Innerhalb weniger, sehr spannender Tage wird zurzeit ein Großteil von Helge Achenbachs Sammlung versteigert. Alleine die Vorbesichtigung bot schon einen Rundgang durch die Kunstgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts. Gestern, am Mittwoch dieser Woche, wurden nun Immendorfs legendäre Affen Zeuge davon, wie sie selbst versteigert wurden. Ich fände es gut, wenn sich einer der geheimen Bieter am Telefon im Nachhinein als die Stadt Düsseldorf herausstellte und wir den allseits bekannten Immendorf-Plastiken bald wieder begegnen würden. Heute, am zweiten Tag der schon jetzt historischen Versteigerung, lag der Fokus eindutig auf Heinz Mack. Ab heute, so der Auktionator, werden die Mack-Preise ganz neu definiert.
MODE KUNST ARCHITEKTUR
Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.
Donnerstag, 18. Juni 2015
Dienstag, 16. Juni 2015
Mode, Kunst, Moral und das Schöne - Vivienne Westwood besucht Mönchengladbach und hält zwei Vorträge über ihre idealistische Sicht auf die Welt
Einen
kurzen Text über Vivienne Westwood zu schreiben erscheint mir als etwas
Unmögliches, denn die Britische Modedesignerin entwirft mehr als nur Kleidung,
sie entwirft ein ganzes Lebenskonzept. Und so schnitt sie bei den zwei Vorträgen,
die sie am vergangenen Dienstag in Mönchengladbach hielt, unendlich viele
Themen aus den verschiedensten Lebensbereichen an und bewegte sich eloquent
zwischen dem ganz Privaten und der großen Weltpolitik. Dabei wurde vor allem
eines offensichtlich: die Basis für das Gelingen aller menschlicher
Bestrebungen ist ein an der Kultur geschultes Urteilsvermögen.
Sowohl
ihre Naturverbundenheit, die sie seit ihrer Kindheit in Tintwistle einem Dorf
in der Grafschaft Derbyshire begleitet als auch ihre Tätigkeit als
Grundschullehrerin wirken sich bis heute auf ihr Schaffen aus. Nach wie vor
sieht sich Vivienne Westwood als Lehrerin, der die Bildung junger Menschen und
das lebenslange Lernen ein ernstes Anliegen ist. Voller Idealismus referierte
die Modedesignerin somit zusammen mit ihrem Ehemann Andreas Kronthaler
nachmittags vor den Studenten und Studentinnen der Hochschule Niederrhein, um
nach einem Pressegespräch im Hochzeitszimmer der Kaiser-Friedrich-Halle am
Abend im Saal des historischen Gebäudes vor großem Publikum einen weiteren
Vortrag zu halten.
Unabhängig
davon, ob sie nun über Mode, Kunst, Inspiration, menschliche Beziehungen, das
Lehren und Lernen, über Werte im Allgemeinen, ob sie über Finanz- oder
Klimapolitik sprach – eines war dabei immer der zentrale Punkt: die Kultur.
Kultur ermöglicht alles, Kultur ist die Basis von allem Guten, mit Kultur
lassen sich die meisten Probleme lösen und
hätten wir mehr Kultur, dann wären wir weder mit der Umwelt noch mit der
Finanzlage jemals in Schwierigkeiten geraten.
Das
Faszinierende an Vivienne Westwoods Überlegungen liegt darin, dass sie das
Ästhetische und das Moralische als zwei untrennbare Bereiche sieht, die
einander bedingen und denen sie den gleichen Wert beimisst. Mit der gleichen
Überzeugung, mit der sie T.S. Eliots „Tradition and the Individual Talent“ zitiert, chinesische Malerei bewundert oder von der kulturellen Blüte Frankreichs im
letzten Viertel des 19. Jahrhunderts schwärmt, empfiehlt sie, Plastiktüten
mehrfach zu verwenden und Leitungswasser zu trinken, um die Plastikflut zu
bekämpfen. Dabei besitzt die überzeugte Vegetarierin so viel Weitsicht
hinzuzufügen, dass die Produktion von Plastik weitaus weniger giftig ist als die von Leder.
Kultur,
so Vivienne Westwood, ist unbedingt notwendig, um daran sein eigenes
Urteilsvermögen zu schulen. Nur wer immer wieder vergleicht, sein wissen
erweitert, seine eigenen Schlüsse zieht, erhält einen Einblick in die
Möglichkeiten des Menschlichen Genies und ist in der Lage sich
fortzuentwickeln. Vivienne Westwood glaubt fest an die menschliche
Perfektabilität und auch daran dass man, indem man an sich selbst arbeitet,
etwas zu der Weiterentwicklung der gesamten menschlichen Spezies in Richtung
von etwas Göttlichem beiträgt. Und so ermutigte sie beispielsweise eine
Studentin, die sie fragte, wie man denn nun andere Leute von seinen eigenen
idealistischen Überlegungen überzeugen soll, indem sie ihr erklärte, dass es
bei den eigenen Taten immer auch darum geht, wer man selbst ist, dass man
vieles auch einfach für sich selber machen müsse, auch wenn man niemanden damit
überzeugen könne.
Mittwoch, 3. Juni 2015
Stephan Heise: Die Wilhelm-Raabe-Grundschule im Märkischen Viertel, heute Jugendkunstschule Atrium
Vor den am Seggeluchbecken im Märkischen Viertel (Link) aufragenden Wohnhochhäusern mit ihren für den Architekten Chen Kuen Lee typischen spitzen Winkeln und scharfen Kanten fächern sich die flachen, verwinkelt ineinander verzahnten Gebäude der ehemaligen Wilhelm-Raabe Grundschule auf. Sowohl Chen Kuen Lee als auch der Architekt der heute als Jugendkunstschule betriebenen Gebäude, Stephan Heise, studierten bei Hans Scharoun, der für seine ineinander fließenden Räume und seine kantig spitzen Formen, wie beispielsweise das Gebäude der Berliner Philharmonie, bekannt ist. Chen Kuen Lees Gebäude im Märkischen Viertel zeigen durchaus Parallelen zu Scharouns „Romeo und Julia“ genannten Wohnhochhäuser in Stuttgart Rot aus den Jahren 1955 bis 1959 (Link).
