MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

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Sonntag, 10. November 2024

Kunstpunkte Düsseldorf at es365 in late September 2024

 

In the end of September I took part in the Kunstpunkte Düsseldorf  for the first time and I was more than happy to show my work in this incredibly beautiful space in the former FIAT store on Erkrather Straße in Düsseldorf. Many, mamy thanks to es365! My videos and photos seamlessly merged into the elegantly functional architecture of the building - with all its mirroring windows and the reflections of the cars and trams moving up and down the street. Selling Italian cars in Germany has a lot to do with the typical German yearning for the most beautiful country in the world, so part of my installation was a Pirelli calender, showing Monica Bellucci in July 1997. Also Philippe Starck's legendary lemon squeezer was part of the show and yes, it was used a lot during that weekend. Many thanks to everyone who came by!

Samstag, 5. Juni 2021

Was ist aus der Eleganz geworden? Und was ist eigentlich Eleganz?

John Lautner: Sheats Goldstein Residence, Beverly Hills, Selbstportrait 2017

Text veröffentlicht bei Eiskellerberg.TV am 03.06.2021


Vieles wird im zweiten Jahr der Pandemie vermisst – das Reisen, das flirrende Gefühl, auf Ausstellungseröffnungen zu gehen und nicht zu wissen, wohin einen der Abend noch führt, jegliche Form von Geselligkeit und Spontaneitä, und auch so einfache Dinge, wie sich mit jemandem zu unterhalten ohne Angst zu haben, die verbrauchte Luft des anderen einzuartmen. Stattdessen sind Besuche im Baumarkt zu einem seltenen, aufregenden Ereignis geworden, Online-Events haben sich zu glamourösen Höhepunkten entwickelt und der lange verdrängte Zahnarztbesuch bringt immerhin ein wenig Dreidimensionalität in den flachen Bidschirm-Alltag.

Aber vermisst eigentlich auch jemand die Eleganz? Und was genau verbirgt sich hinter diesem Wort, das man mit Mode, gutem Design und einem gewissen Schwung verbindet? Der Begriff der Eleganz beinhaltet Klarheit und Einfachheit. Eleganz zu definieren, ist allerdings nicht so einfach.
 

Montag, 19. April 2021

PINHOLE COMPUTERS: Aber Hallo - A video for Europe in the City by Matt Hulse and Julia Zinnbauer



Matt Hulse, Julia Zinnbauer: Europe in the City, Düsseldorf

 

PINHOLE COMPUTERS is the name of an art and music performance duo whose members are Julia Zinnbauer (Düsseldorf, Germany) and Matt Hulse (London, UK).  

For the festival Europe in the City, that takes place in Düsseldorf from 1st to 9th May, they created a short, loopable digital film that signals a message of hope and positive communication between the artists' respective countries, and more broadly throughout the European Union, and indeed potentially the world. Thereby they also celebrate the 75th anniversary of the foundation of North Rhine-Westphalia. 

 

Montag, 30. März 2020

ASTEROIDA. Mein Kurzfilm und die Geschichte der Hortenkachel


ASTEROIDA - A Video by Julia Zinnbauer
ASTEROIDA. Kurzfilm, Julia Zinnbauer 2014/19, Filmstill


Die Hortenkachel
Durch ihren hohen Wiedererkennungswert und ihre universelle Einsatzmöglichkeit trug die Hortenkachel in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in hohem Maße zu der Verbreitung der der Kaufhauskette Horten in ganz Westdeutschland bei. Ein modulares Fassadenelement zu entwerfen, das aus dem Firmenlogo selbst besteht, war ein so genialer Zug, dass bis heute, trotz der wechselvollen Geschichte der Firma Horten inclusive Verkauf, Umbenennung, Schließung und Umbau der (ehemaligen) Filialen, die Hortenkachel selbst nach wie vor im allgemeinen Bewusstsein existiert. Jede Hortenkachel trägt ein H in sich, zwei Kacheln nebeneinander ergeben die Inizialen H. H. für Helmut Horten, zusammengesetzt zu einer großflächigen Vorhangfassade flüstern sie den Namen des Firmengründers in einem unendlichen, minimalistischen Rhythmus in die Stadt.

Dabei stellen sich allerdings zwei Fragen: einerseits nach dem Material, aus dem die Fassadenelemente bestehen, andererseits aber auch danach, wer die Hortenkachel denn nun eigentlich entworfen hat. So, wie die einzelnen Kaufhausgebäude selbst nie identisch aussahen, sondern immer an die jeweilige städtebauliche Situation und angepasst und sogar von verschiedenen Architekturbüros entworfen wurden, so wurde auch die Hortenkachel selbst ständig weiterentwickelt und besteht in ganz unterschiedlichen Varianten.

Der Begriff „Eiermannkachel“, mit dem das Fassadenelement ebenfalls häufig bezeichnet wird, muss in diesem Zusammenhang hinterfragt werden. In der Entstehungsgeschichte des Modulelements spielt der Architekt Egon Eiermann zwar eine Rolle und auch der Begriff „Kachel“ ist für ein Keramikelement bestimmt sinnvoll. Aber bestehen Eiermannkacheln nicht eigentlich aus Aluminium? 


Hortenkacheln in Düsseldorf, Julia Zinnbauer

Hortenkacheln in Düsseldorf, Julia Zinnbauer
ASTEROIDA. Kurzfilm, Julia Zinnbauer 2014/19, Filmstill












  


Im Sommer 2019, als ich den Düsseldorfer Architekten Friedel Kellermann in meine Ausstellung FLYOVER (Link) ins Stadtmuseum Düsseldorf einlud, erhielt ich endlich Antwort auf meine Fragen. Teil der Ausstellung waren meine zwei eigenen Hortenkacheln sowie mein Kurzfilm ASTEROIDA, den ich in der ehemaligen Hortenfiliale auf der Berliner Allee in Düsseldorf gedreht hatte, kurz vor dem Umbau des Gebäudes im Jahr 2014. Somit war ich begeistert und aufgeregt, als Friedel Kellermann, der zusammen mit Helmut Rhode und Hans Günter Wawrowski das Architekturbüro RKW gegründet hatte, meiner Einladung ins Stadtmuseum folgte. 1959 hatte Helmut Rode den Wettbewerb um den Entwurf der Horten Hauptverwaltung in Düsseldorf am Seestern gewonnen und war schließlich zusammen mit Kellermann und Wawrowsky an der gesamte Entwicklung des Horten-Designs beteiligt.

