MODE KUNST ARCHITEKTUR

Dieser Blog ist dem Material gewidmet, der Konstruktion, der Technik, der Opulenz und der Schönheit, dem Spektakulären, Aufregenden, Anekdotischen, den kleinen Details und dem großen Gesamteindruck, der Bewegung, der Farbe, dem Vergangenen und der Zukunft.

Sonntag, 29. April 2012

#ndm12: Die Nacht der Museen und der Hashtag


#ndm12: Scissorella 200m unter der Meeresoberfläche im Aquazoo
#ndm12: Regierungsschlösschen
Dank der schönen Idee der Organisatoren des NRW Forums, einhundert Blogger in die Nacht der Museen loszuschicken um das Geschehen zu dokumentieren, bin ich seit Jahren mal wieder in den Genuß des Großevents gekommen. Fotos, die unter dem Hashtag #ndm12 ins Internet hochgeladen werden konnten, wurden im NRW Forum gesammelt und an die Außenwand des Museums projiziert. Als pflichtbewusste Modeberichterstatterin hatte ich mir natürlich vorher überlegt, wie ich meine Hashtagger-Weste in mein Outfit integriere und mich in eines der Signalkorsetts geschnürt, das ich mir vor Jahren genäht habe.

#ndm12: Hashtaggeroutfit Scissorella
Da ich die Ausstellungen des NRW Forums bereits kannte, war die erste Station meiner Tour das Schlösschen der Bezirksregierung. Dort hatte ein feinfühliger Innendekorateur zahllose, offensichtlich genau auf die Jugendstilgemälde des Festsaals von Adolf Münzer aus dem Jahr 1911 zugeschnittenen Derrick-Telefontischchen augestellt, wie ich mit einem gewissen Schmunzeln bemerkte. Ständige telefonische Erreichbarkeit ist bei der Bezirksregierung also garantiert (s. Abb. ganz unten).

#ndm12: Kommandozentrale Aquazoo, Scissorella
Im Löbbecke Museum, bzw. im Aquazoo, fühlte ich mich dann schon eher zu Hause, und zwar befindet sich das Naturkundemuseum in einem coolen Gebäude von 1987, bei dessen Entwurf man ganz deutlich Blofelds Haifischbecken und die versammelten Polygone der Sechzigerjahre vor Augen hatte.


Mit Polygonen ging es auch im Strasserauf-Loft auf der Ronsdorferstrasse zu, wo die Streetartgruppe Waende Suedost (Link) mit einer Vernissage auf ihr Projekt aufmerksam machte, bei dem im Sommer diesen Jahres die Rückseite der Lärmschutzwände der A40 in Essen verschönert werden sollen.

#ndm12: Strasseraufloft

Donnerstag, 26. April 2012

Paul Stohrers Stuttgart als geheime Glitzermetropole der Sechzigerjahre

Eine Illustration der Blogbetreiberin
Eine Bestätigung in meinem Bestreben, Glitzer und Theatralik mit der Schönheit unbehandelter Betonoberflächen zu verbinden, habe ich nun ausgerechnet in einem Stuttgarter Architekten der Sechzigerjahre gefunden. Über Paul Stohrer sagt der „Architekturführer Stuttgart“ aus dem Reimer Verlag, er verkörpere den Typen des erfolgreichen Architekten der Wirtschaftswunderzeit. Das ist recht nüchtern formuliert, und auch seine Gebäude lassen zunächst nicht vermuten, was für ein Typ der Architekt wirklich war.

Das stuttgarter Rathaus stammt von Stohrer, bei dessen Entwurf er allerdings Kompromisse eingehen musste. Das eigene, am Bodensee gelegene Ferienhaus namens Moroshito aus dem Jahr 1961, wirkt mit seinen dreieckigen Seitenwänden und seiner schnittig im 45 Gradwinkel dem See zugewandte Front unglaublich streng und futuristisch. Auch Stohrers Büro, dessen Gebäude ich mir kürzlich in Stuttgart angeschaut habe, wirkt mit seinen vor- und zurückspringenden waagerechten Elementen und dem in Fenstern, Türen und Zaunelementen wiederkehrenden Kreismotiv, absolut cool, modern und sachlich (s. Abb. 1-3).
 