Die seit 1985 in den Räumen der ehemaligen Grundschule betriebenen Jugendkunstschule Atrium entdeckte ich bei einer Radtour ins Märkische Viertel an einem Sonntagnachmittag im März dieses Jahres, als das Ensemble still und über das Wochenende verlassen dalag. Bisher konnte ich jedoch nicht mehr als den Namen des Architekten und seinen Bezug zu Scharoun herausfinden, der sich allerdings auch sehr deutlich an den Bauten selbst mit ihren Dachterrassen, Innenhöfen und phantasievoll ineinander verschachtelten Räumen ablesen lässt. Aus dem Jahr 1970 existieren zudem einige Fotografien, die das gerade vollendete Schulgebäude zeigen (Link). Vielleicht wissen die Leser ja noch etwas über die Architektur von Stephan Heise und möchten hier dazu einen Kommentar hinterlassen? Ich würde mich darüber sehr freuen!
Montag, 1. Juni 2015
Berlin: Das Märkische Viertel (1963 - 1974)
Mehrfach
habe ich auf dieser Seite bereits über künstlich angelegte Stadtteile
berichtet, so genannte Satelliten- oder Trabantenstädte. Von der Gropiusstadt
in Berlin war die Rede (Link), von Garath (Link) und dem Bürogbiet Am Seestern
(Link), die beide zu Düsseldorf gehören, und auch die Neue Stadt Wulfen (Link)
wurde hier schon einige Male thematisiert. In den
Beschreibungen schwingt dabei immer eine gewisse Sehnsucht nach Oscar Niemeyers Brasilia und LeCorbusiers
Chandigharh mit. Alleine
der Ausdruck „Satellitenstadt“ lässt an den Weltraum denken, an Zukunft und
Fortschritt, an die Möglichkeit, an einem anderen, weit entfernten Ort ein
neues, besseres Leben zu beginnen, eine neue Zivilisation zu gründen. Die Idee
der Satellitenstadt passt perfekt in die Aufbruchstimmung und die
Technikbegeisterung nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Konzept künstlich
angelegter Stadtteile jedoch ist viel älter und stammt noch aus der Zeit, als sich
LeCorbusier Gedanken über seine Ville Radieuse und den Plan Voisin machte und
schließlich mit seinen Mitstreitern auf einer Reise nach Griechenland die
Charta von Athen formulierte.
In
weiter Ferne liegen die neu angelegten Stadtteile tatsächlich, vor allem in
einer großen Entfernung zum Zentrum der eigentlichen Stadt. Dass sich die
Bewohner der neuen Wohngebiete vom Rest der Stadt abgeschnitten fühlten, darin
lag von Anfang an eines der Hauptprobleme des gesamten Konzepts und wurde stark
von dessen Gegnern kritisiert. Gerade Trabantenstädte, also große Wohnviertel,
die im Gegensatz zu eigenständigen Satellitenstädten mangels Infrastruktur
nicht als eigene Städte funktionierten, sondern tatsächlich nur dem Aufenthalt
nach Feierabend dienen, warf man Leblosigkeit und Gleichförmigkeit vor. Und
trotzdem: ist es nicht tausendmal aufregender, in einem Vorort von Berlin zu
wohnen und von einer Wohnung im 23. Stock einen Ausblick auf futuristische
Architektur und in die weite Landschaft zu haben, als in einer deutschen
Kleinstadt aufzuwachsen, in der nach 18 Uhr auch kein Mensch mehr auf der
Straße ist man Städte wie Berlin nur aus dem Fernsehen kennt?
Berlin: Das Märkische Viertel (1963 - 1974)
Mehrfach
habe ich auf dieser Seite bereits über künstlich angelegte Stadtteile
berichtet, so genannte Satelliten- oder Trabantenstädte. Von der Gropiusstadt
in Berlin war die Rede (Link), von Garath (Link) und dem Bürogbiet Am Seestern
(Link), die beide zu Düsseldorf gehören, und auch die Neue Stadt Wulfen (Link)
wurde hier schon einige Male thematisiert. In den
Beschreibungen schwingt dabei immer eine gewisse Sehnsucht nach Oscar Niemeyers Brasilia und LeCorbusiers
Chandigharh mit. Alleine
der Ausdruck „Satellitenstadt“ lässt an den Weltraum denken, an Zukunft und
Fortschritt, an die Möglichkeit, an einem anderen, weit entfernten Ort ein
neues, besseres Leben zu beginnen, eine neue Zivilisation zu gründen. Die Idee
der Satellitenstadt passt perfekt in die Aufbruchstimmung und die
Technikbegeisterung nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Konzept künstlich
angelegter Stadtteile jedoch ist viel älter und stammt noch aus der Zeit, als sich
LeCorbusier Gedanken über seine Ville Radieuse und den Plan Voisin machte und
schließlich mit seinen Mitstreitern auf einer Reise nach Griechenland die
Charta von Athen formulierte.