Die Horten-Filiale in Krefeld
Bewusst wurde mir die Schönheit der Hortenfassade zum ersten mal, als ich an einem kalten, windigen, extrem sonnigen Tag vor etwa zehn Jahren mit dem Fahrrad an der ehemaligen Hortenfiliale in Krefeld vorbei fuhr. Alle Schriftelemente waren von der Fassadeentfernt worden, und so sah ich das durchbrochene Muster in seiner ursprünglichen Schönheit und Klarheit im hellen Sonnenlicht. Zuletzt war das Gebäude als Kaufhof genutz worden, wie so viele ehemalige Horten-Filialen. Mittlerweile stand es leer.

Hortenkacheln in Krefeld, Julia Zinnbauer
Krefeld 2013
Im Jahr 2013 dann der Schock. Ich kam zufällig wieder an dem Gebäude vorbei, das zu meinem Schrecken eingerüsteten war. Hinter den großflächig aufgespannten Planen hatte man die elegante Fassade schon in weiten Teilen brachial zerstört, und zwar indem man sie einfach von innen nach außen abgeklopft hatte. Auf dem Boden unter dem Baugerüst lag ein Meer aus zerbrochenen, hellblauen Hortenkacheln.

Ich begann zu recherchieren und fand heraus, dass die Kacheln von der Firma Keramag hergestellt worden waren. Ich nahm mit Keramag Kontakt auf, wies sie auf die Zerstörung hin und zu meiner großen Freude konnte eine eingagierte Mitarbeiterin einige der Kacheln für das Firmenarchiv retten, eine davon bekam ich feierlich überreicht. (Zu meinem Blogartikel aus dieser Zeit geht es hier entlang: Link)









Der Horten / Kaufhof auf der Berliner Allee in Düsseldorf
Es vergingen einige Jahre, dann hieß es plötzlich, dass nun auch der Kaufhof an der Berliner Allee in Düsseldorf seine Original-Horten-Fassade verlieren sollte. Mir gelang es damals, auf mein Nachfragen hin, das bereits leer geräumte Kaufhaus umfassend zu fotografieren und schließlich auch ein Video dort zu drehen. In diesem Zusammenhang bekam ich von der Kaufhof-Leitung meine zweite und dritte Hortenkachel geschenkt, und da erst wurden mir die subtilen Unterschiede bewusst. Die eine „Kachel“ war aus Aluminiumblech und große Flächen der Fassade bestanden aus dieser Variante. Die andere aber bestand aus Keramik, allerdings in einem ganz anderen Farbton als das hellblau-graue Exemplar aus Krefeld. Die Düsseldorfer Variante ist von einem ganz hellen Grau und von der Straße aus sah man keinen Unterschied zwischen den Aluminum- und den Keramik-Elementen. In meiner FLYOVER-Ausstellung konnte man die zarten farblichen Unterschiede zwischen dem Exemplar aus Krefeld und dem aus Düsseldorf direkt nebeneinander sehen.

ASTEROIDA
Meine Ausstellung FLYOVER handelte von den architektonischen Zusammenhängen zwischen Düsseldorf und Los Angeles in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch von amerikanischen Einflüssen auf die Architektur der Stadt im Allgemeinen. In mehrerer Hinsicht bietet dafür Helmut Rhodes Entwurf der Horten Hauptverwaltung aus dem Jahr 1959 ein ideales Beispiel dafür, wie in Deutschland moderne architektonische Einflüsse umgesetzt wurden. Das Viertel Am Seestern wurde in Düsseldorf nach dem Zweiten Weltkrieg eigens als Bürostandort angelegt, so wie der neue Stadtteil Garath als Wohnviertel entstand. Der Titel meines Kurzfilms ASTEROIDA bezieht sich auf das Büroviertel am Seestern, von dem aus die Hortenkachel ihre deutschlandweite Verbreitung fand.




ASTEROIDA
Kurzfilm
Kamera, Schnitt, Kostüm, Idee, Performance: Julia Zinnbauer
Düsseldorf 2014/2019
6.35 Min.


Dienstag, 24. September 2019

FLYOVER im Stadtmuseum Düsseldorf - Dokumentation der Ausstellung


Eine Ausstellung von Julia Zinnbauer über die architektonischen Zusammenhänge zwischen Düsseldorf und Los Angeles in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg im Stadtmuseum Düsseldorf












Meine Ausstellung FLYOVER ist nun am 15. September mit Bazon Brocks Vortrag sehr spektakulär zu Ende gegangen und ich bin sehr bewegt darüber, wer alles bei mir im Stadtmuseum vorbei gekommen ist und mit mir über das Projekt gesprochen hat. Vielen Dank an alle, die mich in den letzten Wochen im Stadtmuseum Düsseldorf besucht haben, vielen Dank an das Museums-Team, an die Galerie GRÖLLE passprojects für ihre Unterstützung, an die Firma Julius Schulte Söhne in Düsseldorf Bilk für die phantastische Pappe, aus dem wird das goldene Kuppelfragment gebaut haben und natürlich and Bazon Brock und die Denkerei Berlin!