Liest man jedoch den Bericht der Architekturkritikerin Amber Sayah (Link), so fühlt man sich direkt an die Szene in „Pillowtalk“ erinnert (1966), in der Doris Day als kecke Innenarchitektin Rock Hudsons Wohnung farbenfroh umdekoriert. Tatsächlich zählte Stohrer die Showgrößen seiner Zeit zu seinen Auftraggebern, wie beispielsweise die Schauspielerin Margot Hielscher und pflegte einen regen Kontakt zur Film- und Theaterbranche. So beschreibt Frau Sayah, wie Paul Stohrer in den 50er- und 60erjahren mit seinem Flügeltüren-Mercedes 300 SL in flotten Anzügen über die stuttgarter Straßen rauschte und seine Vorlesungen an der Staatsbauschule dagegen im Tennisdress hielt. Daß der Architekt bisweilen mit einem Hausleoparden in der Stuttgarter Fußgängerzone gesichtet worden sei, habe sich jedoch als Gerücht erwiesen.
 
Wenn ich Frau Sayah zitieren darf: Es konnte nicht ausbleiben, dass diese Selbstinszenierung als Künstlerarchitekt von Kollegen belächelt wurde – zumal sie mit Dekorationsorgien einherging, die in merkwürdigem Kontrast zur strengen Geometrie der Stohrer’schen Baukörper standen. Sein Ferienhaus etwa, äußerlich ein cooles Betonprisma auf Stelzen, schmückte er mit einem abenteuerlichen Mix aus Fischernetzen, Schwimmringen, Schiffstauen und Korbstühlen. In seiner Dachwohnung im Haus am Stuttgarter Herdweg, das ebenfalls zu seinen heraus­ragenden Bauten zählt, richtete er sich mit Tigerfellen und Fototapeten ein.



Staunen Sie im nächsten Teil unserer Serie über Egon Eiermanns revolutionäre Ideen zum Thema moderne Herrenkleidung.

Mittwoch, 25. April 2012

Eilmeldung: "Supertalent? Das möchte ich nicht!" - Julian F.M. Stoeckel sagt nein.

Gerade klingelt mein rotes Telefon und ich bekomme die überraschende Eilmeldung, daß Julian F. M. Stoeckel gebeten wurde, sich bei einer TV-Show namens „Das Supertalent“ zu bewerben. Mit Erstaunen fragt man sich, warum sich der Schauspieler und Designer, der gerade erst als Gastgeber eines großangelegten Galaabends, des 6. Fashion Cocktail by Julian F.M. Stoeckel (Link) in Erscheinung getreten ist, zwischen die Kandidaten einer Talentshow einreihen soll, und so verwundert die Antwort des berliner It-Boys nicht: 
„Die Produktion hat mir angeboten, ob ich nicht mit einem Chansons auftreten möchte...? Erstmal bin ich kein Sänger und will auch kein Sänger werden und da man davon ausgehen kann, wenn man etwas machen soll, was man nicht wirklich kann, wird man von den Sendern mit hässlichen O-Tönen belegt und wird dem hungrigen Publikum zur Show gestellt. Und darauf habe ich keinen Bock...! Viele Teilnehmer hoffen auf die große Karriere durch "Das Supertalent" und werden entweder gefördert oder einfach durch den Kakao gezogen.“

Wir gratulieren Herrn Stoeckel zu dieser Entscheidung und wünschen weiterhin viel Erfolg!