In
weiter Ferne liegen die neu angelegten Stadtteile tatsächlich, vor allem in
einer großen Entfernung zum Zentrum der eigentlichen Stadt. Dass sich die
Bewohner der neuen Wohngebiete vom Rest der Stadt abgeschnitten fühlten, darin
lag von Anfang an eines der Hauptprobleme des gesamten Konzepts und wurde stark
von dessen Gegnern kritisiert. Gerade Trabantenstädte, also große Wohnviertel,
die im Gegensatz zu eigenständigen Satellitenstädten mangels Infrastruktur
nicht als eigene Städte funktionierten, sondern tatsächlich nur dem Aufenthalt
nach Feierabend dienen, warf man Leblosigkeit und Gleichförmigkeit vor. Und
trotzdem: ist es nicht tausendmal aufregender, in einem Vorort von Berlin zu
wohnen und von einer Wohnung im 23. Stock einen Ausblick auf futuristische
Architektur und in die weite Landschaft zu haben, als in einer deutschen
Kleinstadt aufzuwachsen, in der nach 18 Uhr auch kein Mensch mehr auf der
Straße ist man Städte wie Berlin nur aus dem Fernsehen kennt?
Dienstag, 26. Mai 2015
Berlin: Das Haus der Statistik am Alexanderplatz, 1968 - 1970

Donnerstag, 14. Mai 2015
China 8 - Zeitgenössische Chinesische Kunst in Düsseldorf und im gesamten Ruhrgebiet
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China 8 im Museum Folkwang, Essen |
Um einen Überblick über die zeitgenössische Kunst eines so vielfältigen Landes wie China zu gewähren, bedarf es mehr als nur eines einzigen Museums. Man benötigt dazu schon eine Museumslandschaft wie die des Ruhrgebiets, wo man seit dem Kulturhauptstadtjahr 2010 (Link) Erfahrung mit ganz großen, logistisch aufwändigen Inszenierungen hat. Aus dem Projekt Ruhr 2010 und den dabei geschaffenen Vernetzungen entstand schließlich auch die Idee der Ausstellungsreihe China 8. Acht Museen in neun Städten schlossen sich dabei zusammen, um die Chinesische Kunst der Gegenwart nach Deutschland zu holen.
Freitag, 8. Mai 2015
Shocking Pink! Monika Gottlieb referiert im Hetjens-Museum Düsseldorf über die Verbindung von Haute Couture und Porzellan in allen Nuancen der Farbe Rosa

Jede einzelne Blüte der beiden Gestecke, die den Mittelpunkt des Ausstellungsraums bildeten, war mit solch einer Sorgfalt und Raffinesse platziert worden, dass sie in ihrer Kostbarkeit und zart nuancierten Farbigkeit kaum hinter den funkelnden Schmuckstücken zurücktraten, denen die Rosen, Hortensien und Orchideen in ihren Vitrinen einen Rahmen boten. Staunend scharten sich die Besucherinnen des Hetjens-Museums um die wie aus einer Märchenwelt stammenden Exponate, spiegelten sich mit ihren Kleidern in pink und rosé in den Scheiben der Vitrinen und entdeckten mit jedem Blick ein weiteres Collier, einen Armreif, einen Ring oder eine Brosche inmitten der zartblättrigen Arrangements. Auf einem Ast hatte sich sogar ein schimmernder, perlenbesetzter Falter niedergelassen.
Montag, 27. April 2015
700 Suits for the Beatles - Gordon Millings berichtet über seine Zeit als Tailor-Designer der Britischen Band
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Familie Millings mit den Beatles, links Gordon Millings, in der Mitte sein Vater Dougie. Foto: (c) privat |
Millings & Son als jugendlichere Alternative zur Londoner Savile Row
Den typischen Briten in seiner coolen, souveränen, weltgewandten Art stellt man sich gerne im Anzug vor, zumindest hier auf dem Kontinent. Dieser Meinung war auch Brian Epstein, als er 1962 das Management der Beatles übernahm und ihnen ein gesamtes neues Image schuf. Epstein selbst, der zusammen mit seinem Vater mehrere Möbel- und Elektrogeschäfte betrieb und mit der Schauspielerei liebäugelte, ließ als junger Gentleman mit Stil seine Ensembles natürlich in der Londoner Savile Row anfertigen. In der Straße im Stadtteil Mayfair, in der man sich sich traditionell auf die Anfertigung individueller Herrenkleidung spezialisier hatte, benötigte man damals noch eine Empfehlung, um überhaupt einen der kostspieligen Anzüge in Auftrag geben zu dürfen. Zu den Kunden der so genannten Tailor-Designer in der Savile Row gehörte zu dieser Zeit beispielsweise der Autor Ian Fleming und somit auch dessen Protagonist James Bond.
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Gordon Millings mit Anzug und Scissorella |
Viel weniger kompliziert ging es dagegen bei der Firma Millings & Son in Soho zu. Dougie Millings, der Vater, hatte bereits vor dem Zweiten Weltkrieg in verschiedenen Bands Ukulele gespielt und war mit der Musikwelt vertraut. Dass es bei Millings & Son neben flotten Anzügen sogar einen Probenraum im Keller gab, sprach sich unter jungen Musikbands damals schnell herum, sodass Brian Epstein nicht der erste Musikmanager war, der bei den Millings schneidern ließ. Und so verabschiedete sich die Band aus Liverpool ab 1962 Stück für Stück von ihren Lederjacken, Jeans und Tollen und verwandelte sich von einer Gruppe Musiker aus den Arbeitervierteln Liverpools in elegante Großstädter mit guten Manieren.
Mittwoch, 22. April 2015
Cinderella gesucht - Der legendäre Märchenschuh zu Gast in Düsseldorf
Dass das Märchen vom Aschenputtel von allen Geschichten der Gebrüder Grimm bis heute eines der beliebtesten ist, liegt definitiv an seinem zeitlosen Thema: es geht um Kleider und Schuhe. Und natürlich darum, einen Prinzen kennen zu lernen, aber das steht hier definitiv weiter hinten auf der Rangliste. Von der Idee, dass Cinderella von der guten Fee verschiedene Ballkleider geschenkt bekommt, ist auch der Name meines Blogs abgeleitet, in Verbindung mit den „scissors“, den Scheren, die zum Nähen und Entwerfen unabdingbar sind.