Bis ich meine umfangreiche Dokumentation der Ausstellung fertig gestellt habe, könnt Ihr Euch hier eine Präsentation anschauen, in der ich einige Fotos der Ausstellung sowie einige Texte zusammengestellt habe. 

Das Video von Bazon Brocks Vortrag mit dem Titel "Re - education durch Architektur. Wie die Amerikaner den Deutschen das Senkrechtstehen beibringen wollten - Stahlskelettbau und Charaktermasken" schneide ich in den nächsten Tagen und lade es hier hoch.




Walter Brune in seinem Arbeitszimmer, Videostill Julia Zinnbauer
Videostill FLYOVER: Walter Brune in seinem Arbeitszimmer  













Even though my exhibition FLYOVER has been over for a month now I have not yet told you the story about the golden fragment of a geodesic dome I made for the show. Walt Disney was very much interested in urbanism and in the end of his life he planned a whole artificial city in Florida. Instead EPCOT was built as a part of Disney World. EPCOT means Experimental Prototype Community of Tomorrow and features a giant geodesic dome. An imitation of this dome can be seen in Rust, Germany, in the @europapark, and also @phantasialand, close to Bonn, had its own, GOLDEN geodesic dome. It was torn down some years ago. For my exhibition I created a melancholic looking fragment of this golden dome that is supposed to remind of all these modern buildings that are representative for a strong belief in modernism and in the future and that have already been torn down. Inside of the dome near Bonn there was a flight simulator, so in my exhibition you could watch my film FLYOVER inside the golden fragment. In the first photo you can see me talking to Dion Neutra in the VDL Research House in L.A. Silverlake, the second photo shows the original dome in the @phantasialand. I took the photo in 2014. - Many thanks to @groelle_passprojects! Without you there would have been no golden geodesic dome in my show! ...... #FLYOVER #WaltDisney #architecture #urbanism #EPCOT #geodesicdome #BuckminsterFuller #Florida #Rust #Brühl #Düsseldorf #LisAngeles #Silverlake #VDLResearchHouse #DionNeutra #flightsimulator #exhibition #art #museum #film #video #history
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Samstag, 10. August 2019

FLYOVER im Stadtmuseum Düsseldorf - Die Eröffnung

Los Angeles und die Architektur der Nachkriegsmoderne in Düsseldorf



Flyover, Stadmuseum Düsseldorf, Julia Zinnbauer








 
Am Samstag, dem 3. August 2019 wurde mein Ausstellung "FLYOVER - Los Angeles und die Architektur der Nachkriegsmoderne in Düsseldorf" Im Stadtmuseum Düsseldorf eröffnet. Ich bedanke mich bei allen, die durch ihre Begeisterung, ihr Interesse und ihre Unterstzung dazu beigetragen haben, dass das ein absolut unvergesslicher, schöner, feierlicher Abend war.

Die Ausstellung ist noch bis zum 15. September 2019 zu sehen. Am 8. September, dem Tag des Offenen Denkmals, werde ich um 15 Uhr eine Führung durch die Ausstellung machen und zur Finissage der Ausstellung am Sonntag, dem 15. September, 11.30 Uhr, spricht Bazon Brock im Rahmen der Denkerei mobil zum Thema: „Re - education durch Architektur. Wie die Amerikaner den Deutschen das Senkrechtstehen beibringen wollten - Stahlskelettbau und Charaktermasken“.



Stadtmuseum Düsseldorf
Berger Allee 2
40213 Düsseldorf
Tel.: 0211-89-96170
www.duesseldorf.de/stadtmuseum




Flyover, Stadmuseum Düsseldorf, Julia Zinnbauer



Montag, 22. Juli 2019

Julia Zinnbauer – FLYOVER. Los Angeles und die Architektur der Nachkriegsmoderne in Düsseldorf

Einladung zur Ausstellungseröffnung im Stadtmuseum Düsseldorf 

 

Flyover, Stadmuseum Düsseldorf, Julia Zinnbauer





















Ganz herzlich möchte ich Euch zu meiner Ausstellung FLYOVER im Stadtmuseum Düsseldorf einladen. Ich würde mich sehr freuen, Euch bei der Vernissage am Samstag, dem 3. August 2019 begrüßen zu dürfen:

Julia Zinnbauer – FLYOVER.
Los Angeles und die Architektur der Nachkriegsmoderne in Düsseldorf


Sonntag, 4. August bis Sonntag, 15. September 2019
Vernissage: Samstag, 3. August 2019 um 18 Uhr

Zur Finissage der Ausstellung wird Bazon Brock im Rahmen der Denkerei mobil 
am Sonntag, dem 15. September einen Vortrag halten, Beginn 11.30 Uhr:

Re - education durch Architektur.
Wie die Amerikaner den Deutschen das Senkrechtstehen beibringen wollten - 

Stahlskelettbau und Charaktermasken


Stadtmuseum Düsseldorf
Berger Allee 2
40213 Düsseldorf
Tel.: 0211-89-96170


English version below


In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland ein reger architektonischer Austausch. Auch von Düsseldorf aus flogen Architekten nach New York, Chicago und Los Angeles, um sich mit modernen Gebäuden auseinanderzusetzen, sich Anregungen für den Wiederaufbau ihrer zerstörten Heimatstadt zu holen und um einen ideellen Anschluss an das Bauhaus herzustellen. Umgekehrt reiste beispielsweise der Architekt Richard Neutra von Los Angeles aus mit seinen Entwürfen an den Rhein und ins Bergische Land. Neuerungen wie Konzepte für Großraumbüros und Einkaufszentren gelangten auf diese Weise nach Düsseldorf und vor allem die Idee des kalifornischen Bungalows wurde dort begeistert aufgenommen.

Die Ausstellung FLYOVER handelt von den architektonischen Zusammenhängen zwischen Düsseldorf und Los Angeles in der Nachkriegszeit, sie ist aber auch dem optimistischen Glauben an die Moderne gewidmet und der Sehnsucht nach dem Glamour des Jetset-Zeitalters.

