkachel
Durch ihren hohen Wiedererkennungswert und ihre universelle Einsatzmöglichkeit trug die Hortenkachel in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in hohem Maße zu der Verbreitung der der Kaufhauskette Horten in ganz Westdeutschland bei. Ein modulares Fassadenelement zu entwerfen, das aus dem Firmenlogo selbst besteht, war ein so genialer Zug, dass bis heute, trotz der wechselvollen Geschichte der Firma Horten inclusive Verkauf, Umbenennung, Schließung und Umbau der (ehemaligen) Filialen, die Hortenkachel selbst nach wie vor im allgemeinen Bewusstsein existiert. Jede Hortenkachel trägt ein H in sich, zwei Kacheln nebeneinander ergeben die Inizialen H. H. für Helmut Horten, zusammengesetzt zu einer großflächigen Vorhangfassade flüstern sie den Namen des Firmengründers in einem unendlichen, minimalistischen Rhythmus in die Stadt.

Dabei stellen sich allerdings zwei Fragen: einerseits nach dem Material, aus dem die Fassadenelemente bestehen, andererseits aber auch danach, wer die Hortenkachel denn nun eigentlich entworfen hat. So, wie die einzelnen Kaufhausgebäude selbst nie identisch aussahen, sondern immer an die jeweilige städtebauliche Situation und angepasst und sogar von verschiedenen Architekturbüros entworfen wurden, so wurde auch die Hortenkachel selbst ständig weiterentwickelt und besteht in ganz unterschiedlichen Varianten.

Der Begriff „Eiermannkachel“, mit dem das Fassadenelement ebenfalls häufig bezeichnet wird, muss in diesem Zusammenhang hinterfragt werden. In der Entstehungsgeschichte des Modulelements spielt der Architekt Egon Eiermann zwar eine Rolle und auch der Begriff „Kachel“ ist für ein Keramikelement bestimmt sinnvoll. Aber bestehen Eiermannkacheln nicht eigentlich aus Aluminium? 


Hortenkacheln in Düsseldorf, Julia Zinnbauer

Hortenkacheln in Düsseldorf, Julia Zinnbauer
ASTEROIDA. Kurzfilm, Julia Zinnbauer 2014/19, Filmstill












  


Im Sommer 2019, als ich den Düsseldorfer Architekten Friedel Kellermann in meine Ausstellung FLYOVER (Link) ins Stadtmuseum Düsseldorf einlud, erhielt ich endlich Antwort auf meine Fragen. Teil der Ausstellung waren meine zwei eigenen Hortenkacheln sowie mein Kurzfilm ASTEROIDA, den ich in der ehemaligen Hortenfiliale auf der Berliner Allee in Düsseldorf gedreht hatte, kurz vor dem Umbau des Gebäudes im Jahr 2014. Somit war ich begeistert und aufgeregt, als Friedel Kellermann, der zusammen mit Helmut Rhode und Hans Günter Wawrowski das Architekturbüro RKW gegründet hatte, meiner Einladung ins Stadtmuseum folgte. 1959 hatte Helmut Rode den Wettbewerb um den Entwurf der Horten Hauptverwaltung in Düsseldorf am Seestern gewonnen und war schließlich zusammen mit Kellermann und Wawrowsky an der gesamte Entwicklung des Horten-Designs beteiligt.

Die Horten-Filiale in Krefeld
Bewusst wurde mir die Schönheit der Hortenfassade zum ersten mal, als ich an einem kalten, windigen, extrem sonnigen Tag vor etwa zehn Jahren mit dem Fahrrad an der ehemaligen Hortenfiliale in Krefeld vorbei fuhr. Alle Schriftelemente waren von der Fassadeentfernt worden, und so sah ich das durchbrochene Muster in seiner ursprünglichen Schönheit und Klarheit im hellen Sonnenlicht. Zuletzt war das Gebäude als Kaufhof genutz worden, wie so viele ehemalige Horten-Filialen. Mittlerweile stand es leer.

Hortenkacheln in Krefeld, Julia Zinnbauer
Krefeld 2013
Im Jahr 2013 dann der Schock. Ich kam zufällig wieder an dem Gebäude vorbei, das zu meinem Schrecken eingerüsteten war. Hinter den großflächig aufgespannten Planen hatte man die elegante Fassade schon in weiten Teilen brachial zerstört, und zwar indem man sie einfach von innen nach außen abgeklopft hatte. Auf dem Boden unter dem Baugerüst lag ein Meer aus zerbrochenen, hellblauen Hortenkacheln.

Ich begann zu recherchieren und fand heraus, dass die Kacheln von der Firma Keramag hergestellt worden waren. Ich nahm mit Keramag Kontakt auf, wies sie auf die Zerstörung hin und zu meiner großen Freude konnte eine eingagierte Mitarbeiterin einige der Kacheln für das Firmenarchiv retten, eine davon bekam ich feierlich überreicht. (Zu meinem Blogartikel aus dieser Zeit geht es hier entlang: Link)









Der Horten / Kaufhof auf der Berliner Allee in Düsseldorf
Es vergingen einige Jahre, dann hieß es plötzlich, dass nun auch der Kaufhof an der Berliner Allee in Düsseldorf seine Original-Horten-Fassade verlieren sollte. Mir gelang es damals, auf mein Nachfragen hin, das bereits leer geräumte Kaufhaus umfassend zu fotografieren und schließlich auch ein Video dort zu drehen. In diesem Zusammenhang bekam ich von der Kaufhof-Leitung meine zweite und dritte Hortenkachel geschenkt, und da erst wurden mir die subtilen Unterschiede bewusst. Die eine „Kachel“ war aus Aluminiumblech und große Flächen der Fassade bestanden aus dieser Variante. Die andere aber bestand aus Keramik, allerdings in einem ganz anderen Farbton als das hellblau-graue Exemplar aus Krefeld. Die Düsseldorfer Variante ist von einem ganz hellen Grau und von der Straße aus sah man keinen Unterschied zwischen den Aluminum- und den Keramik-Elementen. In meiner FLYOVER-Ausstellung konnte man die zarten farblichen Unterschiede zwischen dem Exemplar aus Krefeld und dem aus Düsseldorf direkt nebeneinander sehen.