In dieser Woche ist das Thema Cinderella nicht nur in Florenz Stadtgespräch, insbesondere bei der Condé Nast International Luxury Conference (Link), also bei Suzy Menkes, Lagerfeld und Co., sondern auch hier bei uns in Düsseldorf. Prinzessinennen in spe können sich ab heute bei Breuninger in Düsseldorf den Originalschuh aus der Neuverfilmung des Märchens durch Kenneth Branagh anschauen.
Sonntag, 12. April 2015
Helmut Rhode: Die ehemalige Horten Hauptverwaltung am Seestern, Düsseldorf 1960/61
Während in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen des Wiederaufbaus Düsseldorfs im Süden der Stadt mit Garath (Link) ein gesamtes neues Wohnviertel angelegt wurde, entstand parallel dazu am nördlichen Stadtrand mit dem sogenannten Seestern ein eigenes Büroviertel. Mit diesen jeweils für einen ganz bestimmten Zweck konzipierten Neubaugebieten, die wie Satelliten um den bereits bestehenden Teil der Stadt herum in die freie Fläche gebaut wurden, folgte man damals einer Idee, die Le Corbusier und seine Mitstreiter in der Charta von Athen beschriebenen hatten. Bereits im Jahr 1933 hatte man beim Congrès International d’Architecture Moderne das Einteilen von Städten in bestimmte Zonen als sinnvoll erachtet, nachdem LeCorbusier die Überlegung schon in den Zwanzigerjahren dargelegt hatte, beispielsweise anhand der „Ville Radieuse“ (1924). Heute betrachtet man diese Art der Aufteilung insgesamt sehr skeptisch und strebt wieder eine Durchmischung von Wohnen und Arbeiten an, sowohl in den einzelnen Vierteln einer Stadt als auch in Gebäuden selbst.
Eng
mit dem Konzept einzelner Stadtzonen verbunden ist auch die Idee der
Autogerechten Stadt, die in Düsseldorf u.a. durch die wie eine Schneise in die
nach dem Krieg noch erhaltenen Gebäude geschnittene Ein- und Ausfallsstraße
umgesetzt wurde. In der Stadtmitte fuhr man schließlich über eine sehr elegant
geschwungene Hochstraße, den Tausendfüßler (Link), der zusammen mit dem
stahlglänzenden Dreischeibenhaus (1957 - 60) ein Ensemble bildete, das an
moderne Metropolen wie New York, Seattle oder Chicago erinnerte. Das moderne
Amerika hatte Helmut Rohde auch vor Augen, als er das allererste Gebäude für
das Büroviertel am Seestern plante, die Verwaltungszentrale der Firma Horten.
Samstag, 11. April 2015
Am I still a House? Erwin Wurm im Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal / Franz Krauses Villa für den Lackfabrikanten Dr. Kurt Herberts
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Links eine Skuptur von Tony Cragg, rechts Erwin Wurms "Fat House", 2004. Im Innern kann man dem aufgequollenen Haus zudem bei einem Video-Monolog lauschen. |
Eine ganz besondere Allianz bilden zurzeit die geschmolzenen, aufgeblähten oder durch Tritte deformierten Gebäude des Bildhauers Erwin Wurm mit dem Haus, das sich der Lackfabrikant Dr. Kurt Herberts 1946 - 49 in einem Park über Wuppertal errichten ließ. Herberts hatte während des Zweiten Weltkriegs diversen Künstlern in seiner Firma Unterschlupf gewährt, die offiziell an „Farbexperimenten“ arbeiteten, um sich nicht der entarteten Kunst verdächtig zu machen. Neben Willi Baumeister und Oskar Schlemmer arbeitete auf diese Weise auch der Maler und Architekt Franz Krause (Link) in der Autolack-Branche, nach dessen Plänen nach dem Krieg Herberts’ Villa Waldfrieden an einem Hang hoch über Barmen entstand. Vor seiner Tätigkeit bei Herberts hatte Krause Erfahrungen als Bauleiter der Stuttgarter Weißenhofsiedlung gesammelt und war offenbar von den Ideen Hans Scharouns nicht unbeeindruckt geblieben. Dass Kurt Herberts sowohl einen Faibel für die Natur UND die Technik hatte, zeigt sich an den versenkbaren Wohnzimmerfenstern, die im Gegensatz zu den Hebefenstern von Mies van der Rohes Haus Lange (Link) in Krefeld tatsächlich einen schwellenlosen Übergang zwischen innen und außen schaffen. Zudem ließ Herberts in seinem gesamten Park zahllose Blechkästen installieren, die Telefone enthielten, sodass er seine Geschäftsgespräche in der freien Natur mit einem Blick über seinen Park, seine Lackfabrik und über die ganze Stadt Wuppertal führen konnte.
Seit gestern nun sind die Variationen der Gebäude Erwin Wurms in ihren ganz unterschiedlichen Aggregatzuständen zusammen mit den organischen Formen der Villa Waldfrieden zu sehen (Link).
Donnerstag, 2. April 2015
GLORIA. Verleihung des Deutschen Kosmetikpreises in Düsseldorf
GLORIA
- beim Namen der Veranstaltung hat man sofort ein Bild vor seinem geistigen
Auge und denkt an bodenlange Abendkleider, aufwändige Frisuren, klirrende
Champagnergläser, an raschelnde Unterröcke, glitzernde Details, Blitzlichter,
Kerzenschein, Scheinwerferlicht und an rote Teppiche, auf denen man zu einem
riesigen Ballsaal flaniert. All das war schließlich auch Bestandteil der
Verleihung des Deutsche Kosmetikpreises am 27. März im Hilton Hotel
Düsseldorf. Zum zweiten Mal hatte die Zeitschrift Kosmetik International zu
einem glanzvollen Galaabend geladen und man staunte, wer da alles über den
roten Teppich schritt. Sechs Laudatoren und Laudatorinnen sollten den begehrten
Preis an Damen und Herren aus der Kosmetikbranche verleihen, und so fanden sich
nach und nach die Schauspielerinnen Gudrun Landgrebe und Christine Neubauer auf
der Bühne ein, die Moderatorinnen Karen Webb und Miriam Pielhau sowie Fernanda
Brandao und die Sängerin Senna Gammour. Christine Neubauers Kleid stammte
übrigens aus der Kollektion "Shades of Scotland" (Link) von Thomas
Rath, der zusammen mit seinem Ehemann Sandro ebenfalls an den Feierlichkeiten
teilnahm und zu den Laudatoren gehörte.