In ihren Projekten konserviert und transportiert die Düsseldorfer Künstlerin Julia Zinnbauer die Schönheit und die Atmosphäre außergewöhnlicher Bauten und erzählt deren Geschichten sowie die ihrer Architekten und ihrer Bewohner.

Für ihre Ausstellung reiste Julia Zinnbauer nach Los Angeles und drehte dort einen Film, in dem sie ihre Besuche verschiedener Gebäude Richard Neutras dokumentiert. Dabei kommt unter anderem auch Dion Neutra zu Wort, der Sohn des Architekten, der sie in dessen Reunion House und das VDL Research House in Los Angeles Silverlake einlädt und ihr von seiner langjährigen Zusammenarbeit mit seinem Vater und der Entstehungsgeschichte dieser und weiterer Häuser berichtet. In Düsseldorf besuchte Julia Zinnbauer den Architekten Walter Brune, der ihr seine Bungalowentwürfe und sein Verhältnis zu Amerika und zum Bauhaus erklärt.

Dies und was das alles auch mit der Düsseldorfer Hollywood-Schauspielerin Luise Rainer zu tun hat erfahren die Besucherinnen und Besucher ab dem 4. August im Stadtmuseum Düsseldorf wo Julia Zinnbauer unter dem Titel FLYOVER ihre Rechercheergebnisse in Form von Fotos, Videos, Texten und einer Rauminstallation präsentiert. 


Freitag, 8. März 2019

Das elegante Bürohaus neben dem Bungalow - Teil fünf meiner Serie über Paul Schneider-Esleben in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf

Über Flughäfen, Weltausstellungen und futuristische Bauten und wie Paul Schneider-Esleben und Ernst Althoff die Architektur in Düsseldorf erneuerten



Julia Zinnbauer, Westdeutsche Zeitung Düsseldorf, Paul Schneider-Esleben

Der fünfte  Teil meiner Serie über Paul Schneider-Esleben und den ersten Flachdach-Bungalow, den er Anfang der 1950er Jahr entwarf, ist in der Wochenendausgabe der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf am Samstag, dem 2. März erschienen. Nach all den kunstgeschichtlichen und politischen Zusammenhängen, von denen die bisherigen Kapiteln handelten, geht nun um das Bürohaus, das sich Erich Riedel, der Schneider-Esleben mit dem Bau des Bungalows beauftragt hatte, Ende der 60er Jahre von Ernst Althoff entwerfen ließ.


Die Moderne und die Geschwindigkeit
Gleich zu Beginn seiner Karriere setzte der Düssldorfer Architekt Paul Schneider-Esleben mit dem Bau der Hanielgarage, die nur aus einem filigranen Betongerippe, einer riesigen Glasfassade mit türkisblauen Fensterrahmen und zwei am Dach aufgehängten, elegant geneigten Rampen besteht, der Geschwindigkeit, der Bewegung und dem Fortschritt ein kristallines Denkmal. Am Stadtrand gelegen, mit einem Drive-in Motel ausgestattet und durch die Straßenbahn an das Zentrum Düsseldorfs angebunden, enstand mit der Hanielgragen ein früher Vorbote der Autogerechten Stadt nach amerikanischem Vorbild. In einem Entwurf des 1953 fertig gestellten Gebäudes hatte Schneider-Esleben sogar einen Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach des Parkhauses eingezeichnet.

Das Fliegen, in seiner Verbindung aus Dynamik, Technik, Verwegenheit und dem dreidimensionalen Raum die ideale Fortschrittsmetapher, hatte in Schneider-Elsebens Auseinandersetzung mit der modernen Architektur zudem einen ganz biographischen Bezug. Als er zu Beginn des Zweiten Weltkrieges zum Militär eingezogen wurde, musste er sein Architekturstudium unterbrechen und eine Ausbildung zum Kampfpiloten antreten. In der Nähe seines Stützpunktes in Lothringen lernte er den Architekten Rudolf Schwarz kennen, der ihn mit den Ideen der Moderne bekannt machte. Zuvor hatte sich Schneider-Esleben im Architekturbüro seines Vaters Franz Schneider vor allem mit dem Um- und Ausbau von Schlössern und Kirchen beschäftigt. Von seinem Militärdienst wurde der Sohn schließlich befreit, da er als Architekt im Büro seines Vaters als unabkömmlich erachtet wurde. Rudolf Schwarz wurde nach dem Krieg als Generalplaner verantwortlich für den Wiederaufbau Kölns.

Der Patentanwalt und sein Bungalow
Anfang der 1950er Jahre, als Schneider-Esleben am Entwurf der Hanielgarage arbeitete, beauftragte eine junge Familie aus Düsseldorf den Architekten damit, für ihr Grundstück in Gruiten ein Wohnhaus zu planen. Für Familie Riedel baute er seinen ersten Flachdach-Bungalow nach kalifornischem Vorbild, sogar noch vor seiner ersten Amerikareise. Erich Riedel war als technischer Direktor einer Stahlbaufirma für Patente zuständig und machte sich schließlich als Patentanwalt selbstsändig. Ende der 50erjahre eröffnete er ein Büro in Düsseldorf am Hofgarten und pendelte täglich mit seinem blauen Mercedes in die Stadt. Von sich selbst sagte er, er übernehme jeden Fall, vom Patent für dreieckige Fahrradlenker bis hin zum UFO, nur für Waffen stellte er keine Patente aus. Sein Büro expandierte zunehmend, sodass er Mitte der 60er Jahre den Entschluss fasste, Paul Schneider-Esleben mit dem Entwurf eines modernen Bürohauses zu beauftragen, für das Grundstück direkt neben seinem Bungalow. Seine Klienten kamen so wie so aus der ganzen Welt, warum sollten sie nicht vom Flughafen Düsseldorf aus direkt nach Gruiten fahren? 