Ruckediguh / Die Schönste im ganzen Land




Dienstag, 24. April 2012

Hashtag, hier kommt der Frühling: Vernissagen, Ausstellungen und die Nacht der Museen


Zur Zeit überschlagen sich die Ereignisse in Düsseldorf schon wieder und so will ich einerseits vom letzten Wochenende berichten, andererseits aber auch einen Ausblick auf das nächste bieten. Nachdem ich meinen Blog nun schon seit mehr als drei Jahren betreibe, ist es schön zu sehen, wie die verschiedenen Charaktäre der Erzählung immer wieder erscheinen und mittlerweile beinahe eine Rahmenhandlung besteht:

Mittwoch, 18. April 2012

Henrik Vibskov in der Galerie Ruttkowski 68, Köln im April 2012

An der Vernissage des Modedesigners Henrik Vibskov in der kölner Galerie Ruttkowski 68 konnte ich am letzten Freitagabend leider nicht teilnehmen, und so war ich froh, daß am darauf folgenden Sonntag zusätzlich zum „Big blow up Thing“ geladen wurde. Ich erwartete etwas Buntes, Amorphes, Aufblasbares und wurde nicht enttäuscht. Bereits auf dem Weg zur eigentlichen Ausstellung sah ich durch eine Einfahrt ein riesiges blassgrünes Gebilde über einen Hinterhof wabern. Tatsächlich war die gigantische Amöbe, die sich mit ihren tausend Armen dort aufblähte, wieder in sich zusammenfiel und dem Betrachter bauchig entgegenwallte, Vibskovs Werk. Ursprünglich als Laufsteg für dessen Modenschauen konzipiert, schlug das ventilatorbetrieben Fabelwesen die Brücke zwischen Vibskovs Mode und dessen gerahmten Plastiken, die noch bis zum Mai 2012 in der Galerie Ruttkowski 68 zu sehen sind.

Rolf Gutbrod in der Gropiusstadt, Berlin

Brutalism, Berlin

Nach wie vor beeindruckt von Rolf Gutbrods Dorlandhaus (Link) habe ich mir in den letzten Wochen diverse weitere Gebäude des Architekten angeschaut, darunter auch seinen Beitrag zur Großwohnsiedlung Gropuisstadt im Süden Berlins. Dabei ist mir aufgefallen, wie sehr es Gutbrod gelungen ist, an jedem seiner Bauten seine typische Signatur unterzubringen, auch dann, wenn es sich um ein nicht ganz so glamouröses Projekte wie das luxuriös ausgestattete Dorlandhaus handelte. 
 
Brutalism


Dienstag, 17. April 2012

Fashion Cocktail by Julian F. M. Stoeckel; Berlin im April 2012

Julian Stoeckel, Oswald Musielski (links)
Mit Rolf Eden (und meinem aktuellen Entwurf)
Das ist Hollywood, sagte Rolf Eden, als ich ihm das Foto von uns beiden auf dem Display meiner Kamera zeigte. Er ganz in Weiß und ich in silbern versprühten wir definitiv den Glamour, in dessen Zeichen der gesamte Abend stand. Julian F. M. Stoeckel hatte zum Fashion Cocktail geladen und im Atrium eines Hotels einen bunt schillernden Galaabend arrangiert. Opulent war dabei nicht nur die Zusammenstellung des Rahmenprogramms, sondern auch die die der Gästeliste. Weiß man um Herrn Stoeckels Begeisterung für Filmdiven, internationale Playboys und Jetsetcharme, so kann man die Soirée als absolut gelungene Inszenierung bezeichnen, die es dem Gastgeber ermöglichte, all seine Qualitäten zu präsentieren, sei es sein rein organisatorisches Talent als Modelagent und seit neuestem auch Betreiber eines Modelabels, oder sei es sein darstellerisches Können, mit dem er alle Beteiligten in Bann zog. Und so überraschte der kleidungsmäßig sehr an Rudolfo Valentino erinnernde Jungunternehmer denn auch seine illustren, allesamt aus der Unterhaltungsbranche stammenden Gäste mit einem Arrangement, das aus insgesamt drei Modenschauen und diversen Gesangseinlagen bestand. Darunter befand sich auch ein Beitrag von Kontratenor Oswald Musielski, den Fans glitzernder TV-Momente aus dem großartigen Beitrag über Herrn Glööcklers Umzug in sein neues Logement unter den Linden kennen. Nach den Defilées der Jungdesigner Eleni Konti und Kauffeld & Jahn fand der Showteil des Abends schließlich sein großes Finale in Stoeckels Präsentation seiner aktuellen und allerersten eigenen Kollektion, die er in Zusammenarbeitmit dem Lerderwarenhersteller Picard erarbeitet hatte.