Mittwoch, 25. März 2015
Karl Lagerfeld.Modemethode. Über die Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn
In einer Zeit, in der beruflicher Erfolg zunehmend mit einer immer enger werdenden Spezialisierung verbunden ist, wird das Phänomen des Universalgenies selten. Einer der wenigen, denen es gelingt, viele verschiedene Talente erfolgreich miteinander zu vereinen und dessen Spezialität geradezu die Vielseitig ist, das ist bekanntermaßen Karl Lagerfeld. Dabei ist das Element, das alle seine Tätigkeiten miteinander verbindet, das Papier. Von der Inspiration durch die Literatur und die Kunst, über das Zeichnen der Entwürfe, über das Fotografieren der Kollektionen bis hin zu deren Verbreitung in Modemagazinen – immer ist das Papier mit im Spiel. Und so trägt die Ausstellung „Karl Lagerfeld. Modemethode“, die seit dem 28. März in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen ist, auch den Untertitel „From Paper to Paper“.
Samstag, 14. März 2015
Zum Tode von Frei Otto: Olympia / München
Zum
Tode des Architekten Frei Otto am vergangenen Montag, dem 9. März, werfen wir
noch einmal einen Blick zurück ins Jahr 1972 zur Olympiade nach München. Sowohl Günther Behnisch als auch
Frei Otto hatten jahrelang mit freitragenden Dachkonstruktionen experimentiert,
bevor Behnisch im Jahr 1967 zusammen mit einigen anderen Architekten den Ideenwettbewerb für das Münchner
Olympiagelände gewann. Als Vorbild für Behnischs Idee eines transparenten
Zeltdachs hatte Frei Ottos Entwurf des Deutschen Pavillons für die Weltausstellung
1967 in Montreal gedient. Tatsächlich war die Realisierbarkeit von Behnischs
Idee für die Olympiade 1972 noch ungewiss, als er den Zuschlag bekam und so lag
es nah, Frei Otto mit ins Team zu holen und das spektakulärste, größte und
eleganteste Zeltdach aller Zeiten zu entwerfen. Die Transparenz, die für
Behnisch auch in symbolischer Hinsicht für sein gesamtes Werk von Bedeutung
war, erreichte man in München durch den Einsatz tausender von
Plexiglaselementen. Im Dortmunder Westfalenpark hatte Behnisch zuvor ein
Sonnensegel installiert, das als direkte Vorstudie des Olympiadachs betrachtet
wird. Frei Otto hingegen hatte bereits in den Fünfzigerjahren mit Seifenlauge und Drahtmodellen
experimentiert und 1957 ein erstes Zeltdach über dem Kölner Tanzbrunnen
installiert.
Beweglich
Plättchen aus Metall und Plastik, die mit Kettengliedern aneinander befestigt
werden und eine bewegliche Oberfläche bilden, kennt man im Bereich der Mode
spätestens seit Paco Rabannes Entwürfen für den Film „Barbarella“ aus dem Jahr
1968. Und nicht umsonst stellt Hans Hollein, der sich immer wieder auf Paco
Rabanne bezieht, in seiner Zeitschrift „Bau“ im gleichen Jahr das Schnittmuster
einer Herrenjacke dem Schnittmusterbogen des Expo-Pavillons für Montreal gegenüber.
Freitag, 13. März 2015
NRW-Forum Düsseldorf: Peter Behrens und die Vielfalt der Gestaltung
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Behrens' eigenes Haus für die Mathildenhöhe in Darmstadt, 1901. |

Die
Ausstellung im NRW-Forum, die in Zusammenarbeit mit der FH Düsseldorf
entstanden ist, hätte dem Maler, Produktdesigner und Architekten Peter
Behrens in ihrer perfekten Ausführung
und mit ihren elegant arrangierten Exponaten vermutlich sehr gefallen. Zu
weiteren Informationen geht es hier entlang: www.peter-behrens-ausstellung.de
Freitag, 27. Februar 2015
Gottfried Böhm: Landesbetrieb Information und Technik NRW, Düsseldorf 1972 - 76
Landesbetrieb
Information und Technik NRW - das klingt weder nach Abenteuer noch nach
Aufregung. Die Gegend entlang der Roßtraße, in der sich das Statistische Landesamt befindet, wirkt auf
den ersten Blick auch eher sachlich und nüchtern. Das Finanzamt Nord befindet
sich dort beispielsweise und gesellt sich zu verschiedenen Bürogebäuden und gepflegten
Mehrfamilienhäusern.

Sonntag, 22. Februar 2015
Wie ich weder Günther Uecker noch Trisha Donnelly gesehen habe. How not to be seen in Düsseldorf
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Foto: Ellen Heyer |
Donnerstag, 19. Februar 2015
2. Fashion Blogger Café Shoeedition bei der GDS
Das
Fashion Blogger Café, das seit Jahren von der Modeplattform Styleranking (Link) mit
solider Regelmäßigkeit an den verschiedensten Orten ausgerichtet wird, ist
jedes Mal wie Weihnachten. Nur, dass es hier definitiv mehr Überraschungen gibt,
als an Weihnachten und Ostern zusammen.