 
Der Flughafen Köln Bonn
Seit dem Bau der Hanielgarage und des Bungalows für Familie Riedel hatte Schneider-Esleben eine rasante Karriere gemacht, zudem haftete ihm das Image eines glamourösen Jetset-Architekten an. Immer wieder flog er in die Vereinigten Staaten - als Passiger, nicht als Pilot - und setzte sich dort mit der modernen Architektur auseinander. Als er 1961 eine Professur an der Hochschule für Bildende Kunst in Hamburg erhielt, kamen regelmäßige Flüge in die Stadt an der Elbe hinzu. Ende der 60er Jahre bekam „Schneider-Jetleben“, wie man ihn mittlerweile nannte, dann den perfekten Auftrag: er sollte den Flughafen Köln Bonn entwerfen. Aus der Frühzeit des Flughafens existiert ein Foto, auf dem der Architekt im Trenchcoat und mit seiner ledernen Aktentasche unter dem Arm über das Rollfeld läuft und man riecht förmlich den Duft des Kerosins. Den zeitgleichen Auftrag, für Erich Riedel ein Bürohaus entwerfen, musste er ablehnen, empfahl jedoch seinen Mitarbeiter Ernst Althoff als Architekten.

Der Architekt Ernst Althoff
Der Name Althoff war Familie Riedel durchaus bekannt und ein fester Bestandteil ihres täglichen Lebens. Die Möbel, die Schneider-Esleben für den Bungalow entworfen hatte, stammten allesamt aus der Schreinerei von Johannes Althoff in Krefeld. Der Sohn, Ernst Althoff, hatte zunächst eine Schreinerlehre bei seinem Vater gemacht, dann an der späteren Werkkunstschule Krefeld Architektur studiert und war schließlich in die Klasse des Architekten Hans Schwippert an der Kunstakademie Düsseldorf aufgenommen worden. Dem Material Holz blieb Althoff sein Leben lang treu und es spielt in all seinen Projekten eine Rolle, sowohl in der Architektur als auch in senen Möbelentwürfen, seinen Ausstellungskonzepten und in seinen modularen Skulpturen. Für Joseph Beuys baute er ein Bett aus Stahl und Eichenholz, allerdings entwarf er auch Serienmöbel, mit denen er zeigen wollte, dass nicht nur das individuelle Talent das Ergebnis bestimmt, sondern auch der intelligente Umgang mit Maschinen. Seine Idee einer akkuraten, mit modernster Technik durchgeführten Verabeitung des traditionellen Baustoffs Holz zeigt sich deutlich in der Treppe, die Althoff später für Riedels Bürohaus entwerfen sollte.

Hans Schwippert hatte sich in Aachen und Düsseldorf als moderner Architekt des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg verdient gemacht und holte seinen ehemaligen Studenten Ernst Althoff 1963 als Dozent an die Kunstakademie Düsseldorf zurück. Davor jedoch war Althoff über mehrere Jahre hinweg dessen Assistent. Schwippert ließ dem jungen Architekten eine große gestalterische Freiheit, bespielsweise bei dessen Konzept für die Ausstellung „Werdendes Abendland an Rhein und Ruhr“ im Jahr 1956 in der Villa Hügel in Essen. Ihm gelang es, die Innenräume des großbürgerliches Wohnhauses der Familie Krupp in ein modernes Museum umzugestalten und präsentierte die mittelalterlichen sakralen Gegenstände in einer Atmosphäre von klösterlicher Strenge und Eleganz.


Freitag, 15. Februar 2019

Ein Bungalow in den Farben des Mittelmeeres - Teil vier meiner Serie über Paul Schneider-Esleben in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf

Was hat ein Flachdach-Bau im Düsseldorfer Umland mit hellblauen Autos und der Côte d’Azur zu tun?



Julia Zinnbauer, Westdeutsche Zeitung Düsseldorf, Paul Schneider-Esleben

Der vierte Teil meiner Serie über Paul Schneider-Esleben und den ersten Flachdach-Bungalow, den er Anfang der 1950er Jahr entwarf, ist am vergangenen Montag, dem 11. Februar, in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf erschienen. Da ich mich zu dieser Zeit jedoch auf einer sehr aufregenden, ganz der Architektur Richard Neutras gewidmeten Berlin-Reise befand, halte ich mein WZ-Exemplar erst jetzt in Händen und staune über das elegante Layout. Nach all den kunstgeschichtlichen und politischen Zusammenhängen, um die es in den ersten drei Kapiteln ging, handelt der vierte Teil von dem eigentlichen Leben in dem für die Gegend zwischen Düsseldorf und Wuppertal ungewöhnlichen Bungalow, sowie von all dem, wofür der Name Schneider Esleben steht: von cooler Architektur und dem glamourösen Jetset-Leben zwischen Düsseldorf und der Côte d’Azur.

Das Leben im Bungalow
Die Bewohner von Gruiten schauten ziemlich skeptisch, als dort auf der Parkstraße Anfang der 1950er Jahre ein Haus gebaut wurde, das so ganz anders war als die übrigen Häuser im Dorf. Eigentlich sah man gar nicht so viel von dem schmalen Gebäude, das zur Straße hin mit einer weiß fensterlosen Wand ganz abgeschlossen war. Wie weit es sich auf seinem Grundstück zwischen all den alten Bäumen nach hinten erstreckte, konnte von der Straße aus niemand erkennen. Auch das eigentliche Dach des Hauses schien lange auf sich warten zu lassen. In der Gegend um Gruiten herum beginnt das flache Rheinland langsam ins Bergische überzugehen, wo man seit Jahrhunderten mit Schiefer verkleidete Fachwerkhäuser mit spitzen Giebeln baut. Das, was sich die Familie aus Düsseldorf da errichten ließ, kannte man in Gruiten höchstens aus Hollywoodfilmen. Zumindest der hellblaue Käfer, mit dem der Vater jeden Abend nach Hause kam, sah vertraut aus. Die Erwachsenen wunderten sich, die Gruitener Kinder nahmen das Haus einfach in Besitz.