Matthias Maus (rechts) mit Muse Jasmin (in einem Ensemble von Mbrilliant) und Model Marc Eggers
Die späteren Stunden verbrachte man dann bei kühlen Getränken und guter Laune und ich hatte das große Vergnügen, zusammen mit Mbrilliant-Designer Matthias Maus (Link)  und seiner Muse Jasmin weiteres Personal für dessen Musentempel zu akquirieren. 

Sonntag, 15. April 2012

Gerkan, Marg und Partner: Flughafen Tegel, Berlin 1965-75

 

Dreieck und Sechseck bilden die Grundlage der Gestaltung des Flughafen Tegels im Nordwesten Berlins. Die Gebäude entstanden in den Jahren 1965 bis 75 nach Plänen des Büros Gerkan, Marg und Partner. Am 2. Juni 2012 wird die Anlage geschlossen und der Betrieb in den bis dahin erweiterten Flughafen Berlin Schönefeld verlegt. 


Betrachtet man den sechseckigen Grundriß des Flughafengebäudes, drängt sich der Vergleich zu Schneider-Eslebens Flughafen Köln Bonn auf, der im Jahr 1970 eingeweiht wurde (Link). Dort säumt das Flughafengebäude einen fünfeckigen Platz an drei Seiten, sodaß man mit dem Auto direkt vor dem Haupteingang vorfahren kann bzw. zu den Parkmöglichkeiten unterhalb des Platzes gelangt. In Tegel dagegen umschließt das Flughafengebäude einen großen seckseckigen Innenhof zu allen Seiten hin, der durch unterhalb des Gebäudes liegende Einfahrten erreicht werden kann. So gelangt der Besucher vom innenliegenden Parkplatz aus direkt an den Schalter seiner jeweiligen Fluggesellschaft und von dort aus ohne weitere Umwege zu seinem entsprechenden Flugzeug, das wie in Köln-Bonn auf der Außenseite des Gebäudes anliegt. Form und Funktion bilden eine Einheit und es ist erstaunlich, wie konsequent die zunächst funktional im Grundriß eingesetzte Form des Sechsecks über die gesamte Anlage hinweg beispielsweise in Decken, Fliesen und Säulenquerschnitten dekorativ eingesetzt wird. Anlässlich der baldigen Schließung des Flughafens war ich kürzlich vor Ort um zahllose Detailaufnahmen zu machen und auch um mir ein Bild des ganz normalen Flughafenbetriebs zu machen. 

Montag, 9. April 2012

Città / Velocità


Entstehungsprozess; Fortsetzung folgt.

Mittwoch, 28. März 2012

Pierre Koenig: Case Study House # 22, Los Angeles 1960


In manchen Häusern leben wir in unserer Phantasie schon seit vielen Jahren, stellen dort unseren Tisch auf und flüchten uns dorthin, wenn uns unsere eigene Realität zu profan erscheint.

Eines dieser Häuser, das wohl vielen von uns ein imaginärer Zweitwohnsitz ist, ist Pierre Koenigs Case Study House # 22 in den Hügeln Hollywoods, das er in den 50erjahren für das junge Ehepaar Stahl entwarf. Daß das Haus wirklich existiert, konnte ich nie so ganz glauben, auch nicht, wenn ich Shulmans Fotografien betrachtete. Shulman ist schließlich dafür bekannt, Gebäude, die von sich aus schon einem hohen Ideal entsprechen, durch eine geschickte Inszenierung noch idealer darzustellen. Ein hellblauer Pool, ein Glaskasten und eine Betonplatte, die hoch oben über Los Angeles schweben.

Um so surrealer ist es, wenn man den Gebäuden, in denen man gedanklich schon so viel Zeit verbracht hat, dann in Wirklichkeit begegnet, ihre Umgebung sieht, den Weg dorthin entlang läuft, die Luft dort einatmet, sich mit den Leuten unterhält, die in dem Haus leben und einen ein Gefühl der Vertrautheit und gleichzeitiger Überraschung befällt.