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Schuhe: Clarks; Jacke und Shirt: Scissorella |
Zum
zweiten Mal fand das Styleranking-Bloggertreffen am 6. Februar nun im Rahmen der GDS statt,
der Düsseldorfer Schuhmesse. Neu war dabei, dass man diesmal an mehreren Tagen
Zutritt zur Messe hatte und sich somit neben dem Besuch des Bloggerevents einen
ausgiebigen Überblick über die kommenden Trends verschaffen konnte. Neu war
aber auch das gesamte Konzept der GDS, mit der die ursprünglich „Große Deutsche
Schumusterschau“ bereits im letzten Juli in die „Global Destination for Shoes
and Accessories“ umgewidmet worden war.
Nach
einem umfassenden Orientierungsgang am Donnerstag widmete ich mich am Freitag
ganz dem Fashionblogger-Café. Die Damen, die die Firma Clarks repräsentierten
und jeder Bloggerin ein paar Schuhe schenkten, habe ich mit meiner Begeisterung
vermutlich ziemlich in den Wahnsinn getrieben. Die silbefarbenen Aquifer Belle,
die ich überreicht bekam, entsprachen aber auch zu sehr meiner Vorstellung von
Schuhen, die genau für mich entworfen waren, sodass ich in einen Zustand der
totalen Schuh-Freude verfallen MUSSTE. Die Aquifer Belle vereinen mit ihrem
kleinen, perfekt geschwungenen Absatz, ihrem Fersenriemchen und ihrer
unglaublich spitzen Form die Silhouette der frühen mit dem Material der späten
Sechzigerjahre. DAS sind die Schuhe, die für Dachterrassen-Events und Cabriofahrten
gemacht sind und ich weiß nicht, wie oft ich in diesem Zusammenhang den Namen Doris Day erwähnt habe.
Sonntag, 15. Februar 2015
Platform Fashion: Thomas Rath präsentiert "Shades of Scotland"

Am
Abend der Show entlud sich die Vorfreude aller in schiere Begeisterung, und es
waren wirklich alle in den Schwanenhäfen versammelt, die man zu sehen hoffte (Link).
Ich traf JADES-Inhaberin Evelyn Hammerström, das Unternermer-Ehepaar Muth,
Society-Lady Renate Blumentrath, Modeexpertin Monika Gottlieb (Link) mit ihren
phantastischen Freundinnen und dass ich wieder einmal Dolly Buster begegnet
bin, hat mich ebenfalls ganz besonders gefreut.
Donnerstag, 12. Februar 2015
Platform Fashion Selected in den Schwanenhöfen
Einen Überblick über die Teilnehmer der letzten Ausgaben der Platform Fashion und den Vertretern dieser Saison bot die Selected-Show im Anschluss an das Passionata-Defilee in den Schwanenhöfen. Mit dabei waren u.a. Annette Görtz (Link), Milian by Annette Görtz und Barbara Schwarzer (Link). Und wer von Passionata (Link) noch nicht genug bekommen hatte, für den posierten die Damen in der fröhlich bunten Unterwäsche noch ein zweites Mal, genau so, wie die Show auch einen Ausblick auf den Abschluss und Höhepunkt des Abends bot, auf die Kollektion von Thomas Rath mit dem Titel "Shades of Scotland". Farblich gesehen kann man festhalten, dass man zum bunten Darunter weiterhin schwarz und grau trägt und man sich sowohl bei Annette Görtz als auch bei Barbara Schwarzer an Beton- und Steinoberflächen orientiert.
Montag, 9. Februar 2015
Platform Fashion: Playful Seduction in den Schwanenhöfen - Passionata
Ob
dieses Magazin nun von jungen Mädchen oder doch eher von Herren im besten
Alter gelesen wird, spielt bei diesem Bericht einmal keine Rolle. Die Passionata-Show, um die es hier geht,
versetzte als Auftakt der Platform Fashion (Link) in Düsseldorf gleichermaßen alle Besucher in
Begeisterung. Die Models verbreiteten mit ihren Pin-up-Posen echte Fröhlichkeit
in den Schwanenhöfen und auch inhaltlich war für jeden etwas dabei. Unter dem
Motto „Playful Seduction“ reichte die Palette von neon-bunt über
pastellfarben-verspielt bis zu sachlich-weiß und fand ihr Finale in
verrucht-schwarzer Eleganz. Mit ihrer neuen Location in den Schwanenhöfen brachte
die dritte Ausgabe der Platform Fashion auch eine ganz neue Laufstegform mit
sich und damit verbunden auch eine größere Möglichkeit für Choreographien. Im
Gegensatz zu den bisherigen Schauen saßen die Besucher nun erstmalig mitten im
Geschehen, was vermutlich ebenfalls zu der mitreißenden Begeisterung und der
beschwingten Atmosphäre mit beitrug. Mit dem Dessous-Defilee von Passionata war
die Basis gelegt für die weiteren Schauen des Abends, bei denen es jedoch
eher um das „Darüber“ gehen sollte. Fortsetzung folgt.
Mittwoch, 4. Februar 2015
Düsseldorf 2015: Platform Fashion - Das Zelt in den Schwanenhöfen
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Wiedersehen mit Dolly Buster (Link) |
Das
Zelt (Link) als unverwechselbares Element, das in allen Metropolen in Erscheinung
tritt, in denen eine Modewoche abgehalten wird, hat nun auch seinen Eingang in
die Düsseldorfer Eventarchitektur gefunden. Denn neben den Kleiderentwürfen
selbst benötigt auch der gesellschaftliche Aspekt der Mode einen Rahmen, in dem
sich das begeisterte Publikum präsentieren kann. Ohne den Gesamtzusammenhang
eines besonderen Lebensgefühls, zu dem Menschen, Orte, Emotionen und
Geschichten gehören, ist Mode eben oft nur der Oberbegriff für Kleidungsstücke
und andere Gebrauchsgegenstände.