Mit einem Flachdach-Bungalow zeigte man 1952, in der gerade erst gegründeten Bundesrepublik, dass man an einen Neuanfang und an eine bessere Zukunft glaubte. Ein Flachdach war das optimistische Bekenntnis zu den Idealen der Moderne und eine Abkehr von allem, wofür das Dritte Reich gestanden hatte. Der Bungalow, den der Architekt Paul Schneider-Esleben für das Ehepaar Erich und Irmgard Riedel entwarf, war eines der ersten Wohnhäuser mit flachem Dach überhaupt, das zu dieser Zeit in Westdeutschland gebaut wurde. Die Kinder aus der Nachbarschaft, die sich mit den Kindern der zugezogenen Familie anfreundeten, ahnten weder etwas vom theoretischen Hintergrund noch vom Symbolwert des Bungalows. Sie wussten nicht, dass das Haus später einmal als „Trompetenstoß der Moderne“ in die Geschichte eingehen sollte. Intuitiv verstanden sie, worin das Besondere des Hauses lag. Um auch von den Erwachsenen nicht länger als Fremde betrachtet zu werden, gaben Riedels alle handwerklichen Aufgaben bei lokalen Betrieben in Auftrag. Einzig die Möbel, die Schneider-Esleben für sie entworfen hatte, wurden in Krefeld angefertigt, in der Werkstatt von Johannes Althoff. 

 

Wenn Irmagrd den Handwerkern die gläserne Eingangstür öffnete und diese die junge Frau mit Jeans und Pferdeschwanz nach der Dame des Hauses fragten, musste sie jedes Mal lachen. Irmgard war zusammen mit ihrem Mann Erich, der sich mittlerweile als Patentanwalt selbstständig gemacht hatte, schon oft vom nahegelegenen Flughafen aus nach New York geflogen. Dort hatte sie viel zu viel Coolness geatmet, um zu Hause eine damenhafte, Düsseldorfer Direktorengattin zu mimen. Viel mehr interessierte sich Irmgard für ihren Garten. Sie wollte im Freien sein, die Jahreszeiten und die Witterung erleben und für genau diesen ungezwungenen Lebenstil war ihr Bungalow gemacht, ganz im Sinne des kalifornischen Vorbilds. Der fließende Übergang zwischen innen und außen gehörte zu den Grundideen dieser Gebäudeform, zudem befand sich das Haus auf dem Areal einer ehemaligen Baumschule und war umstanden von schönen, großen, alten Bäumen. Im hinteren Teil des Grundstücks legte Irmgard einen Nutzgarten an. Heute würde man vermutlich von einem Biogarten sprechen. Die Kinder, die zu Besuch kamen, schwärmten ihren Eltern vor, dass es bei Riedels irgendwie ganz anders zuging und dass sogar das Essen außergewöhnlich schmeckte. Ohne genau zu wissen, was es mit der Architektur des Bungalows und der Weltanschauung seiner Bewohner im Detail auf sich hatte, spürten die Gruitener Kinder, dass dort eine Atmosphäre von Weltoffenheit und Freiheit herrschte. Aus dem zunächst noch geheimnisvollen Haus wurde bald eine Art Jugendzentrum. 
 
Julia Zinnbauer, Westdeutsche Zeitung Düsseldorf, Paul Schneider-Esleben





Während Irmgard Riedel ihren Garten kultivierte, Erich seine Callas-Platten auf dem modernen, von Schneider-Esleben entworfenen Hifi-Schrank abspielte, sich die Kinder kichernd durch den Garten scheuchten und aus dem nierenförmigen Pool kommend nasse Fußabdrücke auf dem Terrassen- und dem Wohnzimmerboden hinterließen, wehte der Wind einige Blätter ins Haus. So zogen die Jahre und die Jahreszeiten vorbei. Bis tief in den Herbst hinein spielten die Kinder draußen. Dabei war bei dem zum Garten hin weit geöffneten Haus nie so ganz klar, wo das Innen aufhörte und das Außen begann. Auch die Erwachsenen saßen auf der Terrasse, feierten, unterhielten sich und tranken Wein - bis spät in die Nacht und spät in den Herbst. Wenn es dann im Winter draußen eiskalt war, saß man im Wohnzimmer am warmen Kamin und hatte dank der bodentiefen Fenster das Gefühl, nicht im geringsten von den verschneiten Tannen getrennt zu sein.

Hellblaue Autos und das tiefblaue Mittelmeer
Einer der ersten Urlaube führte Familie Riedel nach Südfrankreich. Erich hatte Beziehungen zu Jacques Cousteau und dessen ozeanographischen Institut in Monaco und machte sich zusammen mit seiner Familie immer wieder im hellblauen, viertürigen Mercedes auf den Weg in den Süden. Dort mieteten sich Riedels ein Ferienhaus, von dessen Balkon aus man direkt auf das Meer sah. In Gruiten hatte Schneider-Esleben sämtliche Fensterrahmen des Bungalows in der Farbe der Sehnsucht und der Ferne streichen lassen, in einem hellen Blau. So wie Riedels nach Südfrankreich reisten, entwarf sich der Architekt sein eigenes Segelboot und befuhr damit das Mittelmeer. Zu dem Gefühl, im Sommer barfuß über die warmen Steine der Terrasse zu laufen und dann die kühleren Bodenplatten im Wohnzimmer unter seinen Füßen zu spüren, mochte das Hellblau der Fensterrahmen gut gepasst haben. Auch in anderen Gebäuden des Architekten taucht die Farbe immer wieder auf - im Berliner Hansaviertel, im Mannesmann-Hochhaus und auch in der Hanielgarage, beide in Düsseldorf. Mit der Hanielgarage, die beinahe nur aus Glas, türkisblauen Fensterrahmen und zwei am Dach aufgehängten, elegant geneigten Rampen besteht, hatte er gleich zu Beginn seiner Karriere der Geschwindigkeit und dem Fortschritt ein kristallines Denkmal gesetzt. 