Betrachte ich nun zwei Jahre nach meiner Kalifornienreise meine eigenen Fotos des Stahl-Hauses, so will ich wieder nicht so recht glauben, daß ich tatsächlich dort war. Zu unglaublich ist die ganze Geschichte, und dennoch stand ich an einem Sonntagnachmittag im Oktober tatsächlich in dem scheinbar schwebenden Wohnzimmer aus Glas. Durch eine ganz merkwürdige Verkettung von Zufällen war ich dort hingeraten, aber auch dank der sprichwörtlichen amerikanischen Gastfreundschaft und der Tatsache, daß es wohl immer noch ungewöhnlich ist, in Amerika zu Fuß unterwegs zu sein, zudem in Hollywood. Zweimal machte ich mich auf den Weg zu Haus # 22, einmal direkt zu Beginn meiner Reise, wobei ich die Nachbarn der Stahls kennen lernte, und ein zweites Mal kurz vor meine Rückkehr nach Deutschland. Wieder war ich den Hollywood Boulevard entlang gelaufen und an Frank Lloyd Wrights Storer House vorbei die gewundenen Sträßchen den Hügel hinauf marschiert. Wieder empfingen die Nachbarn mich sehr freundlich und dann ergab es sich, daß Familie Stahl tatsächlich zu Hause war und uns zu sich hereinbaten. Carlotta Stahl, die damals zusammen mit ihrem Mann den Entwurf des Hauses bei Pierre Koenig in Auftrag gegeben hatte, saß mit ihrem Sohn Mark und dessen Lebensgefährtin im offenen gäsernen Wohnzimmer und schaute über die Stadt, die unter uns lag und bis zum Ozean reichte.


Ich weiß nicht, wie ich die Atmosphäre beschreiben soll, die dort herrschte, ich kann nur sagen, daß all das helle warme Licht, der hellblaue riesige Himmel um uns, die flirrenden Reflexe im Pool, die filigrane Konstruktion des Hauses und die Tatsache, daß die gesamte Rückseite des Gebäudes aus Glas besteht, die riesige glitzernde Stadt am Fuß des Berges, der Pazifik in der Ferne, daß all das wie ein gebautes Ideal wirkte, wie die perfekte Umsetzung einer Utopie. Zudem Frau Stahl kennen zu lernen, die damals zusammen mit ihrem Mann Buck und Piere Koenig an der Planung des Hauses und der Vorbereitung des als schwer bebaubar geltenden Geländes beteiligt war, war ein unvergeßliches Erlebnis, und ich dachte nur, so sieht man also aus, wenn man ein langes Leben in in einer derart perfekten Umgebung verbracht hat.

Mittlerweile wohnt Familie Stahl nicht mehr in ihrem Haus in den Hügeln, allerdings ist es immernoch im Besitz der Familie und wird für Fotoshootings und Filmaufnahmen vermietet. In unregelmäßigen Abständen jedoch besucht Frau Stahl ihr Case Study House und es war ein riesiges Glück, sie dort getroffen zu haben.

Dienstag, 27. März 2012

Wolfgang Döring: U-Bahnhof Oberbilk/Philipshalle, Düsseldorf 2002


Seit man in Düsseldorf vor Jahren begonnen hat, einen neuen U-Bahntunnel quer durch die Stadt zu bohren, ist die Glitzermetropole nicht unbedingt schöner geworden und zusammen mit der Baugrube des Kö-Bogens verleihen die U-Bahn-Bauarbeiten der Innenstadt einen recht rauhen Nachkriegs-Look. Die einen sehen die Angelegenheit mit Humor (Link), die anderen wollen zumindest Friedrich Tamms’ Tausendfüßler erhalten (Link), einige mussten aufgrund der Dauerbaustellen schon ihre Geschäfte schließen und niemand will die neue U-Bahnline so recht haben. 