ASTEROIDA
Meine Ausstellung FLYOVER handelte von den architektonischen Zusammenhängen zwischen Düsseldorf und Los Angeles in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch von amerikanischen Einflüssen auf die Architektur der Stadt im Allgemeinen. In mehrerer Hinsicht bietet dafür Helmut Rhodes Entwurf der Horten Hauptverwaltung aus dem Jahr 1959 ein ideales Beispiel dafür, wie in Deutschland moderne architektonische Einflüsse umgesetzt wurden. Das Viertel Am Seestern wurde in Düsseldorf nach dem Zweiten Weltkrieg eigens als Bürostandort angelegt, so wie der neue Stadtteil Garath als Wohnviertel entstand. Der Titel meines Kurzfilms ASTEROIDA bezieht sich auf das Büroviertel am Seestern, von dem aus die Hortenkachel ihre deutschlandweite Verbreitung fand.




ASTEROIDA
Kurzfilm
Kamera, Schnitt, Kostüm, Idee, Performance: Julia Zinnbauer
Düsseldorf 2014/2019
6.35 Min.


Dienstag, 24. September 2019

FLYOVER im Stadtmuseum Düsseldorf - Dokumentation der Ausstellung


Eine Ausstellung von Julia Zinnbauer über die architektonischen Zusammenhänge zwischen Düsseldorf und Los Angeles in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg im Stadtmuseum Düsseldorf












Meine Ausstellung FLYOVER ist nun am 15. September mit Bazon Brocks Vortrag sehr spektakulär zu Ende gegangen und ich bin sehr bewegt darüber, wer alles bei mir im Stadtmuseum vorbei gekommen ist und mit mir über das Projekt gesprochen hat. Vielen Dank an alle, die mich in den letzten Wochen im Stadtmuseum Düsseldorf besucht haben, vielen Dank an das Museums-Team, an die Galerie GRÖLLE passprojects für ihre Unterstützung, an die Firma Julius Schulte Söhne in Düsseldorf Bilk für die phantastische Pappe, aus dem wird das goldene Kuppelfragment gebaut haben und natürlich and Bazon Brock und die Denkerei Berlin!

Bis ich meine umfangreiche Dokumentation der Ausstellung fertig gestellt habe, könnt Ihr Euch hier eine Präsentation anschauen, in der ich einige Fotos der Ausstellung sowie einige Texte zusammengestellt habe. 

Das Video von Bazon Brocks Vortrag mit dem Titel "Re - education durch Architektur. Wie die Amerikaner den Deutschen das Senkrechtstehen beibringen wollten - Stahlskelettbau und Charaktermasken" schneide ich in den nächsten Tagen und lade es hier hoch.




Walter Brune in seinem Arbeitszimmer, Videostill Julia Zinnbauer
Videostill FLYOVER: Walter Brune in seinem Arbeitszimmer  













Even though my exhibition FLYOVER has been over for a month now I have not yet told you the story about the golden fragment of a geodesic dome I made for the show. Walt Disney was very much interested in urbanism and in the end of his life he planned a whole artificial city in Florida. Instead EPCOT was built as a part of Disney World. EPCOT means Experimental Prototype Community of Tomorrow and features a giant geodesic dome. An imitation of this dome can be seen in Rust, Germany, in the @europapark, and also @phantasialand, close to Bonn, had its own, GOLDEN geodesic dome. It was torn down some years ago. For my exhibition I created a melancholic looking fragment of this golden dome that is supposed to remind of all these modern buildings that are representative for a strong belief in modernism and in the future and that have already been torn down. Inside of the dome near Bonn there was a flight simulator, so in my exhibition you could watch my film FLYOVER inside the golden fragment. In the first photo you can see me talking to Dion Neutra in the VDL Research House in L.A. Silverlake, the second photo shows the original dome in the @phantasialand. I took the photo in 2014. - Many thanks to @groelle_passprojects! Without you there would have been no golden geodesic dome in my show! ...... #FLYOVER #WaltDisney #architecture #urbanism #EPCOT #geodesicdome #BuckminsterFuller #Florida #Rust #Brühl #Düsseldorf #LisAngeles #Silverlake #VDLResearchHouse #DionNeutra #flightsimulator #exhibition #art #museum #film #video #history
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Samstag, 10. August 2019

FLYOVER im Stadtmuseum Düsseldorf - Die Eröffnung

Los Angeles und die Architektur der Nachkriegsmoderne in Düsseldorf



Flyover, Stadmuseum Düsseldorf, Julia Zinnbauer








 
Am Samstag, dem 3. August 2019 wurde mein Ausstellung "FLYOVER - Los Angeles und die Architektur der Nachkriegsmoderne in Düsseldorf" Im Stadtmuseum Düsseldorf eröffnet. Ich bedanke mich bei allen, die durch ihre Begeisterung, ihr Interesse und ihre Unterstzung dazu beigetragen haben, dass das ein absolut unvergesslicher, schöner, feierlicher Abend war.

Die Ausstellung ist noch bis zum 15. September 2019 zu sehen. Am 8. September, dem Tag des Offenen Denkmals, werde ich um 15 Uhr eine Führung durch die Ausstellung machen und zur Finissage der Ausstellung am Sonntag, dem 15. September, 11.30 Uhr, spricht Bazon Brock im Rahmen der Denkerei mobil zum Thema: „Re - education durch Architektur. Wie die Amerikaner den Deutschen das Senkrechtstehen beibringen wollten - Stahlskelettbau und Charaktermasken“.