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Mit Countertenor Oswald Musielski (links) und Thomas Rath (Foto: Ellen Heyer) |
Montag, 2. Februar 2015
Düsseldorf: Euphorie und Glanz bei der Platform Fashion
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Foto: Ellen Heyer; Outfit: Scissorella |
Glamour, Lebensfreude und Schönheit bot am gestrigen Abend die dritte Ausgabe der Platform Fashion in Düsseldorf. Bevor hier ein umfassender Bericht über die Defilees von Annette Görtz, Barbara Schwarzer, Passionata und Thomas Rath folgt, sende ich Euch einen euphorischen Gruß aus der Glitzerredaktion. SO sieht echte Düsseldorfer Begeisterung aus!
Mittwoch, 28. Januar 2015
Ansage.
Nach
sechs Jahren des Bloggens muss ich wohl auch einmal etwas über das Bloggen
selbst schreiben.
Scissorella
war ursprünglich der Name des Modelabels, das ich einmal gründen wollte.
Nachdem ich Unmengen von Kleidern entworfen und mich im Lauf der Zeit auch mit
den Mechanismen der Modebranche auseinandergesetzt habe, bin ich diesbezüglich
ein wenig desillusioniert. Es geht dort vor allem darum, dass Trends
beschlossen und umgesetzt werden. Beim Betreiben eines Blogs scheint es ähnlich
zu sein.
Da
ich aus einem Umfeld stamme, in dem man keine Aufgaben gestellt bekommt,
sondern sich seine Aufgaben selbst stellt (was definitiv schwieriger ist), habe
ich meine Kleiderentwürfe immer aus Situationen oder Themen heraus entwickelt,
die mich schwer beeindruckt haben. Dabei spielt bis heute das Motiv der
Besessenheit eine Rolle. Irgendeinen Lehrer hatte ich dabei nicht. John Keats
würde sagen „I believe in nothing but in the truth of the heart’s affection.“ Der Blog namens Scissorella entstand im November 2008
und sollte von meinen verschiedenen künstlerischen Aktionen berichten, von meiner
Herangehensweise und wie ich meine Ideen entwickele. Da die Architektur neben
der Kunst und der Literatur schon immer eine entscheidende Rolle in meinem
Leben gespielt hat, hat über die Jahre der Anteil an Architekturberichten auf
meinem Blog kontinuierlich zugenommen. Mode, Kunst, Architektur und Sprache
sind Bereiche, die untrennbar miteinander verbunden sind. Erst in ihrem
Zusammenklang kann eine Gesamtsicht entstehen.
Dienstag, 27. Januar 2015
imm cologne 2015 / SYSTEM DESIGN im makk
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Spektakuläres Sitzen bei de Sede |
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Retroglamour bei Gubi |
Willkommen
im modernen Biedermeier / Glückseligkeit in Opas Sessel / Bunter, runder,
weicher. Die Überschriften der offiziellen Pressetexte zur imm cologne 2015 beschreiben
genau das, was in der Architektur seit Jahren zu beobachten ist. Diejenigen,
die hoffen, dass der Trend zum Rückzug ins Private bzw. in die Gemütlichkeit
langsam einmal ein Ende haben sollte, müssen weiterhin tapfer sein und zwischen
all den flauschigen Oberflächen und kuscheligen Formen ihrerseits ihren
Privatglauben an ein zukunftsweisendes, lebendigeres Wohnen aufrecht erhalten.
Dennoch
muss ich sagen, dass es absolut beeindruckend war, tagelang durch ein riesiges
gebautes Paralleluniversum zu wandern, in dem Stile und Epochen fließend
ineinander übergingen und in dem sich neu aufgelegte Originalentwürfe mit den genau
diesen Ursprungsformen nachempfundenen Neufindungen vermischten. Vielleicht
liegt in einer Zeit, in der die Vergangenheit ein genau so wichtiger
Sehnsuchtsort geworden ist, wie in früheren Jahrzehnten die Zukunft, die
Entscheidung nicht mehr in der Frage nach dem Dekor, sondern in der Frage, ob
man sich überhaupt einer praktisch-technischen Funktionalität widmen will.
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de Sede DS-25 |
Donnerstag, 8. Januar 2015
Fritz Schaller: Betonpilze am Kölner Dom, 1964 - 70
Bis
vor einigen Monaten standen an der Nordseite des Kölner Doms sechs kantige Betonpilze.
Die Pilze waren nicht etwa dem unweit gelegenen Heinzelmännchen-Brunnen
entlaufen, sondern markierten den Rand der Domplatte, die dort einen scharfen
Absatz macht. Schaute man über die Brüstung der Domplatte, entdeckte man die
eigentliche Funktion der Pilze: sie bildeten das Dach einer etwas tiefer
gelegenen Bushaltestelle.