Daß man sich in Düsseldorf jedoch tatsächlich darauf versteht, ausgesprochen schöne U-Bahnhöfe zu bauen, das beweisen die drei unterirdischen Haltestellen Handelszentrum/Moskauer Platz, Oberbilker Markt und Oberbilk/Philipshalle, die im Jahr 2002 eröffnet wurden. Letztere verlor kürzlich ihre Bezeichnung, da die namengebende Halle ihren Besitzer gewechselt hat und nun Mitsubishi Electric Halle heißt. Die oberirdischen Schilder wurden bereits abgebaut und ich bange dem Tag entgegen, an dem die Schilder im unterirdischen Bereich gewaltsam aus ihren Fugen gerissen werden. Denn steht man dort am Bahnsteig, vertieft man sich automatisch in die Gestaltung des Raums, in die bis ins Detail aufeinander abgestimmten Proportionen der einzelnen Elemente, und auch die Typografie der Schilder ist perfekt in das harmonische System der Längs- und Querstreifen eingepasst.

Steigt man an der "ehemaligen Philippshalle" aus, wie man das Gebäude mittlerweile nennt, da niemand die holprige Verbindung aus Japanisch, Englisch und Deutsch der "Mitsubishi Electric Halle" über die Lippen bringen will, so ist man von der riesigen Höhe des unterirdischen Raums überrascht, vom hellen glänzenden Weiß der mit Neoparies verkleideten Wände, einem mit Glas beschichteten Kunststein, und von der Eleganz, mit der der graue Granit des Bodens, der Edelstahl von Rolltreppen, Türen und Bänken, das Schwarz der Decke und des Kiesbetts eine Einheit bilden, akzentuert von einigen schlanken, leuchtend roten Informationssäulen und den bereits erwähnten Schildern.


Sonntag, 25. März 2012

Bitumen, Altöl und Kerosin: Comme des Garçons und der Duft des Industriezeitalters


Als ich anfing, mich für die Funktionalität und Schönheit von Industriearchitektur zu begeistern, beschäftigte ich mich zunehmend auch mit Arbeitskleidung. Die Schwarz-Weiß-Kaue war beispielsweise ein wichtiges Thema, in der die Bergarbeiter ihre saubere Kleidung in Körben unter der Decke aufgehängt verwahren um dann in ihrer Arbeitsmontur in die Grube einzufahren. Jahrelang dem Kohlestaub ausgesetzt und immer wieder ausgekocht und geflickt, erreicht schließlich jedes ehemals weiße Wams und jede Hose eine ganz individuelle Färbung.
Bergarbeiter-Anzug: Scissorella, Foto: M. Lutter
Comme des Garçons 2
Ich fuhr mit der Bahn das ganze Ruhrgebiet ab und nachdem ich mich bis dahin vor allem mit der Mode bis etwa 1900 beschäftigt hatte, fesselten mich nun Filme wie „Der Zug“ (John Frankenheimer, 1964) und „Knotenpunkt Bhowani“ (George Cukor, 1956). In letzterem manifestiert eine von Ava Gardner dargestellte, attraktive Halbinderin ihre Zerrissenheit zwischen Tradition und Moderne, indem sie sich uns einerseits in opulenten Saris, andererseits aber auch in straffen 40erjahres-Zugbegleiter-Uniformen in Gefahr begibt.
Zeltplanen-Kostüm: Scissorella, Foto: M. Zimmermann
Clärenore Stinnes Reise mit dem Automobil um die Welt im Jahr 1927 faszinierte mich (Link), U-Boote und Flugzeuge sowieso und bei frischgeteerten Straßen fuhr ich immer etwas langsamer, um in den vollen Genuß der Teerdämpfe zu kommen. Genau so wollte ich auch riechen, aber wie sollte man das anstellen? Eine Mischung aus Teer und Kerosin schwebte mir vor, aus frischem Beton und diesem alten, matt klumpigen Maschinenöl, das besoders gut riecht, wenn die Sonne darauf scheint.

Samstag, 17. März 2012

Matté Trucco: FIAT Lingotto, Turin 1916-23


Nachdem ich hier immer von der modernen Stadt bzw. der Stadt der Zukunft spreche, darf nach Tunnels (Link), Autobahnen (Link), Hochstraßen (Link), Wolkenkratzern und Dachterrassen eines nicht fehlen, und das ist die Teststrecke auf dem Dach.