Stadtmuseum Düsseldorf
Berger Allee 2
40213 Düsseldorf
Tel.: 0211-89-96170
www.duesseldorf.de/stadtmuseum




Flyover, Stadmuseum Düsseldorf, Julia Zinnbauer



Montag, 5. August 2019

FLYOVER - Ein Interview über meine Ausstellung im Stadtmuseum in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf



„FLYOVER“ im Stadtmuseum Düsseldorf: Künstlerin Julia Zinnbauer zeigt in ihrer Ausstellung, wie sich hiesige Architekten nach dem Zweiten Weltkrieg von kalifornischen Baumeistern inspirieren ließen.



Bereits am 29. Juli erschien in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf ein Interview mit mir, in dem ich über meine Ausstellung berichte, die seit dem 3. August im Stadtmuseum Düsseldorf zu sehehen ist. Vielen herzlichen Dank an den Kulturredakteur Herrn Thomas Frank für die Möglichkeit, so umfassend auf seine Frangen eingehen zu können.



Frau Zinnbauer, als es nach dem Zweiten Weltkrieg darum ging, Düsseldorf wiederaufzubauen, flogen Architekten wie Paul Schneider-Esleben oder Walter Brune nach New York, Chicago oder Los Angeles, um sich dort anregen zu lassen. Was trieb sie in die Vereinigten Staaten?

Durch den Zweiten Weltkrieg wurde die gesamte Entwicklung der Moderne in Deutschland, die bereits so weit fortgeschritten war, unterbrochen und das Land war jahrelang kulturell isoliert. Nach der Schließung des Bauhauses in Dessau (1932) und in Berlin (1933) wanderten Architekten wie Mies van der Rohe und Walter Gropius nach Amerika aus, setzten ihre Arbeit und ihre Lehrtätigkeit u.a. in Chicago und Havard/Cambridge fort und verfeinerten dort in den folgenden Jahren ihre Ideen. Diese Konzentration des architektonischen Fortschritts in den Vereinigten Staaten veranlasste nach dem Krieg zahlreiche junge deutsche Architekten, nach Amerika zu reisen, um etwas über modernes Bauen zu lernen. Auf diese Weise gelang es ihnen aber auch, einen ideellen Anschluss an das Bauhaus herzustellen. 

Walter Brune ist einer dieser Architekten, die immer wieder nach Amerika reisten und so die Bauhaus-Architekten dort kennen lernte. Über Jahre hinweg arbeitete er dann eng mit Marcel Breuer zusammen. Die Begesiterung, mit der Düsseldorfer Architekt heute noch vom Bauhaus spricht zeigt, wie sehr er von den Idealen der Moderne durchdrungen ist.Tatsächlich wurden aber auch ganze Architekten-Bildungsreisen organisiert, wie z.B. durch die Deutsche Aluminiumzentrale. Auf diese Weise gelangte z.B. die Idee der Vorhangfassade nach Deutschland. 

Eine große Rolle spielten zu dieser Zeit auch amerikanische Fachzeitschriften, sowohl in der Kunst als auch in der Architektur und auch Bauherren informierten sich auf diese Weise. Der junge Walter Brune las damals amerikanische Architekturzeitschriften und wandte sein so erworbenes Wissen über modernes, funktinoales Bauen beim Entwurf der Zeche Prosper Haniel in Essen an, die ein großer Erfolg wurde. Daraufhin flog er zu ersten Mal nach Amerika, um sich die Architektur vor Ort anzuschauen und lernte in Kalifornien Richard Neutra kennen.

In dem Bungalow, den er schon zu Beginn der 50er Jahre in Düsseldorf für sich selbst baute, vereinen sich seine eigenen Ideen mit seiner Begeisterung für das Bauhaus und den Erfahrungen, die er mit der Architektur des „Mid-Century-Modernism“ in Kalifornien gemacht hat. Zudem ist das Gebäude ein ganz frühes Beispiel für ein Wohnhaus mit Flachem Dach in der Nachkriegszeit.

Pierre Koenig: Stahl House, Los Angeles 1959 (Foto: Julia Zinnbauer 2009)


Montag, 22. Juli 2019

Julia Zinnbauer – FLYOVER. Los Angeles und die Architektur der Nachkriegsmoderne in Düsseldorf

Einladung zur Ausstellungseröffnung im Stadtmuseum Düsseldorf 

 

Flyover, Stadmuseum Düsseldorf, Julia Zinnbauer





















Ganz herzlich möchte ich Euch zu meiner Ausstellung FLYOVER im Stadtmuseum Düsseldorf einladen. Ich würde mich sehr freuen, Euch bei der Vernissage am Samstag, dem 3. August 2019 begrüßen zu dürfen:

Julia Zinnbauer – FLYOVER.
Los Angeles und die Architektur der Nachkriegsmoderne in Düsseldorf


Sonntag, 4. August bis Sonntag, 15. September 2019
Vernissage: Samstag, 3. August 2019 um 18 Uhr

Zur Finissage der Ausstellung wird Bazon Brock im Rahmen der Denkerei mobil 
am Sonntag, dem 15. September einen Vortrag halten, Beginn 11.30 Uhr:

Re - education durch Architektur.
Wie die Amerikaner den Deutschen das Senkrechtstehen beibringen wollten - 

Stahlskelettbau und Charaktermasken


Stadtmuseum Düsseldorf
Berger Allee 2
40213 Düsseldorf
Tel.: 0211-89-96170


English version below


In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland ein reger architektonischer Austausch. Auch von Düsseldorf aus flogen Architekten nach New York, Chicago und Los Angeles, um sich mit modernen Gebäuden auseinanderzusetzen, sich Anregungen für den Wiederaufbau ihrer zerstörten Heimatstadt zu holen und um einen ideellen Anschluss an das Bauhaus herzustellen. Umgekehrt reiste beispielsweise der Architekt Richard Neutra von Los Angeles aus mit seinen Entwürfen an den Rhein und ins Bergische Land. Neuerungen wie Konzepte für Großraumbüros und Einkaufszentren gelangten auf diese Weise nach Düsseldorf und vor allem die Idee des kalifornischen Bungalows wurde dort begeistert aufgenommen.