Paul Schneider-Esleben in seinem Mercedes 190 SL vor der Rolandschule in Düsseldorf









 

Samstag, 26. Januar 2019

Der Bungalow als Symbol der Freiheit - Teil 3 meiner Serie über Paul Schneider Eslebens Haus Riedel in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf


Julia Zinnbauer, Westdeutsche Zeitung Düsseldorf, Paul Schneider-Esleben


Heute in der Wochenendausgabe der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf: Teil drei meiner Serie über den ersten Flachdach-Bungalow von Paul Schneider-Esleben aus dem Jahr 1951

(...) "Von der Parkstraße aus sieht man kaum etwas von dem schmalen langen Haus, das sich in die Tiefe des Grundstücks in Gruiten erstreckt. Umgekehrt sieht man vom Haus aus auch nicht direkt auf die Straße, kein Fenster öffnet sich dort hin. Diese Abgeschlossenenheit zur Straße hin wunderte die Ur-Gruitenener Anfang der 1950er Jahre und eigentlich fehlte ja auch noch das Dach. Die typischen Bergischen Häuser der Region hatte alle ein spitzes Steildach. Das Haus auf der Parkstraße galt im Dorf als so ungewöhnlich wie seine Bewohner. Familie Riedel, die ja aus der Kunst- und Modemetropole Düsseldorf hierher ins ländliche Umland gezogen waren, betrachtete man eine ganze Weile als Exoten und ihren modernen Bungalow bedachte man mit Ausdrücken wie „Möbellager“ und „Gletscherspalte“. Klar, kantig, kristallin und cool war das Haus durchaus. Vor allem aber, und das war das Revolutionäre, vor allem aber hatte es ein flaches Dach.

Als Paul Schneider-Elseben im Jahr 1951 Riedels Bungalow entwarf, war ein Flachdach auf einem deutschen Wohnhaus sowohl eine symbolträchtige Aussage als auch eine technische und rechtliche Herausforderung. Für sich selbst hatte der Architekt noch ein Haus mit Spitzdach geplant und tatsächlich war das Gebäude in Gruiten sein erster Entwurf eines modernen Flachdach-Bungalows. Mehr als zehn Jahre später beabsichtigte Ludwig Erhard mit der Architektur Kanzlerbungalows u.a. auch, das gute Verhältnis seines Landes zur den Vereinigten Staaten von Amerika zu demonstrieren. Über die politische Dimension hinaus galt Amerika als das Land der Freiheit und des Individualismus und in keiner anderen Gebäudeform manifestierten sich diese Begriffe so perfekt wie im Bungalow.

Im Gruiten des Jahres 1951 war Schneider-Esleben mit seiner Idee eines Flachdach-Bungalows seiner Zeit jedoch weit voraus. Dass er mit sienen zukunftsweisenden Überlegungen Erfolg hatte, das hatte er kurz zuvor mit seinem Entwurf der Hanielgarage bewiesen, die einzig aus einem filigranen Betongerippe, einer Glasfassade und zwei an Drahtseilen aufgehängten, elegant geneigten Rampen besteht. Um die Mitarbeiter des Bauamtes Haan-Gruiten zu überzeugen, musste sich Schneider-Esleben jedoch etwas anderes einfallen lassen als ihnen eine große Vision von Zukunft, Fortschritt und kalifornischer Lässigkeit zu präsentieren. Ganz pragmatisch argumentierte der Architekt, er würde zuerst einmal eine Massivdecke planen, als Basis für ein weiteres Stockwerk, das erst später aufgesetzt würde. Auf diese Decke wollte er ein vorläufiges, flachgeneigtes Satteldach auflegen. Zu dieser Maßnahme sähe er sich gezwungen, da es sich bei den Auftraggebern um eine junge Familie mit beschränktem Budget handelte. Beim Bauamt reichte er einen Plan ein, auf dem das Steildach mit einer gestrichelten Linie eingezeichnet war. Unter der Bedingung, dass das Steildach zu einem späteren Zeitpunkt aufgesetzt werde, erteilte man ihm schließlich die Baugenehmigung. Tatsächlich ragen auf Riedels Grundstück bis heute einzig die hohen alten Bäume in den Himmel. Das gestrichelt eingezeichnete Steildach wurde nie gebaut. (...)

Julia Zinnbauer, Westdeutsche Zeitung Düsseldorf, Paul Schneider-Esleben



Samstag, 5. Januar 2019

Ein kalifornischer Bungalow in der Provinz - Mein Artikel über ein frühes Wohnhaus von Paul Schneider-Esleben in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf



In der Samstagsausgabe der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf ist am 5. Januar nun der erste Teil meiner Serie über einen sehr frühen Bungalow des Architekten Paul Schneider-Esleben erschienen: Ein kalifornischer Bungalow in der Provinz.

"Ein Wohnhaus mit einem flachen Dach zu bauen, war im Jahr 1952 in Deutschland sowohl etwas absolut Ungewöhnliches, das schwer umzusetzen war, als auch eine Handlung voller Symbolcharakter. Mit einem Flachdach traf man zu Beginn der Fünfzigerjahre in der gerade erst gegründeten Bundesrepublik eine deutliche Aussage. Man zeigte damit, dass man, so kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, an einen Neuanfang glaubte, an eine bessere Zukunft, an Funktionalität und Fortschritt. Kurz: ein Flachdach war das optimistische Bekenntnis zu den Idealen der Moderne und eine Abkehr von allem, wofür das Dritte Reich gestanden hatte.