In turiner Stadtteil Lingotto begann man im Jahr 1916 mit dem Bau einer neuen Produktionsanlage der Fabbrica Italiana Automobili Torino (FIAT) nach den Entwürfen des Architekten Matté Trucco. Was lag dabei näher, als die dort hergestellten Fahrzeuge direkt vor Ort zu testen? Mehrere Rampen ermöglichen es, mit dem Automobil direkt auf das Dach des Gebäudes zu fahren, in dem sich in etwa 30 m Höhe eine 1,2 km lange Teststrcke befindet. Von 1923 - 83 residierte Firma in den Gebäuden. Mit der Schließung des Werks begann der Niedergang des gesamten Viertels und nach anhaltendem Protest der Bevölkerung führte man die Anlage einer neuen Bestimmung zu. Von Renzo Piano stammt ein grün-gläserner Dachaufbau, der die Pinacoteca Giovanni e Marella Agnelli beherbergt, zudem verlagerte man die Fakultät für Ingenieurwesen der Universität von Turin in die Gebäude und eröffnete neben einem Hotel auch ein Einkaufszentrum.

Mittwoch, 14. März 2012

Paul Schwebes: Philipsgebäude, Berlin



Was ist eigentlich zur Zeit los? Warum wird mutwillig alles kaputt gemacht? Natürlich geht es beim Abriß und Umbau von Bauten der Moderne um wirtschaftliche Interessen, das ist mir schon klar, aber ist es nicht möglich, diese Gebäude mit etwas mehr Feingefühl zu betrachten? Ist es denn wirklich preisgünstiger, ein Hochhaus mit einier riesigen neusen Fassade und neuen Innereien zu versehen, als die bestehende Ausstattung aufzuarbeiten, weiter zu nutzen und mit einem subtilen Marketingkonzept an Interessenten zu veräußern, die am Ende der Meinung sind, nun etwas ganz Besonderes, Einzigartiges zu besitzen? Warum kann man diese Bauten der Nachkriegsmoderne, nicht als das sehen, was sie sind? Warum werden an sachlich konstruierte Verwaltungsgebäude Lochblechfassaden mit Blumenmustern angebracht? Las Vegas ist nicht der Maßstab, lasst Euch das nicht einreden. Las Vegas ist eben Las Vegas, da gehören ständiger Umbau und Kulissenarchitektur zum Bild der Stadt. Insofern ist die Glitzermetropole in jedem Fall sehenswert, aber dort herrschen andere Kriterien, als in jeder anderen Stadt, geschweige denn als in Berlin oder Düsseldorf. Dennoch strebt man diesem Ideal des sich ständig und immer schneller wandelnden Outfits in deutschen Groß- und Kleinstädten immer mehr nach.

Montag, 12. März 2012

2nd Steet Tunnel, Downtown Los Angeles, 1924


Typische Stadt-Szenarien, die man für den urbanen Look eines amerikanischen Films einfach braucht, findet man in Downtown Los Angeles auf einigen wenigen Quadratkilometern rund um den Bunker Hill konzentriert. Für Kriminalfilme unabdingbare Backsteingebäude mit Feuertreppen bietet die Gegend en masse und es verwundert nicht, dort immer wieder Kamerateams anzutreffen. Das Bradbury Building aus dem 19. Jahrhundert, das man aus dem „Bladerunner“ kennt, befindet genauso sich in diesem Stadtteil wie das hoch aufragende, weiße Art Déco Gebäude der Townhall (1928), das in „The Adventures of Superman“ erscheint, in „War of the Worlds“ (1953) und unzähligen weiteren TV- und Filmproduktionen.

Als ich im Oktober 2009 zu Fuß durch Downtown schlenderte, war ich überrascht, daß sich sogar DER ultimative Tunnel dort befindet, dessen grün schillernde Fliesen den Rahmen für unendlich viele Verfolgungsjagden und Auto-Werbespots bieten, u.a. für „The Driver“ (1978), für den „Terminator“ (1984, Link) und am elegantesten natürlich für die Szene in „Gattaca“ (1997), in der Vincent und Irene im Elektromobil in eine Kontaktlinsen-Kontrolle geraten.