Die Ausstellung FLYOVER handelt von den architektonischen Zusammenhängen zwischen Düsseldorf und Los Angeles in der Nachkriegszeit, sie ist aber auch dem optimistischen Glauben an die Moderne gewidmet und der Sehnsucht nach dem Glamour des Jetset-Zeitalters.

In ihren Projekten konserviert und transportiert die Düsseldorfer Künstlerin Julia Zinnbauer die Schönheit und die Atmosphäre außergewöhnlicher Bauten und erzählt deren Geschichten sowie die ihrer Architekten und ihrer Bewohner.

Für ihre Ausstellung reiste Julia Zinnbauer nach Los Angeles und drehte dort einen Film, in dem sie ihre Besuche verschiedener Gebäude Richard Neutras dokumentiert. Dabei kommt unter anderem auch Dion Neutra zu Wort, der Sohn des Architekten, der sie in dessen Reunion House und das VDL Research House in Los Angeles Silverlake einlädt und ihr von seiner langjährigen Zusammenarbeit mit seinem Vater und der Entstehungsgeschichte dieser und weiterer Häuser berichtet. In Düsseldorf besuchte Julia Zinnbauer den Architekten Walter Brune, der ihr seine Bungalowentwürfe und sein Verhältnis zu Amerika und zum Bauhaus erklärt.

Dies und was das alles auch mit der Düsseldorfer Hollywood-Schauspielerin Luise Rainer zu tun hat erfahren die Besucherinnen und Besucher ab dem 4. August im Stadtmuseum Düsseldorf wo Julia Zinnbauer unter dem Titel FLYOVER ihre Rechercheergebnisse in Form von Fotos, Videos, Texten und einer Rauminstallation präsentiert. 


Freitag, 15. Februar 2019

Ein Bungalow in den Farben des Mittelmeeres - Teil vier meiner Serie über Paul Schneider-Esleben in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf

Was hat ein Flachdach-Bau im Düsseldorfer Umland mit hellblauen Autos und der Côte d’Azur zu tun?



Julia Zinnbauer, Westdeutsche Zeitung Düsseldorf, Paul Schneider-Esleben

Der vierte Teil meiner Serie über Paul Schneider-Esleben und den ersten Flachdach-Bungalow, den er Anfang der 1950er Jahr entwarf, ist am vergangenen Montag, dem 11. Februar, in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf erschienen. Da ich mich zu dieser Zeit jedoch auf einer sehr aufregenden, ganz der Architektur Richard Neutras gewidmeten Berlin-Reise befand, halte ich mein WZ-Exemplar erst jetzt in Händen und staune über das elegante Layout. Nach all den kunstgeschichtlichen und politischen Zusammenhängen, um die es in den ersten drei Kapiteln ging, handelt der vierte Teil von dem eigentlichen Leben in dem für die Gegend zwischen Düsseldorf und Wuppertal ungewöhnlichen Bungalow, sowie von all dem, wofür der Name Schneider Esleben steht: von cooler Architektur und dem glamourösen Jetset-Leben zwischen Düsseldorf und der Côte d’Azur.

Das Leben im Bungalow
Die Bewohner von Gruiten schauten ziemlich skeptisch, als dort auf der Parkstraße Anfang der 1950er Jahre ein Haus gebaut wurde, das so ganz anders war als die übrigen Häuser im Dorf. Eigentlich sah man gar nicht so viel von dem schmalen Gebäude, das zur Straße hin mit einer weiß fensterlosen Wand ganz abgeschlossen war. Wie weit es sich auf seinem Grundstück zwischen all den alten Bäumen nach hinten erstreckte, konnte von der Straße aus niemand erkennen. Auch das eigentliche Dach des Hauses schien lange auf sich warten zu lassen. In der Gegend um Gruiten herum beginnt das flache Rheinland langsam ins Bergische überzugehen, wo man seit Jahrhunderten mit Schiefer verkleidete Fachwerkhäuser mit spitzen Giebeln baut. Das, was sich die Familie aus Düsseldorf da errichten ließ, kannte man in Gruiten höchstens aus Hollywoodfilmen. Zumindest der hellblaue Käfer, mit dem der Vater jeden Abend nach Hause kam, sah vertraut aus. Die Erwachsenen wunderten sich, die Gruitener Kinder nahmen das Haus einfach in Besitz.

Mit einem Flachdach-Bungalow zeigte man 1952, in der gerade erst gegründeten Bundesrepublik, dass man an einen Neuanfang und an eine bessere Zukunft glaubte. Ein Flachdach war das optimistische Bekenntnis zu den Idealen der Moderne und eine Abkehr von allem, wofür das Dritte Reich gestanden hatte. Der Bungalow, den der Architekt Paul Schneider-Esleben für das Ehepaar Erich und Irmgard Riedel entwarf, war eines der ersten Wohnhäuser mit flachem Dach überhaupt, das zu dieser Zeit in Westdeutschland gebaut wurde. Die Kinder aus der Nachbarschaft, die sich mit den Kindern der zugezogenen Familie anfreundeten, ahnten weder etwas vom theoretischen Hintergrund noch vom Symbolwert des Bungalows. Sie wussten nicht, dass das Haus später einmal als „Trompetenstoß der Moderne“ in die Geschichte eingehen sollte. Intuitiv verstanden sie, worin das Besondere des Hauses lag. Um auch von den Erwachsenen nicht länger als Fremde betrachtet zu werden, gaben Riedels alle handwerklichen Aufgaben bei lokalen Betrieben in Auftrag. Einzig die Möbel, die Schneider-Esleben für sie entworfen hatte, wurden in Krefeld angefertigt, in der Werkstatt von Johannes Althoff. 