Erich Riedel, ein junger Ingenieur und technischer Direktor einer Stahlbaufirma, ließ sich damals von dem düsseldorfer Architekten Paul Schneider-Esleben für sich und seine Familie einen Bungalow entwerfen, von dem man annimmt, dass es das erste Wohnhaus mit einem flachen Dach ist, das in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurde. Zumindest handelt es sich bei Riedels Bungalow um ein sehr frühes Exemplar. Umgesetzt wurde der Entwurf in Gruiten, einem kleinen Ort in der ländlichen Gegend zwischen Düsseldorf und Wuppertal.

Insgesamt ist die Geschichte des Hauses und der Familie, für die es gebaut wurde, genau so exemplarisch für die Kulturgeschichte der Nachkriegszeit in Deutschland, wie das Haus selbst in vielen Punkten dem Inbegriff eines typischen deutschen Nachkriegs-Bungalows nach kalifornischem Vorbild entspricht.

Wenn Dagmar Riedel heute von ihren Eltern erzählt und berichtet, wie sie zusammen mit ihren beiden Geschwistern in Gruiten aufgewachsen ist, dann breitet sich vor dem Zuhörer die gesamte Chronik des Hauses wie ein elegant komponiertes Filmpanorama von Douglas Sirk aus. Opulent ausgestatteten Bilder entstehen unwillkürlich vor dem geistigen Auge, Bilder von Kindern, die ausgelassen um den Pool herumtollen, von glücklichen Menschen, die in raschelnden Kleidern abends auf der Terrasse Wein trinken während das Hausinnere warm leuchte, Bilder einer Familie, die in den Sommerferien mit dem Cabrio ins Tessin fährt. Fotos aus Modezeitschriften vermischen sich in der Phantasie mit Filmszenen der 50er- und 60erjahre und man hat beinahe selbst das Gefühl, im Sommer barfuß über die warmen Steine der Terrasse zu laufen und dann im Wohnzimmer die kühleren Bodenplatten unter seinen Füßen zu spüren. (...)"




Freitag, 9. November 2018

10 Years of www.scissorella.de - In Celebration of one Decade of my Blog SCISSORELLA Mode Kunst Architektur



Julia Zinnbauer, Blog, www.scissorella.de
Die ersten Bilder, die ich auf meine Blog hochgeladen habe: ich in einem selbst entworfenen Kleid vor einer Installation von Gregor Schneider am Museum Abteiberg in Mönchengladbach, November 2008. Meine Freundin Milva Montesano hat die Fotos damals gemacht. Danke, Milva!






























Was habe ich in den letzten zehn Jahren gemacht? Ich kann die Zeit nicht zurück drehen, aber ich kann meinen Blog zurückspulen, bis hin zu dem Tag, an dem ich zum ersten Mal auf „veröffentlichen“ geklickt habe. Das war am 9. November 2008 und ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich aufgeregt dachte: „Das kann doch jetzt jeder lesen!“. Natürlich hat es nicht jeder gelesen, aber es war ein Anfang. Es war der Anfang von einem Entwicklungsprozess bei dem ich sehr viel gelernt habe, Wissen generiert und viele Leute kennen gelernt habe, Fähigkeiten erlernt und mein gesamtes Weltbild erweitert habe. Der Blog ist das ultimative Medium für alles. Du kannst alles damit machen, Du hast immer einen Grund. Einen Grund, Leute anzusprechen, Gebäude zu betreten, Fakten zu erfragen, zu recherchieren. Der Blog treibt Dich an, er verändert Dich, er ist ein Teil von Dir, Deine digitale Erweiterung, die Öffnung Deines Gehirns nach außen, zur Welt. Ich wollte in keinem anderen Jahrhundert leben als in dem jetzigen, vielleicht gerade weil ich mich in meiner analogen Kindheit und Jugend so sehr mit der Vergangenheit beschäftigt habe, mit dem Mittelalter, der Renaissancekunst, Barockmusik gehört habe und die Literatur des 19. Jahrhunderts verinnerlicht habe. Jetzt gibt es das Internet und ich kann veröffentlichen, was ich will.


Julia Zinnbauer, Selbstportrait, Oscar Niemeyer
Januar 2009: Eine der ersten Architekturexpeditionen und eines der ersten Selbstportraits in Betongebäuden: Oscar Niemeyers Hauptquartier der Kommunistischen Partei Frankreich (Paris 1967 - 72). Das Kleid stammt von mir.





























 
 
 
Ich rolle den Blog zurück. Wie eine Schriftrolle. Oder so, wie man ein Videoband zurückspult. Wind Back. Ruckartig und abgeackt rasen hunderte von Bildern an mir vorbei. Bilder von Gebäuden, von Zweckbauten aus Beton, ich sehe Rathäuser, Rechenzentren, Bungalows, dann Architekten, Playboys, Modedesigner, dann wieder Betonoberflächen, grau und rauh, Schauspielerinnen, grobkörnigster Beton und zartester Tüll, porös alle beide, immer wieder ich, in meinen selbstentworfenen Kleidern und an den hottesten Hotspots des Universums, immer in moderner Architektur, immer in der Zukunft unterwegs, in Los Angeles, in Düsseldorf, in Brasilia, nein, es ist doch Berlin, ach egal, Hauptsache aufregend und glamourös.


Melancholisch spule ich dieses Epos, das offensichtlich mein Leben ist, bis zur ersten Szene zurück. Über dem Anfang steht ganz passend „END“. Die Protagonistin posiert in einem selbstentworfenen Kleid vor Gregor Schneiders gleichnamiger Installation, einer architektonischen Modifikation des Museums Abteiberg in Mönchengladbach im November 2008. Darunter ein Foto von mir im Innenraum des Environments, dann ich vor einer Arbeit von Rita McBride.