Am
Ende waren die sechs Pilze das Einzige, was von der Domplatten-Neugestaltung des
Kölner Architekten Fritz Schaller noch erhalten war. Schaller hatte 1964 den
entsprechenden Wettbewerb gewonnen und sorgte daraufhin dafür, dass das Niveau
des Domplatzes auf die Höhe der Eingangspforten des Gebäudes angehoben und eine
direkte Verbindung zwischen Dom und Altstadt hergestellt wurde. Mit der
Zick-Zack-Linie der aneinander gebauten Pilzdächer und der Brüstung der
Domplatte bezog sich Schaller auf die gotischen bzw. neugotischen Formen des
Doms. Dies behauptet der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings in einem
Artikel des Kölner Stadtanzeigers (Link). Seiner Meinung nach hätten die sechs
Dächer auf ihren schlanken Stützen nicht „exekutiert“ werden müssen. Unter dem
Artikel versammeln sich in den Kommentaren die üblichen Wutausbrüche, die man
dem Beton der Sechzigerjahre gemeinhin entgegenbringt. Auch die Architektur-Fachzeitschrift
„Express“ (Link) betont konsequent in mehreren Artikeln, wie hässlich Schallers
Betonobjekte seien und lässt ihre Leser wählen, welches Gebäude sie am liebsten
abreißen würden. Die Antwort: die schlimmen Pilze stehen auf Platz eins der
„Wut-Liste“ des Jahres 2011. Im November 2013 wurden Schallers Betonskulpturen dann
abgesägt und entsorgt. Zahllose Rentner, Studenten und so genannte
Nachtschwärmer atmeten, so der Kölner Express, daraufhin merklich auf und
können sich nun endlich unbehelligt von Schallers neoexpressionistischen Formen
zwischen Dom und Hauptbahnhof aufhalten.
Sonntag, 4. Januar 2015
BÜRO211 wünscht: Viva Vivarium - Zum Wiederaufbau des Vivarium von Mark Dion im Hofgarten
Eine
Stadt wie Düsseldorf ändert andauernd ihr Aussehen, überall werden ständig
Gebäude abgerissen und ausgewechselt. Nichts hat im letzten Jahr jedoch so sehr
in das Stadtbild eingegriffen, wie der Sturm Ela, der am Pfingstfest 2014
alleine in Düsseldorf etwa 45 000 Bäume zerstört bzw. entwurzelt hat. Seitdem
werden in der Stadt Spenden für die Wiederaufforstung gesammelt. Die
Griechische Gemeinde Düsseldorf hat der Stadt beispielsweise im November fünfzig Stieleichen
geschenkt, die aus der Gegend des Olymp im Norden Griechenlands stammen.
In
das Entsetzten und die Trauer, die all die uralten, riesigen Bäume auslösten,
deren massive Wurzeln sie nicht davor bewahren konnten, umgerissen zu werden, mischte sich auch
Erstaunen über das Bild, das sich nach dem Sturm im Hofgarten bot. Dort war ein
Baum genau im rechten Winkel auf ein Glashaus gefallen, in dem schon seit
vielen Jahren ein anderer Baum aufgebahrt lag. Dabei handelte es sich um das
Vivarium des Amerikanischen Künstlers Mark Dion. Auf einem wie in einem
Schneewittchensarg liegenden Baumstamm hatte Dion Pilze und Insekten
angesiedelt und auf diese Weise so etwas wie ein lebendes Kunstwerk geschaffen.
Die Natur hatte also ein Kunstwerk zerstört, das davon handelte, etwas aus der
Natur herauszulösen und unter eine Glasglocke bzw. in den Kontext der Kunst zu
setzen (Link).
Donnerstag, 1. Januar 2015
Tag eins.
Als ich gestern Nacht aus der Stadt nach Hause kam, lagen bei mir mitten
auf der Straße zwei ineinandergeknäulte, reglose Körper und wurden von
zwei Frauen beweint. Einige erste Polizisten kamen angefahren und zwei
Leute berichteten mir, die beiden hätten sich Bierflaschen auf den Kopf
geschlagen. Der eine ist doch schon tot, meinte eine Frau. Ein älterer
Herr gesellte sich zu uns, der sich im Gehen ein Stück Klopapier in die
Nase steckte. Er hatte kurz zuvor versucht, die beiden
zu trennen und dabei selbst einen Schlag aufs Gesicht bekommen. Eine
aufgeregte Frau und ein Mädchen, das einen riesigen Kochlöffel in der
Hand trug, eilten zu der Verkehrsinsel. Noch stundenlang hörte ich von
meinem Küchenfenster aus Hundegebell, Polizeiautos und aufgeregtes
Rufen. Dabei wurde der Nebel immer dichter und legte sich über das wie
inszeniert wirkende Bild. So also begann Tag eins des neuen Jahres.
Montag, 22. Dezember 2014
Pascal Haüsermann: L’Eau Vive, Raon l’Étape 1967
Als gegen Ende der Sechzigerjahre eine euphorisch-exzessive Welle über dem Planeten zusammenschwappte und die metallisch schimmernde Geradlinigkeit von Häusern und Möbeln in Schwung versetzte, da befand sich der Schweizer Architekt Pascal Haüsermann schon lange mitten im Geschehen rund um das Maison Bulle, das Blasenhaus. Haüsermanns Geschichte zeigt, wie eine überbordende Phantasie und der Idealismus, das Wohnen spektakulärer und individualistischer zu gestalten, am Ende an immer rigider werdenden Bauvorschriften und sogar offen zur Schau gestellter Missgunst scheiten sollte.
Bereits
im Jahr 1959 baute Pascal Haüserman in Grilly ein erstes Ferienhaus und
entwickelte dabei sowohl seine Technik, Betonschalen herzustellen, als auch seine
eigenen Ideen zum Thema Autokonstruktion. Haüsermans Methode bestand darin, zunächst
ein korbartiges Gestell aus gebogenen Stahlbändern zu bauen, um in einem
zweiten Schritt die so entstandene Armierung per Hand mit Beton zu umschließen.
Eine Verschalung benötigte man für die geschwungenen Formen somit nicht. Auf
diese Weise gelangen ihm begeh- und bewohnbare Skulpturen, die an Eier,
Ellipsen und Muscheln erinnern und die ein wenig wie überdimensionierte Töpferwaren
aussehen. Nicht zufällig betreibt heute noch Haüsermanns erste Frau Claude
Costy in dem „La Ruine“ genannten Haus, das ebenfalls von dem Architekten
stammt, eine Töpferwerkstatt. Claude Costy war lange Jahre intensiv am Werk
ihres Mannes beteiligt.
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