 

Wenn Irmagrd den Handwerkern die gläserne Eingangstür öffnete und diese die junge Frau mit Jeans und Pferdeschwanz nach der Dame des Hauses fragten, musste sie jedes Mal lachen. Irmgard war zusammen mit ihrem Mann Erich, der sich mittlerweile als Patentanwalt selbstständig gemacht hatte, schon oft vom nahegelegenen Flughafen aus nach New York geflogen. Dort hatte sie viel zu viel Coolness geatmet, um zu Hause eine damenhafte, Düsseldorfer Direktorengattin zu mimen. Viel mehr interessierte sich Irmgard für ihren Garten. Sie wollte im Freien sein, die Jahreszeiten und die Witterung erleben und für genau diesen ungezwungenen Lebenstil war ihr Bungalow gemacht, ganz im Sinne des kalifornischen Vorbilds. Der fließende Übergang zwischen innen und außen gehörte zu den Grundideen dieser Gebäudeform, zudem befand sich das Haus auf dem Areal einer ehemaligen Baumschule und war umstanden von schönen, großen, alten Bäumen. Im hinteren Teil des Grundstücks legte Irmgard einen Nutzgarten an. Heute würde man vermutlich von einem Biogarten sprechen. Die Kinder, die zu Besuch kamen, schwärmten ihren Eltern vor, dass es bei Riedels irgendwie ganz anders zuging und dass sogar das Essen außergewöhnlich schmeckte. Ohne genau zu wissen, was es mit der Architektur des Bungalows und der Weltanschauung seiner Bewohner im Detail auf sich hatte, spürten die Gruitener Kinder, dass dort eine Atmosphäre von Weltoffenheit und Freiheit herrschte. Aus dem zunächst noch geheimnisvollen Haus wurde bald eine Art Jugendzentrum. 
 
Julia Zinnbauer, Westdeutsche Zeitung Düsseldorf, Paul Schneider-Esleben





Während Irmgard Riedel ihren Garten kultivierte, Erich seine Callas-Platten auf dem modernen, von Schneider-Esleben entworfenen Hifi-Schrank abspielte, sich die Kinder kichernd durch den Garten scheuchten und aus dem nierenförmigen Pool kommend nasse Fußabdrücke auf dem Terrassen- und dem Wohnzimmerboden hinterließen, wehte der Wind einige Blätter ins Haus. So zogen die Jahre und die Jahreszeiten vorbei. Bis tief in den Herbst hinein spielten die Kinder draußen. Dabei war bei dem zum Garten hin weit geöffneten Haus nie so ganz klar, wo das Innen aufhörte und das Außen begann. Auch die Erwachsenen saßen auf der Terrasse, feierten, unterhielten sich und tranken Wein - bis spät in die Nacht und spät in den Herbst. Wenn es dann im Winter draußen eiskalt war, saß man im Wohnzimmer am warmen Kamin und hatte dank der bodentiefen Fenster das Gefühl, nicht im geringsten von den verschneiten Tannen getrennt zu sein.

Hellblaue Autos und das tiefblaue Mittelmeer
Einer der ersten Urlaube führte Familie Riedel nach Südfrankreich. Erich hatte Beziehungen zu Jacques Cousteau und dessen ozeanographischen Institut in Monaco und machte sich zusammen mit seiner Familie immer wieder im hellblauen, viertürigen Mercedes auf den Weg in den Süden. Dort mieteten sich Riedels ein Ferienhaus, von dessen Balkon aus man direkt auf das Meer sah. In Gruiten hatte Schneider-Esleben sämtliche Fensterrahmen des Bungalows in der Farbe der Sehnsucht und der Ferne streichen lassen, in einem hellen Blau. So wie Riedels nach Südfrankreich reisten, entwarf sich der Architekt sein eigenes Segelboot und befuhr damit das Mittelmeer. Zu dem Gefühl, im Sommer barfuß über die warmen Steine der Terrasse zu laufen und dann die kühleren Bodenplatten im Wohnzimmer unter seinen Füßen zu spüren, mochte das Hellblau der Fensterrahmen gut gepasst haben. Auch in anderen Gebäuden des Architekten taucht die Farbe immer wieder auf - im Berliner Hansaviertel, im Mannesmann-Hochhaus und auch in der Hanielgarage, beide in Düsseldorf. Mit der Hanielgarage, die beinahe nur aus Glas, türkisblauen Fensterrahmen und zwei am Dach aufgehängten, elegant geneigten Rampen besteht, hatte er gleich zu Beginn seiner Karriere der Geschwindigkeit und dem Fortschritt ein kristallines Denkmal gesetzt. 

Paul Schneider-Esleben in seinem Mercedes 190 SL vor der Rolandschule in Düsseldorf









 

Samstag, 26. Januar 2019

Der Bungalow als Symbol der Freiheit - Teil 3 meiner Serie über Paul Schneider Eslebens Haus Riedel in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf


Julia Zinnbauer, Westdeutsche Zeitung Düsseldorf, Paul Schneider-Esleben


Heute in der Wochenendausgabe der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf: Teil drei meiner Serie über den ersten Flachdach-Bungalow von Paul Schneider-Esleben aus dem Jahr 1951

(...) "Von der Parkstraße aus sieht man kaum etwas von dem schmalen langen Haus, das sich in die Tiefe des Grundstücks in Gruiten erstreckt. Umgekehrt sieht man vom Haus aus auch nicht direkt auf die Straße, kein Fenster öffnet sich dort hin. Diese Abgeschlossenenheit zur Straße hin wunderte die Ur-Gruitenener Anfang der 1950er Jahre und eigentlich fehlte ja auch noch das Dach. Die typischen Bergischen Häuser der Region hatte alle ein spitzes Steildach. Das Haus auf der Parkstraße galt im Dorf als so ungewöhnlich wie seine Bewohner. Familie Riedel, die ja aus der Kunst- und Modemetropole Düsseldorf hierher ins ländliche Umland gezogen waren, betrachtete man eine ganze Weile als Exoten und ihren modernen Bungalow bedachte man mit Ausdrücken wie „Möbellager“ und „Gletscherspalte“. Klar, kantig, kristallin und cool war das Haus durchaus. Vor allem aber, und das war das Revolutionäre, vor allem aber hatte es ein flaches Dach.

Als Paul Schneider-Elseben im Jahr 1951 Riedels Bungalow entwarf, war ein Flachdach auf einem deutschen Wohnhaus sowohl eine symbolträchtige Aussage als auch eine technische und rechtliche Herausforderung. Für sich selbst hatte der Architekt noch ein Haus mit Spitzdach geplant und tatsächlich war das Gebäude in Gruiten sein erster Entwurf eines modernen Flachdach-Bungalows. Mehr als zehn Jahre später beabsichtigte Ludwig Erhard mit der Architektur Kanzlerbungalows u.a. auch, das gute Verhältnis seines Landes zur den Vereinigten Staaten von Amerika zu demonstrieren. Über die politische Dimension hinaus galt Amerika als das Land der Freiheit und des Individualismus und in keiner anderen Gebäudeform manifestierten sich diese Begriffe so perfekt wie im Bungalow.

Im Gruiten des Jahres 1951 war Schneider-Esleben mit seiner Idee eines Flachdach-Bungalows seiner Zeit jedoch weit voraus. Dass er mit sienen zukunftsweisenden Überlegungen Erfolg hatte, das hatte er kurz zuvor mit seinem Entwurf der Hanielgarage bewiesen, die einzig aus einem filigranen Betongerippe, einer Glasfassade und zwei an Drahtseilen aufgehängten, elegant geneigten Rampen besteht. Um die Mitarbeiter des Bauamtes Haan-Gruiten zu überzeugen, musste sich Schneider-Esleben jedoch etwas anderes einfallen lassen als ihnen eine große Vision von Zukunft, Fortschritt und kalifornischer Lässigkeit zu präsentieren. Ganz pragmatisch argumentierte der Architekt, er würde zuerst einmal eine Massivdecke planen, als Basis für ein weiteres Stockwerk, das erst später aufgesetzt würde. Auf diese Decke wollte er ein vorläufiges, flachgeneigtes Satteldach auflegen. Zu dieser Maßnahme sähe er sich gezwungen, da es sich bei den Auftraggebern um eine junge Familie mit beschränktem Budget handelte. Beim Bauamt reichte er einen Plan ein, auf dem das Steildach mit einer gestrichelten Linie eingezeichnet war. Unter der Bedingung, dass das Steildach zu einem späteren Zeitpunkt aufgesetzt werde, erteilte man ihm schließlich die Baugenehmigung. Tatsächlich ragen auf Riedels Grundstück bis heute einzig die hohen alten Bäume in den Himmel. Das gestrichelt eingezeichnete Steildach wurde nie gebaut. (...)

Julia Zinnbauer, Westdeutsche Zeitung Düsseldorf, Paul Schneider-Esleben



Donnerstag, 14. Dezember 2017

Düsseldorf - The Dallas of Germany. A Radiobroadcast by the O.J.A.I. and Julia Zinnbauer for Radio KUZU 92,9 FM in Denton and Dallas, Texas




For the December-issue of the O.J.A.I. for Radio KUZU 92,9 FM in Dallas/Denton, Texas I wrote and recorded a feature about the achitectural relations between the cities of Düsseldorf and Dallas. More information about our radiobroadcast for Reid Robinson's and Mark Ridlens's radioshow named "Sonic Assembly" can be found here: Link.



Düsseldorf - The Dallas of Germany

Hello Mrs. Dreier, hello Mr. Farrelly, hello Dallas, Denton, Fort Worth and Grand Prairie,

it's a great pleasure for me to be on your show tonight and to imagine that my words are being transmitted into the dark sky above the glittering skyscrapers of Texas makes me really glad. You ask me about the architectural relation between the cities of Dallas and Düsseldorf, the German town where I have been living and working for several years.

Brutalism
Dallas City Hall by I.M.Pei and Downtown Dallas
As an explanation for our listeners I have to add that it was you, Mr. Farrelly, who invited me to take part in the groupshow named „A hard Place“ that was to be seen at 500x Gallery in Dallas not long ago. The exhibition dealt with the way a group of mainly European artists approach postwar modernist architecture. Right from the beginning I felt that one of my short films I had shot in some very futuristic underground stations in Düsseldorf would somehow fit into the urban setting of Dallas. Later on it turned out that I was not wrong. I must say that my week in Dallas definitely broadened my architectural horizon as it is completely different to cities like Chicago or Los Angeles.

At a first glance the question about parallels between Dallas, which is a relatively new city, and Düsseldorf, which was founded more than 700 years ago in the West of Germany, in a cool and humid area close to the river Rhine, might be surprising. Nevertheless there are several reasons for comparing the two cities.

Due to the TV show named after the Texan city, the term "Dallas" evokes similar associations all over the world. It's all about money, oil, glamour, intrigues – and it is about architecture. In the first moment of the opening credits you can see a motorway bridge leading towards a cluster of modern skyscrapers. A pan shot – the glazed city is sparkling in the Texan heat, then a camera flight over the Reunion Tower and the blue, shimmering Hyatt Hotel, than another pan shot over the cristalline fassades of the glittering city, taken from a helikopter. This is the beginning of an epic story that finally turned the city of Dallas into an exciting place of longing, also for the European audience. 
 

Montag, 7. August 2017

Das Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW macht mit seinem Online-Archiv das Wissen und die Erfahrung aus unzähligen Ausstellungen zugänglich





Seit Jahren gelingt es dem M:AI, dem Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW, das allgemeine Bewustsein für Architektur zu erweitern und zu stärken, und das weit über die Grenzen Nordrhein-Westfalens hinaus. Dabei spielen immer auch die Gebäude selbst eine große Rolle, in denen die Ausstellungen stattfinden, da das Museum ganz im Sinne der Moderne mobil ist und in ganz unterschiedlichen, sorgsam ausgewählten Häusern Station macht.

Ganz dem Form-follows-Function-Gedanken entsprechend, sind die jeweiligen Ausstellungen so konzipiert, dass man sie auf Reisen schicken kann, wie die modularen Würfel-Elemente der Ausstellung über Paul Schneider von Esleben im Jahr 2015 (Link).

Im dem eigens für die Ausstellung herausgegebenen Magazin stand damals auch ein Bericht über mich und meine Sicht auf Mode und Architektur (Link). Ganz besonders freue ich mich nun darüber, dass das Team des M:AI nun bei Launch des Online-Archivs eigens darauf hinweist.

Das M:AI teilt darüber hinaus folgendes mit:


Mittwoch, 11. November 2015

Mit dem Flying Dutchman im Goldenen Schnitt über den Gardasee


Verschiedene Daseins- und Ausdrucksformen allzu streng voneinander zu trennen, sie in Kategorien einzuteilen und sie am Ende in eine wertende Reihenfolge zu bringen, finde ich oft ein wenig unaufregend. Dagegen bin ich um so begeisterter, wenn sich auf einmal ganz viele verschiedene Elemente miteinander verbinden und einzelne Kunstformen wie Literatur, Architektur, alle Arten von Bildern, Mode, Bildhauerei, Choreographie, aber auch das Leben selbst, das Anekdotische, Menschliche, die Landschaft, die Bewegung und die Geschwindigkeit plötzlich ein überwältigendes Ganzes bilden, ein Gesamtkunstwerk. Nach Oscar Wilde ist das Leben selbst das größte Kunstwerk, das es zu gestalten gilt, die ganz große Inszenierung.



Vor kurzem habe ich genau so einen Zusammenschluss vieler verschiedener und allesamt vollkommener Einzelelemente erlebt, ein dreidimensionales, perfektes Bild, durch das ich mich in Pfeilgeschwindigkeit hindurchbewegt habe, im glitzernd reflektierten Licht des Sommers. Ich bin in einem Segelboot über den Gardasee gefahren, in einem weißen Flying Dutchman aus Carbon.

In aufeinanderfolgenden Worten kann man die Situation beinahe gar nicht beschreiben. Stattdessen bedarf es einer absoluten Gleichzeitigkeit, einer Überlagerung der Worte, Bilder und Eindrücke, etwas wie die Gischt selbst, durch die man hindurch schießt, die einem ins Gesicht klatscht und einem in der majestätischen Gebirgslandschaft die Perfektion des Augenblicks vergegenwärtigt – das sich auf den Moment verdichtete Leben.

Donnerstag, 15. Oktober 2015

Interbau 1957: Paul Schneider von Esleben im Hansaviertel, Berlin



Der 100. Geburtstag des Architekten Paul Schneider von Esleben und die damit einhergehenden Ausstellungen in Düsseldorf (Link) liegen nun schon einige Wochen zurück. Die Schneider-Esleben-Begeisterung, der auf dieser Seite mittlerweile schon seit vielen Jahren Raum gegeben wird (Link), reißt hier natürlich auch weiterhin nicht ab. So lag es bei meinem letzten Besuch in Berlin nahe, auch dort ein Gebäude des Düsseldorfer Architekten zu besuchen, und zwar ein vierstöckges Wohnhaus im eleganten Hansaviertel.

Mitte der Fünfzigerjahre waren Architekten aus der ganzen Welt zusammengetreten, um im Westen Berlins die neue Bebauung des Hansaviertels zu planen. Unter den Teilnehmern des "Interbau" (Link) genannten Projekts befand sich damals neben Oscar Niemeyer, Le Corbusier, Paul Baumgarten, Egon Eiermann (Link) und Walter Gropius auch Paul Schneider von Esleben, dessen Beitrag ganz im Westen des Viertels umgesetzt werden sollte, zwischen der Altonaer Straße und der S-Bahn-Linie. Dort bildet es den Abschluss einer Reihe von vier parallel zueinander stehenden, diagonal zur S-Bahn-Linie ausgerichteten Zeilenbauten.

Paul Schneider von Eslebens vierstöckiges Gebäude besteht aus einer Basis von elf nebeneinander im Abstand von fünfeinhalb Metern aufgestellten tragenden Wänden, sogenannten Schotten, die nicht durchbrochen werden durften. Die auf diese Weise entstandenen zehn identischen Gebäudeabschnitte teilte der Architekt in jeweils zwei übereinanderliegende, zweistöckige Wohnungen ein. Dabei ordnete er die Schlafzimmer der übereinander gestapelten Wohnungen in den beiden mittleren Geschoßen des Hauses an, um dort eine besonders ruhige Zone zu schaffen. Die Lage des Zeilenbaus in der Nähe der S-Bahn-Linie verlangte es zudem, die Wirtschaftsräume und die außenliegenden Treppenaufgänge auf der Nordseite anzuordnen, sodass die Schlaf- und Wohnzimmer zum ruhigeren Süden und zur Sonne ausgerichtet sind.

Mittwoch, 9. September 2015

Scissorella berichtet im PSE-Magazin darüber, wie man mit Architektur und Mode Welten erschaffen kann

Paul Schneider von Esleben - Das Erbe der Nachkriegsmoderne. Eine Ausstellung des Museums für Architektur und Ingenierkunst NRW in Düsseldorf 

 




























Für die Ausstellung „Paul Schneider von Esleben - Das Erbe der Nachkriegsmoderne“ (Link), die anlässlich des 100. Geburtstags des Architekten im Düsseldorfer Mannesmannhochhaus und in der Architektenkammer eröffnet wurde, entwickelte das Team des Museums für Architektur- und Ingenieurkunst ein eigenes Magazin (Link). Zwischen zahllosen Texten und Fotos, die den Architekten und sein Werk in allen Facetten darstellen, befindet sich auch ein Bericht über meinen Blog und mein Verhältnis zur Mode, zur Kunst und zur Architektur. Im Zusammenhang der Architekturgeschichte und des Jetsets der Nachkriegsmoderne so schön präsentiert zu werden, freut mich natürlich sehr!

Neben dem Film ist die Architektur das ideales Medium, um die alltägliche Realität zu verlassen und sich für eine bestimmte Zeit in eine ganz andere Welt zu begeben. In einem anspruchsvoll geplanten Gebäude beziehen sich die einzelnen Elemente aufeinander, bis hin zum kleinsten Detail. Somit erfüllt gute Architektur im Idealfall den Anspruch an ein Gesamtkunstwerk. Vergleichbar ist es beim Film, wo der gebaute Raum zusätzlich in einem Verhältnis zur Bewegung der Figuren und der Kamera, zum Rhythmus der Schnitte und der Sprache und nicht zuletzt zu den Materialien, Formen und Proportionen der Kostüme steht. Aus diesem Grund war und ist es mir oft nicht möglich, Architektur getrennt von anderen Kunstformen zu betrachten, sondern als berauschendes, überwältigendes Gesamtarrangement aus Material, Form, Licht, Bewegung, technischen Details, skurrilen Anekdoten, interessanten Personen etc.

Foto: Michael Zimmermann
Als ich anfing, Kleider zu entwerfen und zu nähen, schwang dabei oft der Gedanke mit, dass man sich durch ein Kleidungsstück in seiner Phantasie an einen Ort versetzten kann, den man in der Realität nicht erreichen kann. Ein Kleid anstatt eines Hauses.Mit der Zeit wurden mir dann Gestaltungs- und Konstruktionsprinzipien der Architektur klar, die wiederum in meine Kleiderentwürfe einflossen.

Ich entwickelte einen Blick für die verschiedenen Stilepochen in der Architektur, ein Gespür für das Bildhauerische, das Skulpurale und den Rhythmus, also all das, was sich genau so auf die Mode anwenden lasst, auf die Literatur und in allen anderen Formen der Kunst erscheint.

Einer der Architekten, die mit ihren Gebäuden das Ziel des Gesamtkunstwerks verfolgten und darüber hinaus nie eine Grenze zwischen Kunst und Leben zogen, war Paul Schneider von Esleben. Das Bild Düsseldorfs in der Nachkriegsmoderne wurde maßgeblich von den Bauten PSEs, wie ihn seine Fans nennen, geprägt. Den Berichten und Bildern des PSE-Magazins nach, das anlässlich der Ausstellung des M:AI erschienen ist, musste allerdings auch der Architekt selbst dem Bild eines typischen Jetset-Lebemanns dieser Zeit entsprochen haben. Nicht umsonst wurde PSE als „Schneider-Jetleben“ bezeichnet. Er entwarf elegante Hochhäuser und sah einen Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach der Hanielgarage vor, er plante den modernen Flughafen in Köln Bonn und jettete von dort aus rund um die Welt, er entwarf sich sein eigenes Segelboot, mit dem er nach Südfrankreich fuhr, zu seiner Villa direkt an der Küste, er legte natürlich Wert auf seine Garderobe und - wenn man die Details eines Hochhauses entwirft, warum sollte man dann nicht auch Schmuck entwerfen können? Kurz: PSE gestaltete sein gesamtes Leben als Gesamtkunstwerk.

Scissorella und PSE-Autorin Jenny Janson (Foto: Ellen Heyer)



Um das Lebensgefühl, für das Paul Schneider von Esleben steht, lebendig zu vermitteln, entschlossen sich die Macher des PSE-Magazins Autorin Jenny Janson und Paul Andreas, der Kurator der Ausstellung, auch einen Bericht über die Verbindung von Mode und Architektur in ihr Programm aufzunehmen.

Dass sie sich dabei an mich wandten, freute und überraschte mich natürlich riesig. Beide hatten unabhängig voneinander einen Bericht auf meinem Blog entdeckt, bei dem ich in einem von mir entworfenen Kleid vor der Hanielgarage posiere (Link).

Als ich das Kleid entwarf, das ich auf den Fotos trage, war ich gerade im absoluten Fünfzigerjahres-Fieber. Ich war fasziniert von den Filmen, der Mode, dem Design und der Architektur der Zeit und suchte in meiner Umgebung immer nach etwas, mit dem ich mich auf eine Zeitreise begeben konnte. Die Hanielgarage entsprach in ihrer Form, in dem Zukunftsglauben, der ihrer Konstruktion zugrunde liegt, in ihren Technicolor-Farben genau der Atmosphäre, die ich suchte, bis hin zu dem ihr angeschlossenen Motel, das in jedem Amerikanischen Spielfilm der Nachkriegszeit eine Rolle spielen könnte.